Schon zum neunten Mal wandern an diesem Wochenende übertrieben Naturfreundliche durch das Neuseenland. Über 2.000 von ihnen haben sich angemeldet. Am Freitag starteten die ersten Touren. Nach der Trainingsstunde im Bootcamp im Oktober, schien ein 35-km-Wander-Marathon folgerichtig. Ein Selbstversuch, der schon nach fünf Kilometern ein erstes Opfer brachte.
Soll noch mal einer sagen, dass Wandern etwas für “alte Säcke” ist. Der Rathausplatz Markkleeberg ist am Freitagabend voller junger Menschen. Natürlich finden sich zwischen drin auch ein paar Personen, die der Volksmusik zugeneigt sind, aber die meisten befinden sich gefühlt im besten Alter und damit auch in einem Alter in dem man sich leicht überschätzen kann. Kurz vor 18 Uhr scharren sie alle mit den Wanderschuhen. Sie alle warten auf den Startschuss für die langen Wanderstrecken durch das Neuseenland.
Schon im neunten Jahr veranstaltet der Verein “7-Seen-Wanderer Markkleeberg” e.V zahlreiche Wandertouren. Immer Anfang Mai. Wer es ruhiger angehen lassen will, läuft vier Kilometer, wer übermütig ist oder einfach nur eine Meise hat, läuft 104 Kilometer durch das Neuseenland. Dazwischen gibt es natürlich noch ein paar Abstufungen. Weil uns vier zu wenig und 104 zu viel sind, laufe ich mit meiner männlichen Begleitung 35 Kilometer. Ab 0 Uhr erwartet uns das Ziel, bis 3:30 Uhr wird gewartet. Bedeutet: Neun Stunden Zeit für 35 Kilometer, heißt 4 Kilometer pro Stunde: Das sollte doch für geübte Wanderer ein Klacks sein.
Kilometer 0: Mit der festen Überzeugung, dass wir uns nachts um eins von innen angucken werden, beginnen wir die Tour. In den Krieg zu ziehen, wird sich nicht viel anders anfühlen. Eine Blaskapelle spielt euphorisch, als sich die Masse mit ihrem Marschgepäck und schweren Schuhen in Bewegung setzt, Menschen grüßen aus den Fenstern, schießen Fotos. Mit kurzen Bewegungen bewältigen wir den ersten Streckenabschnitt vom Rathausplatz Markkleeberg am Weißen Haus vorbei bis zum Pleißendamm. Noch ist es kein Wandern, es ist Massenschieben. Der Vorschlag meiner männlichen Begleitung, doch das nächste Mal eine Bibel mitzunehmen, um mit den Menschen auf dem Weg über die Bibel zu reden, sorgt nur für ängstliche Blicke. Immerhin: Wir haben reichlich Gesprächsthemen. Die Polizei stellt sich auf der Coburger Straße den Autofahrern entgegen, damit die Masse am Connewitzer Holz geordnet die Straße überqueren kann. Über den Wolkswinkel geht es zur Lauer.
Kilometer 5: Ins Gespräch vertieft, schleicht es so dahin. Bisher keine Abnutzungserscheinungen. Obwohl sich an der Lauer schon ein paar zur privaten Rast abgeseilt haben, ist die Gruppe noch lang genug, um die gesamte Straße am Nordstrand gemeinschaftlich zu messen. Die Wanderer marschieren zu fünft nebeneinander. Zeit, noch einmal die Ereignisse der Woche auseinander zu posamentieren. Neben uns fahren Inline-Skater und Rennradler in den sportlichen Feierabend, die Sonne hat den Rückzug angetreten. Ein Gefühl von Romantik macht sich breit, als es plötzlich knallt. Während die meisten Wanderer einfach weiterlaufen, manche gerade so noch ein “Oh!” herausbekommen, bleiben mein Begleiter, vier weitere Wanderer und ich stehen und kümmern uns um die Inline-Skaterin, die gerade eben mit hohem Tempo mit einem Rennradler zusammengestoßen ist. Die junge Frau liegt auf dem Asphalt, sagt nichts, japst nur. Klarer Fall: Krankenwagen. Bis der da ist, bemühen sich drei stehengebliebene Frauen um die Gesundheit der Inlinerin.
Während sich der Fahrradfahrer schnell wieder aufrafft und sich das Gesicht hält, dauert es drei Minuten ehe wir die ersten Worte von der Skaterin hören. “Krampf! Krampf!” Statt die Inliner auszuziehen, haben die Männer am anderen Ende der Frau die Schuhe nur fester gezogen. Mit großer Anstrengung gelingt es, der Skaterin die Schuhe auszuziehen. Ein Krankenwagen bleibt ein Traum, bloß gut, dass sie offensichtlich nicht ernsthaft verletzt ist, nur einen Schock hat. Plötzlich wenden sich zwei Rennradfahrer unserer Gruppe zu, die mitten auf der Straße steht. “Das habt ihr Penner davon, dass ihr immer nebeneinander lauft.” Die Jungs haben Glück, dass sie schnell sind. Ihr Gehirn scheinen sie irgendwo im Fahrtwind gelassen zu haben. Sie fahren selbst nebeneinander.
Es dauert zwölf Minuten, ehe ein Krankenwagen eintrifft, obwohl direkt einer am Equipagenweg stand. Über die Notrufnummer, die im Wander-Begleitheft steht, geht es auch nicht schneller. Wir erwarten den Krankenwagen am Beginn der Straße, weisen ihm den Weg, setzen dann unseren Weg fort. Die Sonne ist dabei, sich in ihr Nachtlager zurückzuziehen. Vor uns sind keine Menschen mehr zu sehen, wir sind 15 Minuten im Hintertreffen und bilden somit die Nachhut.
Fortsetzung folgt…
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