Hinter den Bundesliga-Handballern des SC DHfK Leipzig liegt eine nervenaufreibende Saison – stets unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Spielverlegungen, Coronafälle im eigenen Team und Partien vor Geisterkulisse stellten vor allem auch Karsten Günther vor permanent neue Herausforderungen. Im Interview mit der Leipziger Zeitung (LZ) blickt er auf die vergangene Spielzeit zurück.
Herr Günther, wie nervenaufreibend war für Sie die Saison 2020/2021, zu deren Beginn ja noch gar nicht klar war, dass sie so stark unter dem Einfluss des Virus stehen würde?
Auf einer Skala von 1 bis 10 war das zu Beginn sicher eine 10. Aber man gewöhnt sich an alles und wir haben, denke ich, mittlerweile einen Weg gefunden, wie wir aus der Umklammerung herauskommen. Immerhin können wir unser letztes Heimspiel mit 2.000 Zuschauern bestreiten und das ist ein Lichtblick.
Mit 2.000 Zuschauern konnte es vergangenen Oktober auch losgehen mit einem Hygienekonzept. Wie viel Vorarbeit steckte darin?
Das ging schon Ende März 2020 los, als die ersten Treffen mit der Restart-Gruppe, mit dem Hallenbetreiber, den Mannschaftsärzten und auch der Uni Halle liefen. Das mündete in der Restart-Studie im August, die uns etliche Erkenntnisse für die Hygienekonzepte geliefert hat. Alles in allem reden wir also von einem Vorlauf von einem halben Jahr.
Das Thema Zuschauer hing nie von der Frage ab „Wie viele Menschen möchten kommen?“, sondern „Wie viele dürfen kommen?“. Was waren vor Saisonstart im Oktober die Meilensteine?
Seit dem 8. März 2020 gab es natürlich etliche Meilensteine – und zunächst auch schlaflose Nächte. Die Sorge, alle Arbeitsplätze halten zu können, war schon groß, und das bedeutet ja auch, Einnahmen zu sichern. Dazu war ganz wichtig, dass auch die Mannschaft mitgezogen hat und der Gedanke überwog: „Das kriegen wir nur gemeinsam hin“. So haben ja auch die Spieler auf einen Teil ihrer Gehälter verzichtet, um die Liquidität zu sichern.
Ganz wichtig waren auch die Fans, die „Helden-Tickets“ für Spiele gekauft haben, die ohne Zuschauer stattfanden. Und das Geschäftsstellen-Team war auch sehr kreativ und hat Neues auf die Beine gestellt, wie zum Beispiel Lukas Krzikallas digitalen Sportunterricht für Grundschulen. Dann natürlich die Restart-Studie im August und die ersten Spiele mit Hygienekonzept.
Der Beginn mit 2.000 Zuschauern und einem klaren Hygienekonzept gelang, aber schon nach drei Partien kam der erneute Lockdown, und es folgten Monate ohne Publikum. Wie war das für Sie und das gesamte Team?
Das war natürlich ein Rückschlag, wie auch zuvor die Corona-Fälle im eigenen Team beim Auswärtsspiel in Stuttgart. Die haben aber gezeigt, dass der Umgang miteinander absolut vertrauensvoll und kollegial ist. So sind wir gleich mit einem Derbysieg gegen Magdeburg zurückgekommen, haben eine tolle Hinrunde gespielt und hatten vier Spieler im Einsatz bei der Weltmeisterschaft in Ägypten.
Phillipp Weber hat sich da auch in der Nationalmannschaft weiterentwickelt. Ganz wichtig war auch die Handballakademie, von der wir 8–9 Spieler als Unterstützer brauchen konnten.
Unterstützung bekommt der SC DHfK auch von einem breit aufgestellten Sponsorenpool mit vielen kleineren Unternehmen. Inwieweit waren auch die betroffen und wie stark mussten Sie da umplanen?
Es hat sich gezeigt, dass unser Ansatz, die Last auf viele Schultern zu verteilen, aufging. Das bedeutet aber auch mehr Betreuungsaufwand. Im März, April und Mai 2020 haben wir bestimmt 200 Sponsorengespräche geführt, um die jetzige Saison zu planen.
Also zwar Mehraufwand, dadurch dann aber geringere Einbußen an dieser Stelle?
Auf jeden Fall sind wir da noch besser zusammengerückt und wissen, wir können uns aufeinander verlassen. Ein paar Kapazitäten wurden bei uns natürlich auch frei, weil weniger Neuakquise möglich war, es gab ja wenig zu zeigen, da bei Spielen niemand dazukommen durfte.
Es kam im November, nach nur drei Partien vor Publikum, wieder zum Lockdown. Keine Zuschauer mehr. Musste dadurch noch mal umgeplant werden?
