Das letzte Heimspiel der Saison begann am Sonntag temporeich oder wie Gäste-Trainer Frank Bergemann nach dem Spiel sagte: „In der ersten Hälfte haben beide Mannschaften ohne Deckung gespielt.“ Diesen Eindruck konnte man bei 35 Treffern bis zur Pause tatsächlich gewinnen. Mit einem 36:31 übertrafen die Männer bis Spielschluss dabei die eigene A-Jugend mit einem Treffer. Der Nachwuchs hatte vor über 1.200 Zuschauern die A-Jugend des SC Magdeburg im Hinspiel des Meisterschaftsfinals mit 35:31 besiegt.
Möglicherweise verlieh der Erfolg der Jugend auch den Männern von Christian Prokop zusätzliche Kräfte. Sie legten nach einer kurzen Verabschiedung der Abgänge jedenfalls gewaltig los. Sergej Zhedik bestätigte seine etwas zu spät ansteigende Form mit guten Anspielen, Philipp Weber trug mit erfolgreichen Siebenmetern seinen Teil bei. Auch Benjamin Herth, Zugang in der Winterpause, konnte sich früh in die Torschützenliste eintragen.
Wieder einmal war Jens Vortmann ein Garant der deutlichen Halbzeitführung. Er parierte einige freie Bälle, woraus sich teilweise Gegenstöße ergaben. Bei diesen tat sich Peter Strosack mit Torerfolgen hervor. Das Publikum zeigte sich gleich von Beginn an euphorisch und sorgte für eine tolle Stimmung in der mit 4.048 Menschen gut besetzten Arena. Angepeitscht durch den Rückhalt zogen die Leipziger bis zur Halbzeit schon mit 21:13 davon.
Kurios war eine Phase in der zweiten Hälfte, in der die Gäste aus Balingen-Weilstetten Zeitstrafen sammelten wie sonst Knirpse die Frühlingsblumen vor dem Muttertag. Für fünf Sekunden standen gar nur noch zwei Feldspieler auf der Platte, so dass Torwart Peter Johannesen dringend als dritte Anspielstation mit vorrücken musste. „Ich muss meiner Mannschaft aber dafür Respekt zollen, dass sie auch in dreifacher Unterzahl sich noch gegen die Niederlage gestemmt hat“, so Bergemann. Tatsächlich gelangen auch in dieser kritischen Situation noch Tore, und die Leipziger spielten einige nervöse Fehlpässe.
Plötzlich war der Vorsprung trotz kontinuierlicher zahlenmäßiger Überlegenheit auf nur noch vier Tore geschrumpft. Die Hausherren bewiesen ab der 45. Minute allerdings wieder die Qualität, die zu der guten Platzierung und dem frühzeitigen Klassenerhalt geführt hatte. Auch eigene Schwächephasen zu überwinden und mit Team- und Kampfgeist die Partien für sich zu entscheiden. Oder wie es Benjamin Meschke formulierte: „Wir konnten in jeder Phase noch einen Gang hochschalten. Der Sieg war eine Leistung des Willens und der Moral. Das letzte Heimspiel zu gewinnen, lässt uns mit einem guten Gefühl in die Sommerpause gehen.“ Vor der freilich noch die Begegnung in Wetzlar am kommenden Wochenende steht.
Auch Felix Storbeck durfte ab der 40. Minute noch einmal zeigen, was die Leipziger an ihm hatten. Er fischte noch einige Bälle weg, begleitet von dankbaren „Felix, Felix“-Sprechchören. „Die habe ich noch einmal gebraucht und genossen,“ verriet er nach Spielende. Selbst seine einzige Zeitstrafe in der Leipziger Zeit lastete das Publikum Gegenspieler Olivier Nyokas an.
Grund war ein versehentlicher Gesichtstreffer, nach dem sich der Torwart etwas zu sehr aufregte und auf den Franzosen zustürmte. Die Strafe ging somit in Ordnung, die Pfiffe gegen Nyokas in der Folge eigentlich nicht. Das erklärte nach Spielende auch Storbeck selbst: „Wir haben kurz darüber gesprochen, er ist auch beim Wurf behindert worden. Ins Gesicht werfen wollte er mir nicht, aber wegen der Verletzungsgefahr war ich schon kurz sehr aufgebracht. Es ist zwischen uns alles geklärt.“
Saisonabschlussfeier und Ehren für Christian Prokop
Somit stand auch diese kurze Auseinandersetzung der Saisonabschlussfeier nicht mehr im Weg. Nun durften die Abgänge noch einmal das Wort an die Fans richten, lediglich Sergej Zhedik verzichtete auf das Mikrofon. Philipp Pöter dankte dem Rest der Mannschaft sehr: „Als ich mit der schweren Verletzung eine Woche im Krankenhaus lag, kamen die Jungs teilweise doppelt und dreifach vorbei und der Besuch hat sich die Klinke in die Hand gegeben. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt den Wahnsinns-Charakter dieser tollen Truppe.“
Philipp Weber sprach noch eine andere Seite an: „Ich habe noch keine Mannschaft erlebt, die so nach Niederlagen zusammen stand und sich wieder aufgerichtet hat. Außerdem können die Jungs unglaublich viel trinken, was das angeht, muss der Trainer noch nachziehen.“ Auch Webers Nichten richteten noch einmal das Wort an ihren Onkel: „Wir sind stolz, auf das, was du erreicht hast und möchten es dir ein bisschen leichter machen, das erste Mal so wirklich die Heimat zu verlassen.“ Die Trennung etwas mildern soll ein großer Teddybär.
Einen schönen Einfall hatte auch Benjamin Meschke als WG-Mitbewohner von Felix Storbeck: „Wir hatten ein paar großartige Jahre, haben viel geredet und nach Siegen viel gefeiert.“ Mit einem Grinsen Richtung Christian Prokop fügte er hinzu: „Natürlich nur, wenn am nächsten Tag trainingsfrei war.“ Gemeinsam mit Storbecks Freundin Helena Hertlein überreichte er eine Fotocollage, die auch Meschke zeigte. „Damit wir uns nicht aus den Augen verlieren.“ Ein paar Tränen verrieten die Gerührtheit und anders als eine für das Fernsehen inszenierte Feier wirkten alle diese Gesten echt und zutiefst sympathisch.
Es folgten noch zwei Ehrungen für Christian Prokop. Einerseits durch das Personal der Geschäftsstelle. Sie überreichten eine College-Jacke mit dem Aufdruck „CCCP“ für „Chef-Coach Christian Prokop“. Jahrelang war unter diesem kyrillischen Kürzel die UdSSR international aufgetreten. Noch weitaus bedeutender war die Ehrung zum „Trainer des Jahres“, zu dem ihn die Kollegen und Manager der Erstligisten wählten. Die Mannschaft gratulierte mit Jubel und einer Bierdusche. Prokop selbst blieb bescheiden: „Wenn man Trainer des Jahres wird, heißt das auch, dass man eine tolle Mannschaft trainiert hat. Die Jungs haben super die Vorgaben umgesetzt, daher ist das ein gemeinsamer Erfolg.“
Geschäftsführer Karsten Günther dankte noch einmal allen Mitwirkenden und ehrenamtlichen Helfern für die grandiose Saison, richtete aber auch eine Bitte an alle Feiernden: „Lasst uns bitte auf dem Teppich bleiben, der Erfolg ist das Ergebnis einer 110 Prozent Leistung, die so nicht zu erwarten war. Wenn wir weiter in gesunden kleinen Schritten denken, begrenzt die Entwicklung dieses Vereins wahrscheinlich nur das Hallendach. Auch im nächsten Jahr müssen wir uns den Klassenerhalt erstmal erarbeiten.“
Die Statistik zum Spiel:
www.dkb-handball-bundesliga.de/de/s/spiele/2015-2016…sc-dhfk-leipzig-vs-hbw-balingen-weilstetten/
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