Die Doppelbelastung in der EHF Champions League und der Bundesliga scheint dem Rekordmeister zu gefallen. Jedenfalls strengten sich die Norddeutschen an, zwei Punkte aus Leipzig zu entführen, um möglichst auch in der nächsten Saison in der Königsklasse mitzumischen. Eine in dieser Güte in Deutschland seltene 3-3-Verteidigung machte den Hausherren das Leben schwer, die ohne Andreas Rojewski und mit weiteren angeschlagenen Spielern in die Partie gingen. Dennoch kam die 16:28-Niederlage auch zustande, weil die fitten Leipziger nicht zu ihrer Form fanden.
Dabei langten auch die Leipziger zunächst in der Deckung ordentlich zu und zwangen in den ersten Minuten die Kieler, ihre Angriffe bis zur Ermahnung wegen Zeitspiels auszudehnen. „In der Abwehr waren wir gar nicht so offen, wie das Ergebnis klingt“, so Max Janke nach der Partie, „wir haben einfach schlecht angegriffen und es Kiel so sehr einfach gemacht.“ Wegen der ungewöhnlich aggressiven Taktik der Gäste nahm Michael Biegler schon früh eine Auszeit (6.). Mit den taktischen Hinweisen konnte seine Mannschaft das Spiel bis zum 4:5 offen halten.
Ein wenig der zuletzt auch von den Trainern bemängelten Nervosität stellte sich allerdings nach einer Viertelstunde bei den Hausherren wieder ein. Unüberlegte Abschlüsse und Fehlpässe stärkten die eh schon in Führung liegenden Gäste, die zudem im Tempogegenstoß erfolgreicher waren. Der absolute Wille zum Sieg drückte sich auch in Alfred Gislasons einziger Auszeit aus, die er 20 Sekunden vor der Pausensirene nahm, um den letzten Angriff mit seinen Spielern durchzuplanen. Dieser endete jedoch in einem ergebnislosen Freiwurf, der Spielstand war mit 8:14 auch so deutlich.
Als bei 9:18 die Textzeile „hier gibt’s heut’ nichts zu holen…“ aus den Lautsprechern klang, wirkte dies nach einem ebenfalls schwachen Start in Hälfte zwei unfreiwillig komisch. „Wir haben uns in der Halbzeit vorgenommen, die vielen Fehler abzustellen, das aber nicht umgesetzt“, gestand Peter Strosack ein. Die Fehlpass-Seuche griff weiter um sich und Kiel nahm jedes Geschenk an. Effektiv münzten die Holsteiner Ballgewinne in Treffer um.
Die 5.283 Zuschauer ließen sich bemerkenswerterweise nicht komplett entmutigen, auch wenn ihre Spieler der körperlichen Überlegenheit nicht viel entgegensetzen konnten. Dies lag nicht allein an den Verletzungen, es erreichte auch kein einziger Leipziger Spieler sein Leistungsvermögen. Dabei hatten sie ein gutes Jahr zuvor noch einen deutlichen Heimsieg gefeiert, bei dem die Mannschaft viel souveräner aufgetreten war.
Ein Tag zum Abhaken, da jede weitere Beschäftigung mit dieser Demütigung eher das Selbstbewusstsein schädigen, als helfen kann. Der in der kommenden Saison von Kiel nach Leipzig wechselnde Raul Santos erklärte noch die Gründe seines Wechsels: „Ich kenne Leipzig und schätze die Fans. Ausschlaggebend für den Wechsel war eine tolle Perspektive für mich.“ Die Kieler Verantwortlichen lassen ihn ziehen, da er erst kürzlich eine längere Verletzung auskurierte. “Seitdem er wieder gesund ist, macht er tolle Spiele für uns. Ein anderer Linksaußen ist allerdings schon verpflichtet”, so Alfred Gislason.
Den Leipziger Trainern blieb in der Pressekonferenz nur, ihre Kollegen zum Sieg zu beglückwünschen. „Wir können in keinster Weise mit unserer Performance zufrieden sein.“ Zum Transfer von Raul Santos sagte Michael Biegler, er habe den Verantwortlichen gratuliert, denn es komme ein technisch sehr versierter Spieler mit hoher Geschwindigkeit und internationaler Erfahrung in Länderspielen und der Champions League. Neben diesem Lichtblick am Donnerstagabend fand André Haber noch Trost im Umstand, dass gegen Wetzlar am Pfingstsonntag noch die Gelegenheit besteht, das letzte Heimspiel der Saison zu gewinnen.
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