Das Weihnachtsgeschenk von meinem Trainer in diesem Jahr? Zwölf Kilometer Dauerlauf an Heiligabend. Muss man sich so was geben, wenn man sich eigentlich nur auf dem Sofa lümmelnd mit Plätzchen vollstopfen will? Aber wer schön sein will, muss leiden und wer schnell sein will, muss rennen. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt: ich bin Emma, 17 Jahre alt und Leipziger Leichtathletin.

Seit knapp 10 Jahren trainiere ich in meinem Heimatverein SG Motor Gohlis Nord und besuche das Sportgymnasium Leipzig. Wie ihr vielleicht jetzt schon beim Lesen mitbekommen habt, ist mein Hobby über die Jahre zu meinem Nebenjob geworden, soviel Zeit stecke ich hinein. Und zwischen Tempoläufen und Sit-Ups kämpfe ich mit dem Mathe-Leistungskurs und versuche, hinter das Geheimnis einer gelungenen Gedichtinterpretation zu kommen. Aber ich will nicht klagen, schließlich soll es hier ja um meine Träume gehen – und um die zu erklären, braucht es diese kleine Einleitung.

Ich bin nicht der einzige Teenager, der sich ab und an vom Leben ein bisschen überfordert fühlt. Zu Sekundarstufe II, Bewerbungen und Studienwünschen kommen Hautprobleme, Partys und die unterschiedlichsten Interessenskonflikte. Sei es nur, dass ein wichtiger Wettkampf an einem Wochenende ansteht, wenn man doch eigentlich Lust auf Ausgehen hätte. Von allen Seiten gibt man uns Ratschläge (“Schau mal wie das deine große Schwester gelöst hat.”), droht uns mit gruseligen Zukunftsvisionen (“Mit diesem Abi-Durchschnitt kannst du das Studium vergessen.”) und elterliche Spartipps (“Damit das Taschengeld mal bis zum Ende des Monats reicht.”) erweisen sich als nicht Teenie-alltagstauglich.
Und zur Krönung des Ganzen drücken uns Fernsehen, soziale Netzwerke und Mode bestimmte Vorgaben auf, wie wir zu sein haben. Klar, dass man sich dann fühlt, als hagele es von allen Seiten nur Kritik, Anforderungen und Gemecker. Als Jugendlicher verliert man so schnell die Lust am fleißig sein.

Ich träume davon, dass sich Mühe wieder lohnt. Das soll jetzt nicht heißen, dass harte Arbeit immer von Erfolg gekrönt sein muss, denn dieser Zahn wird einem besonders als Sportler schnell gezogen. Ich träume davon, dass echte Leistung zählt und nicht Oberflächlichkeiten. Dass die Leute weniger vorgeben etwas zu sein, und mehr in Wirklichkeit sind.

Das Glück in der Leichtathletik ist, dass es abrechenbare Ergebnisse gibt. Wenn du eine Sekunde zu langsam bist, dann lassen sie dich beim Finale nicht mitmachen, egal ob deine Haare an diesem Tag ganz besonders schön liegen oder deine Laufschuhe voll in der Trendfarbe sind. Es gibt keine Deutungsmöglichkeiten oder Bestechungen, die es leider in anderen Bereichen so oft gibt.

Besonders wenn man wie ich auf das Ende der Schulzeit zugeht, hört man immer mehr, wie groß doch der Einfluss von “Vitamin B” ist. Sei es, dass jemand trotz unterirdischem Abitur Medizin studieren kann, weil Papa das nötige Kleingeld hat oder man den Ausbildungsplatz bekommt, weil man um drei Ecken mit dem Chef verwandt ist – auf eine merkwürdige Art hat unsere heutige Leistungsgesellschaft kleine “Schummellücken” bekommen. Wieso wird es akzeptiert, dass bestimmte Schichten den meisten Leuten für immer verschlossen bleiben, egal, wie sehr sie sich auch anstrengen? Wieso kann es sein, dass sich unser doch eigentlich demokratisches System immer mehr an die indische Kastengesellschaft angleicht?

Aber ich will hier gar nicht zu politisch werden. Was ich mir von Herzen wünsche, ist eine faire Bewertung, die völlig objektiv ist. So wie eine Hochsprunglatte, die einfach fällt, wenn man es nicht drüber schafft oder ein erster Platz, wenn man vor allen anderen ins Ziel gelaufen ist. Ich möchte, dass jeder die Chance erhält, für seine Leistung Anerkennung zu bekommen und das ist nicht nur auf den Sport bezogen. Es gibt so viele Bereiche, in denen Schein und Sein meilenweit voneinander entfernt liegen, und besonders da sollten wahre Talente meiner Meinung nach gefördert werden. Ich denke, dass jeder irgendwo seine Stärken hat, die nur darauf warten, von anderen erkannt zu werden und dass es nicht nur der erste Platz ist, der zählt.
Besonders deshalb bin ich auch der Ansicht, dass die heutige Jugend nicht durch die Bank weg faul und blöd ist, wie viele meinen, sondern dass häufig Talente unerkannt bleiben und so nichts aus ihnen gemacht wird. Auch besteht zu viel Ablenkung von allen Seiten, dass man die eigene innere Stimme oft gar nicht hören kann.

Ich hatte das Glück, frühzeitig erkannt und heute noch von großartigen Menschen gefördert zu werden, doch auch für mich waren die letzten Jahre kein Spaziergang. Im Grunde genommen möchte ich alle ermutigen, an ihre Talente zu glauben, ihre Ziele im Auge zu behalten und ihre Träume zu leben, weil es sich wirklich lohnt. Auch wenn der Wind mal von vorne kommt, dann ist das nicht gleich ein Grund das Handtuch zu werfen – denn jeder Erfolg ist irgendwo das Ergebnis von großer Anstrengung.

Muss man sich nicht anstrengen, ist der Erfolg ja nicht besonders viel wert – von nichts kommt nichts, sagt meine Mama immer. Ich könnte euch mit vielen weiteren Sprichwörtern langweilen, aber das ist ja nicht das Ziel dieses kleinen Beitrags. Lange Rede, kurzer Sinn: meine Laufschuhe warten schon auf mich für’s letzte Training vor dem Gänsebraten.

Ich wünsche allen ein frohes Fest und ein erfolgreiches neues Jahr, mit allem, was ihr euch so vornehmt.
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Die schönsten “Leipziger Träumereien” werden in den kommenden Tagen hier auf L-IZ.de von heute bis Januar zum Jahresstart 2014 veröffentlicht. Wir freuen uns auf alle Wünsche, Träume und Ideen – in der Länge der Beiträge gibt es kein Limit. Senden Sie gern auch Fotos, Impressionen oder andere Bildeindrücke mit. Ein Foto von einem selbst ist ausdrücklich nicht zwingend nötig.

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