Fünf Kilometer waren geschafft, als unser Kontakt zur restlichen Wandergruppe abriss. Soweit kein Problem, allerdings mussten wir nun mehr oder weniger alleine durch die Nacht. Vorbei an Belantis, am Zwenkauer See bis in den dunklen Zwenkauer Forst. Nichts für schwache Nerven, vor allem wenn man urplötzlich von "Soldaten" dazu angehalten wird, Maut zu zahlen...
Kilometer 11: Die erste Rast am Fuße der Bistumshöhe. Nachdem uns seit Beginn des Westufers keine Wanderer mehr begegnet sind, sehen wir hier an der Bistumshöhe, dass wir doch nicht alleine auf der Strecke sind. Wir müssen anstehen und das, obwohl wir mit 15 Minuten “Verspätung” eintreffen. Dafür konnten wir mit reichlich Beinfreiheit das Elsterflutbett und den Elsterstausee, an denen unser Weg vorbeiführte, bei Sonnenuntergang genießen. Doch was heißt schon genießen: Dort wo einst zahlreiche Leipziger Arielle der Meerjungfrau ernstlich Konkurrenz machten, blökten uns über 100 Schafe an, die gerade ihr Abendmahl genossen. Sie fraßen das Gras aus dem Ex-See.
Wir stiefelten weiter, vorbei am ehemaligen Zeltplatz, einen Trampelpfad zurück zum Cospudener See. Als wir ankommen, packt die Blaskapelle gerade ihre Instrumente ein. Die haben wir nun also verpasst. Immerhin steht ein DJ da, der sich an einer Mischung aus Wolfgang Petry und Rihanna versucht. Das DRK Zwenkau hat für die Wanderer das traditionelle Mahl der Bergleute, die “Berg-Henne” kredenzt. Im Begleitheft kurz umschrieben: Kraftbrühe-Brot-Schmalz-Hering. Was soll ich sagen? Stimmt. Und weil lange Zeit nicht zu sehen ist, wo die ihren Nachschub her holen, mutet diese Raststätte an der Bistumshöhe auch ein wenig wie die Fütterung der 5.000 aus der Bibel an.
Mittlerweile habe ich die Schnürsenkel der Wanderschuhe gelöst. Mit der Zunge muss irgendetwas falsch gewesen sein. Auf den ersten zehn Kilometern hat sie mir das Schienbein wund gerieben. Zeit für Turnschuhe, die mir eine halbe Größe zu groß sind, für anschwellende Füße sicher nicht das dümmste. Aber erstmal Essen fassen. Doch dieses sicher zur freien Biergartengarnitur zu bringen, ist gar nicht so einfach. Meine gefühlt 15 Meter langen Schnürsenkel verleiten dazu, unbewusst draufzutreten und als ich meinen Suppenteller mit dem Schwarzbrot bekomme, passiert es fast, dass ich nach hinten umkippe. Ich selbst und die Dame, die hinter mir stand, haben die Schnürsenkel betreten. Aber sie merkt es nicht, so hänge ich für Sekunden fest an der Essensausgabe, mich am Tisch, neben den Suppentellern festhaltend, unfähig etwas zu sagen. Erst als die Frau irritiert hochguckt, warum ich immer noch hier “stehe”, merkt sie was los ist.
Kilometer 19: “Nein, die Getränke sind leider aus!”. Mittlerweile ist es 22:43 Uhr. Am Kontrollpunkt Zitzschen am Zwenkauer See soll es eigentlich planmäßig ein kleines Getränk geben, doch die Vorräte sind leer. Nur mit halben Äpfeln und halben Bananen können wir unseren Energiespeicher wieder auffüllen. Die gute Hälfte ist geschafft. “Sind das die letzten Wanderer?”, fragt die Dame am Kontrollpunkt. “Nein, da kommen noch 20”, erklärt ihr ein Mann, der uns mit dem Fahrrad vor ein paar Minuten entgegenkam. Wir sind also doch nicht die Letzten.