Das Gute war, dass bis dahin die Bundeshilfe Profisport beschlossen worden war. Es war also klar, dass zu einem gewissen Prozentsatz die Ausfälle aufgefangen werden. Dennoch mussten wir uns natürlich wieder neu organisieren und neue Strategien überlegen, um bald zu einem Betrieb mit Zuschauern zurückzukommen. Und es wurde uns klar, wir müssen noch mehr Aufklärungsarbeit leisten, weil die Ergebnisse der Restart-Studie mehr hergaben.
Heißt das, in bestimmten Phasen hätten Sie sich mehr Spielraum erhofft?
Ja, denn in der Restart-Studie wurde klar, dass größere Veranstaltungen mit strengen Konzepten möglich gewesen wären, und zwar auch bei Inzidenzen bis 100. Es hat nur niemanden interessiert, weil die Zahl von 50 als entscheidend gesehen wurde. Es wäre schön gewesen, wenn der Dialog auch in der Hochzeit der Pandemie so ausgeprägt geblieben wäre wie vorher. Ich möchte aber auch niemandem zu nahetreten, weil die Situation für alle eine riesige Herausforderung war. Unterm Strich haben wir schon große Unterstützung aus der Politik erfahren.
Wie wichtig war denn die Initiative „TeamSportSachsen“ dabei?
Das war eine extrem richtige und wichtige Entscheidung. Ich glaube, keiner der 20 Vereine hat das bereut, auch wenn es ein großer Vertrauensvorschuss der anderen war, dass wir Sprecher wirklich im Sinne aller agieren. Es hat auch tollen Austausch gebracht, sei es beim Beantragen von Hilfen, der Erstellung von Hygienekonzepten, Bestellungen von Schnelltests und letztlich gemeinsamen Marketingmöglichkeiten bei „So geht sächsisch“ und Sachsenlotto. Letzteres hätten wir als Einzelvereine mit unserer begrenzten Reichweite nicht geschafft und wahrscheinlich auch in der Politik weniger Gehör gefunden.
Seit dem Spiel gegen Kiel am 27. Mai sind wieder Zuschauer in der Arena zugelassen. Haben die Kontakte durch TeamSportSachsen auch dazu beigetragen?
Das hatte kaum Einfluss. Es war für uns günstig, dass gerade bei diesem Kracher die Infektionszahlen hinreichend niedrig waren und Tests ausreichend verfügbar waren.
Dennoch bleibt es bei acht von 19 Heimspielen, die mit Publikum liefen. Wie ist es gelungen, das wirtschaftlich zu kompensieren?
Es ist kein Geheimnis: In einer normalen Saison generieren wir rund 150.000 Euro durch den Verkauf von Dauerkarten, dazu kommen circa 600.000 Euro aus den Verkäufen für Tagestickets. Für die ablaufende Saison blieben uns davon nicht einmal 10 Prozent. Es ist für uns die nächsten Jahre interessant, ob wir die erhaltenen Darlehen teilweise sogar als echte Unterstützung bekommen. Das hängt aber auch von den Beschlüssen zum sächsischen Haushalt ab, ein Wille dazu ist uns signalisiert.
Im September geht es wieder los mit der kommenden Saison, wie viel Planungssicherheit gibt es?
Bei derzeit guter Tendenz ist das insgesamt diffus. Es wird auf jeden Fall weiter wichtig, sich an Hygienekonzepte zu halten, damit nicht doch die Delta-Variante eine Bedrohung wird. Ansonsten bin ich bei aller gebotenen Vorsicht dafür, dass bei dauerhaftem Erfolg der Impfkampagne COVID-19 wieder als normales Lebensrisiko betrachtet wird. Dagegen kann man sich mit einer Impfung schützen. Wer das nicht möchte, lebt mit einem höheren Risiko. Aber wirkliche Planungssicherheit haben wir nicht. Wie hoch auch die Bereitschaft sein wird, wieder Sport live zu sehen, werden wir sehen.
Hat das Einfluss auf die Kaderplanung gehabt?
Nein, nicht wirklich. Sponsoren sind uns über ein Jahr treu geblieben, ohne alle Gegenleistungen bekommen zu können. Das wäre nicht fair gewesen, zu zurückhaltend zu planen. Wir haben die fünf Millionen diese Saison absichern können, für kommendes Jahr möchten wir unsere Potenziale wieder ausreizen und mit sechs Millionen Euro planen. Wir haben also gut gewirtschaftet und eingespart und sehen einer hoffentlich weitgehend normalen Saison entgegen.
Dafür viel Erfolg und danke für das Gespräch.
„SC DHfK-Manager Karsten Günther im Interview: Von schlaflosen Nächten und Zuversicht“ erschien erstmals am 25. Juni 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Unsere Nummer 92 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher