Fußball-EM 2024: Wo der Spielort Leipzig ein Jahr vor Turnierbeginn steht

Ein knappes Jahr ist es noch hin, dann startet am 14. Juni 2024 in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft. Einer der insgesamt zehn Austragungsorte ist Leipzig. Drei Vorrundenspiele und ein Achtelfinale werden hier im „Leipzig Stadium“ stattfinden.

Mit Einsetzen des „Jahres-Countdowns“ haben nun die Vorbereitungen in der Stadt spürbar Fahrt aufgenommen. Im Rahmen des 222. Tourismusfrühstücks informierten daher einige Orga-Protagonisten über den aktuellen Stand der Dinge.

Rund 100 Interessierte waren am 28. Juni zum Tourismusfrühstück (eingetragenes Warenzeichen!) in die Moritzbastei gekommen, um Antworten auf die Frage „Anstoß EURO 2024 – Wo steht der Spielort Leipzig ein Jahr vor der Fußball-EM?“ zu erlauschen – oder vielleicht auch, um ein kostenloses Fettbemmchen zu ergattern.

Zu der von Helge-Heinz Heinker moderierten Podiumsdiskussion hatten sich Perry Bräutigam, Prof. Dr. Jörg Junhold, Hermann Winkler, Stefan Schedler und Katharina Baum eingefunden. Der frühere Fußball-Torwart Bräutigam repräsentierte RB Leipzig, in dessen Stadion die hiesigen EM-Partien ausgetragen werden.

ZOO-Direktor Junhold war als EM-Botschafter für das Thema Nachhaltigkeit dabei. Winkler vertrat mit seinen zahlreichen Ämtern, als Präsident des Sächsischen Fußballverbandes (SFV) und des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) sowie DFB-Vizepräsident, die regionale Fußball-Landschaft.

Schedler ist bei der Stadt Leipzig als Gesamtprojektleiter für die EM eingesetzt und Baum komplettierte das Podium als Prokuristin der Olympia-Sport Leipzig GmbH.

Projektteam strickt „wertiges Programm“

Das kommunale EM-Projektteam besteht im Kern aus zehn Personen. „Wir kümmern uns um die Bereiche Sicherheit/Ordnung, Mobilität, Nachhaltigkeit, Events/Rahmenprogramm, kommerzielle Themen, Rechteschutz, Volunteers und Fanzone.

Also alles Belange, die mit dem Stadion nichts zu tun haben, denn das liegt im Verantwortungsbereich der UEFA“, erklärt Projektleiter Schedler. Pünktlich zum Juni-Ausklang hat sein Team beim europäischen Fußballverband UEFA den zweiten Entwurf des Leipziger „Host City Konzeptes“ eingereicht.

Über die gesamte 30-tägige Dauer des Turniers soll „ein wertiges Programm aus Kultur, Sport und Nachhaltigkeit“ geboten werden – mit kostenlosem Zugang für alle. Als zentraler Ort des Geschehens ist der komplette Augustplatz eingeplant und verbindlich reserviert.

Hier wird es eine große und zwei kleinere Bühnen mit Video- und Leinwandtechnik geben, sodass selbst die parallel stattfindenden EM-Spiele gleichzeitig im Public Viewing zu sehen sind. Rundherum wird zudem ein Rahmenprogramm geboten, unter anderem mit zahlreichen Mitmachaktionen. So ist ein Fußballfeld vorgesehen, inklusive mehrerer Turniere im Bereich Kinder- und Jugendsport.

Die Planungen für das Rahmenprogramm sind allerdings noch in vollem Gange. Ende September reicht Leipzig hierfür seinen ersten Konzeptaufschlag bei der UEFA ein.

„Jeder wird seine Freude daran haben, egal ob Fußballfan oder nicht“, verspricht Schedler, der die gesamtdeutsche Europameisterschaft als Jahrhundert-Event bezeichnet. „Wir wissen nicht, wann wir so ein Event nochmal wieder bekommen, deswegen wird der Augustusplatz repräsentativ erstrahlen.“

Nur wenige Meter weiter, im Schwanenteich-Park hinter der Oper, wird das „Stadion der Träume“ entstehen – ein Konzept, das alle zehn Ausrichterstädte individuell umzusetzen haben.