7-Seen-Wanderung: 35 Kilometer durch den Leipziger Süden – ein Selbstversuch (Teil 1)
Schon zum neunten Mal wandern an diesem Wochenende übertrieben Naturfreundliche durch das Neuseenland…
Nach dem Mahl an der Bistumshöhe führte uns unser Weg am erleuchteten Belantis vorbei. Die Sonne war 21:00 Uhr nicht mehr in Sichtweite, dafür setzte uns fortan der Vollmond ins rechte Licht. Über den Rad- und Fußweg neben der Zufahrtsstraße zu Belantis ging es bis zum Zwenkauer See. Hier überholen uns mal wieder ein paar Menschen, doch von reger Begängnis ist nichts zu spüren. Auch von den vier Begleitteams ist nichts beziehungsweise keins zu sehen. Die Gruppe scheint schon zu sehr auseinandergezogen zu sein. Vom See können wir trotz Vollmond nicht viel sehen, stattdessen grüßen uns aus der Ferne die Kühltürme Lippendorf. Wir sind weiter in guter körperlicher Verfassung, auch wenn wir schon über drei Stunden auf den Beinen sind, als wir den See-Rundweg erreichen. Die Unterhaltungen laufen gut und sinnvoll. Noch. Mit einer Taschenlampe, die jedem Wanderer empfohlen wird, leuchten wir uns den Weg, falls es doch mal zu dunkel wird. Hier, wo links und rechts nur ein paar junge Bäume und einige Büsche stehen, ist das allerdings nicht das Thema. Rechts neben uns peitschen Autos die B186 entlang, über uns singen Vögel ihr Abendlied. Romantik im Neuseenland.
Kilometer 23: Das Rathaus Zwenkau ist erreicht. Im Innenhof der Burg tummeln sich circa 50 Wanderer. Die meisten von ihnen trinken einen letzten Tee, bevor es in den Bus zurück nach Markkleeberg geht. Sie haben die 23-km-Wanderung erfolgreich beendet. Die Geisterstunde ist nah, der Teufel am Tee-Ausschank und eine Hexe auf dem Hof künden schon davon. Und das sind keine Halluzinationen. Auch wenn das Tempo gleich geblieben ist, zog sich der Abschnitt zwischen Zitzschen und Zwenkau doch etwas. Abwechslung bietet der Nachthimmel über Leipzig. Über Völkerschlachtdenkmal, Neuem Rathaus und Uni-Riesen ist mächtig was los. Am Flughafen scheint sich das DHL-Drehkreuz im Rekordtempo zu drehen. Mindestens vier Flugzeuge sind immer gleichzeitig am Himmel zu sehen.
Am Trianon, einer Tempelruine aus dem Jahr 1790, ein letzter Rest der ehemaligen Gemeinde Eythra, empfangen uns Soldaten vom Heimat- und Museumsvereins Zwenkau, verlangen, dass wir der Magd ein wenig Maut in ihre Schatulle schmeißen. Nachts um 23 Uhr, nach 20 Kilometern, weiß ich gar nicht recht, was die von mir wollen: In Zitzschen wurde uns gesagt, das Essen, was es dort geben sollte, gibt es nun hier am Trianon und nun sollen wir Maut zahlen? Ich trete erstmal beiseite, peile die Lage: Kein Essen da. Das soll es nun in Zwenkau geben. Ein wenig Kupfergeld habe ich noch, meine männliche Begleitung hat zwei Euro. So erkaufen wir uns den weiteren Weg und verlassen die 800 Meter lange, mit Fackeln erleuchtete Lindenallee und ziehen in den Zwenkauer Wald ein. Hier ist es nun stockfinster, wir müssen auf plötzlich auftauchende Pfützen achten, was nicht immer gelingt. Die Turnschuhe werden nass, aber bis hierhin haben sie das Laufen ungemein erleichtert. Am Zwenkauer Rathaus angekommen, lassen wir uns auf einer der Biergarnituren hernieder, strecken kurz alle Viere von uns. Aber nach zehn Minuten Pause wollen wir weiter. Ins Gewerbegebiet Zwenkau…
Fortsetzung folgt…
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