Wie OSL-Prokuristin Katharina Baum verriet, war seitens der Orga-Crew dafür eigentlich der Clara-Zetkin-Park präferiert, doch auf Wunsch des Oberbürgermeisters wurde die Location nun in die City verlegt, um damit das Schwanenteich-Areal zu neuem Leben erwecken zu können.

Entstehen wird eine „Zeltarchitektur in Form eines Balles, mit einem Außengelände, das zum Mitmachen einladen, aber auch die bunte Vielfalt der Stadt im Kleinen zeigen soll“, so Baum. Dabei steht vor allem „das Kleine, Individuelle“ im Mittelpunkt. Neben Kultur und Unterhaltung soll hier auch Nachhaltigkeit erlebbar gemacht werden, beispielsweise mittels Erneuerbarer Energien selbst Strom zu erzeugen.

Nachhaltigkeit und „Waldmeisterschaft“

Als EM-Botschafter für Nachhaltigkeit steht diese Thematik auch für Jörg Junhold ganz vorne an. „Unser Bewusstsein hat sich gewandelt und es muss sich noch mehr wandeln“, so der ZOO-Direktor. „Wir alle, jede Person, gehen durch eine Entwicklung, wo wir an unser Verhalten denken müssen. Wir können nicht mehr mehr verbrauchen, als unser Planet hergibt und das muss sich auch in solchen Großereignissen widerspiegeln.“

Deshalb werde beispielsweise im Bereich der kulinarischen Versorgung genau hingeschaut, auf Lieferketten, regionale Produkte und Zertifizierungen geachtet und natürlich auf Einweggeschirr verzichtet.

Zudem wies Junhold auf ein weiteres EM-Nachhaltigkeitsprojekt hin, die sogenannte Waldmeisterschaft. „Für jedes Spiel, das hier stattfindet, wollen wir einen Wald pflanzen“, erklärt er das Prinzip. Ein solcher Wald soll aus jeweils 2.024 Bäumen bestehen. Der erste von insgesamt vier avisierten Wäldern ist bereits jetzt schon in die Erde gebracht.

Zudem treffen täglich Geldspenden zur Umsetzung dieser Idee ein. Mit Blick auf den schlechten Zustand vieler deutscher Wälder, denen rund acht Millionen Bäume fehlen, möchte Leipzig mit seiner Idee auch die anderen neun Host Cities sowie den Deutschen Fußball-Bund (DFB) anstecken.

„Wenn jeder der 2,5 Millionen Zuschauer dieser EM für einen Baum stehen würde, hätten wir den Großteil unseres Waldproblems schon gelöst“, rechnet Junhold vor. „Es wäre ein Zeichen, das wir als Deutschland weltweit senden könnten.“

Schon über 1.500 Volunteer-Bewerbungen

Ohne freiwillige Helfer wird sich ein solches Großereignis wie die Fußball-Europameisterschaft aber nicht umsetzen lassen. Daher startete Anfang Juni auch die Anmeldung zum Volunteer-Programm. Die überwältigende Resonanz hat sogar die Organisatoren aus den Socken gehauen.

„Nach nur zwei Wochen haben wir in Leipzig schon rund 1.500 Angemeldete – und über 30.000 deutschlandweit!“, freut sich Schedler. „Damit haben wir, über alle Städte verteilt, schon mehr Bewerber gewonnen, als es zur EM in Frankreich nach sechs Monaten gewesen waren!“

Für Leipzig ist der auf 1.600 Menschen kalkulierte Bedarf an Volunteers damit bereits fast gedeckt. Bewerbungen sind aber dennoch bis etwa August, September möglich. Interessierte müssen zur EM mindestens 18 Jahre alt sein und wenigstens sechs Einsatztage ermöglichen können, nämlich die vier Leipzig-Spieltage und zusätzlich zwei Schulungstage.

Schedler und sein Team wünschen sich Volunteers quer durch die Gesellschaft – egal ob jung oder schon älter und gern auch Menschen mit Behinderung. Mit allen wird es nach Ende der Bewerbungsphase Einzelgespräche geben, um den optimalen Einsatzbereich ermitteln zu können, und im Januar 2024 starten dann auch schon die Schulungen.

Winkler blickt auf Wirtschaft und irritiert mit „Kessel-Aussage“

SFV-Präsident Hermann Winkler lenkte den Fokus von Sport und Unterhaltung auf die wirtschaftlichen Effekte eines solchen Turniers. „Fußball ist eben mehr als ein 1:1 oder die schönste Nebensache der Welt – Fußballsport ist auch ein besonderer Wirtschaftsfaktor“, so der einstige Staatsminister.

Als Beleg führte er ein paar Zahlen an, die nach den letzten Europameisterschaften ermittelt worden waren. So habe zum Beispiel bei der EM 2016 in Frankreich jeder Stadionbesucher im Schnitt 150–160 Euro in der jeweiligen Stadt gelassen. Zudem durften sich diese Städte über rund 10.000 zusätzliche Übernachtungen pro Spiel freuen.

„Es generiert also ein bestimmtes Wirtschaftswachstum, eine Kaufkraft und es entstehen Arbeitsplätze. Nach der WM 2006 waren in Deutschland zumindest für ein Jahr 38.000 Arbeitsplätze entstanden, gerade in den Bereichen Service, Gastronomie, Touristik“, so Winkler.

Beim Thema Sicherheit irritierte der Ex-CDU Landtagsabgeordnete allerdings auch mit einer streitbaren Aussage zum kürzlichen Polizei-Kessel in Connewitz: „Sicherheit ist ein Riesenthema. Wir wollen friedliche Fußballspiele erleben, damit kann man am besten werben. Es gibt hin und wieder Schlagzeilen aus Leipzig, die nicht so toll sind, und das wird natürlich international wahrgenommen.

Insofern bin ich der Polizei sehr dankbar, was sie gerade in den letzten Wochen gezeigt hat – weil wir auch bei großen international organisierten und beachteten Auftritten von Radikalen im Großen und Ganzen Ruhe hatten und die Taktik aus meiner Sicht in Ordnung war.

Der Kessel war eigentlich viel zu kurz, der hätte noch viel länger bleiben müssen. Wer sich in diese Nähe begibt oder wer seine Kinder dorthin schickt, der muss auch mit den Konsequenzen rechnen!“, sprach der 60-Jährige vom Podium und erhielt dafür aus dem Publikum nicht wenig Applaus.

Insgesamt 14 Millionen Euro investiert die Stadt Leipzig unterm Strich in das Projekt Fußball-EM.  „Ich bin überzeugt, dass dieses Geld wieder in die Stadt zurückfließen wird“, verspricht Org-Chef Stefan Schedler.

Der weitere Termin-Fahrplan:

3. Oktober 2023: Start der Ticket-Bewerbungsphase
2. Dezember 2023: Auslosung der EM-Gruppen in Hamburg
März/April 2024: Play-offs & Ticketverkauf
14. Juni 2024: Eröffnungsspiel in München
14. Juli 2024: Finale in Berlin

Diese vier Begegnungen wird es in Leipzig zu sehen geben:
18. Juni 2024: F3 vs. F4 (Vorrunde, Gruppe F)
21. Juni 2024: D2 vs. D4 (Vorrunde, Gruppe D)
24. Juni 2024: B2 vs. B3 (Vorrunde, Gruppe B)
02. Juli 2024: 1. Gruppe D vs. 2. Gruppe F (Achtelfinale)

„Fußball-EM 2024: Wo der Spielort Leipzig ein Jahr vor Turnierbeginn steht“ erschien erstmals im am 31. Mai 2023 fertiggestellten ePaper LZ 114 der LEIPZIGER ZEITUNG.

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