Ungewöhnliche Szenen am vergangenen Samstag (12. November) im Stadion der Freundschaft: Weil sie mit der Leistung des Schiedsrichters unzufrieden waren, haben die Spieler und das Trainerteam des Landesligisten FC Blau-Weiß Leipzig ihr Punktspiel nicht fortgesetzt. Schiedsrichter Stefan Gärtner brach die Partie gegen den SV Einheit Kamenz daraufhin in der 73. Minute ab. Nun droht dem Verursacher eine enorme Strafe.
Noch am Montag war der Sportvorstand des FC Blau-Weiß Leipzig, Mario Liebermann, sichtlich erregt, als er über die Ereignisse vom Samstagnachmittag sprach. „Die Schiedsrichterleistung war mehr als bedenklich“, beginnt Liebermann seine Erzählung. Alles begann damit, dass in der 9. Minute Blau-Weiß-Torwart Max Riesenberg nach einem schweren Kopftreffer mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden musste.
„Der hat nun einen Schädelbruch und es gab für die Aktion nicht mal die Gelbe Karte“, so Liebermann. In einem Zweikampf soll ein Gästespieler beim Stand von 0:1 ohne Rücksicht auf Riesenberg mit dem Bein durchgezogen haben.
Diese Szene beeinflusste das Spiel in der Folge offenbar nicht nur sportlich, weil mit Hendrik Noseck ein Feldspieler als Torwart eingewechselt werden musste, sondern auch emotional. „Die katastrophale Schiedsrichterleistung hat sich dann fortgesetzt“, so Liebermann. In der 70. Minute kam es schließlich zum Eklat.
Innenverteidiger Tom Hanekopf soll sinngemäß „Was du hier pfeifst, ist ein Witz“ zum Schiedsrichter Stefan Gärtner aus Dresden gesagt haben, der daraufhin Hanekopf die Rote Karte zeigte. „Damit hatte Hanekopf recht“, so Liebermann, „aber das ist doch keine Rote Karte.“
Laut dem Liveticker des Heimvereins, der öffentlich auf fussball.de einsehbar ist, soll Gärtner den Überblick verloren und Karten ohne Gründe verteilt haben.
Zusatzbericht des Schiedsrichters
Die folgenden Ereignisse führten letztlich zum Spielabbruch, die beteiligten Parteien nahmen diese allerdings unterschiedlich wahr. Während Liebermann, der nicht direkt am Spielfeldrand stand, „viele Diskussionen wahrgenommen hat“, nach denen „die Mannschaft vom Feld ist und der Schiri das Spiel abgebrochen hat“, lesen sich die Ereignisse im Zusatzbericht des Schiedsrichters anders.
„In der 70. Spielminute lag der Ball für einen direkten Freistoß für Kamenz im Mittelfeld zum Spielen bereit. Der SRA 1 (Schiedsrichter-Assistent 1 / Anm. des Autors) signalisierte mir per Fahnenzeichen, dass ich zu ihm kommen sollte. Auf dem Weg zu ihm rief mir Spieler Tom Hanekopf: „Ihr seid so lächerlich“ zu. Daraufhin sprach ich dem Spieler Tom Hanekopf einen Feldverweis auf Dauer aus. Der Spieler weigerte sich, das Spielfeld zu verlassen und war damit der Auslöser für die folgenden Geschehnisse.“
Der Schiedsrichter-Assistent 1, der also stets zwischen beiden Auswechselbänken steht, informierte Hauptschiedsrichter Gärtner „über das Verhalten der Heimbank und im Besonderen des Trainers und Co-Trainers von Leipzig Olaf Kaplick und Sven Hawranke. Diese hatten ab der 9. Spielminute zusammen mit der Bank auf den SRA 1 eingewirkt.“ In dieser ominösen Minute war es zur schweren Verletzung von Torwart Max Riesenberg gekommen.
Im Zusatzbericht heißt es weiter: „Die gesamte Bank von Blau-Weiß Leipzig versuchte, den Schiedsrichterassistenten mit Kommentaren, abfälligen Bemerkungen zu verunsichern“, so Gärtner, der deutlich kritisierte:
„Hier fehlte es an einem Verantwortlichen aus dem eigenen Kreis, um die Teammitglieder zu einem sportlich fairen Verhalten zu ermahnen.“ Auch Ansprachen während des Spiels und in der Halbzeitpause seitens der Schiris sollen nicht gefruchtet haben. Nachdem Gärtner in der 70. an der Auswechselbank von Blau-Weiß angekommen war, sprach er „den Teamoffiziellen Kaplick und Hawranke eine Verwarnung aus.“
Gärtner und Kaplick kennen sich seit Jahren. Während Kaplick, der selbst beim Sächsischen Fußballverband angestellt ist, Landesauswahltrainer ist und die Trainer-Ausbildung in Sachsen leitet, führt Gärtner im Rahmen dieser Trainer-Ausbildung regelmäßig Schiedsrichter-Schulungen durch.
Außerdem leitete Gärtner schon mehrmals Spiele des FC Blau-Weiß Leipzig mit Kaplick an der Seitenlinie. „Olaf Kaplick äußerte sich lautstark über die Unfähigkeiten des SR-Kollektives und sah dadurch die Gelb-Rote Karte. Seine Reaktion war eine Beleidigung: ‚Ihr seid Pfeifen‘ und die Aufforderung an sein Team, das Spielfeld zu verlassen.“
Daraufhin verließ laut Schiedsrichter die gesamte Mannschaft des FC Blau-Weiß den Rasen und begab sich vor die eigene Auswechselbank. Gärtner will danach die Spieler aufgefordert haben, den Rasen wieder zu betreten, auch die Teamoffiziellen will er angesprochen haben. „Die Spieler blieben weiter in der Coachingzone und auch der Trainer forderte die Spieler nicht auf, das Spiel fortzusetzen.
Ich setzte eine Frist von 1 Minute und wies auf die ernsten Konsequenzen eines selbst verursachten Spielabbruchs hin. Die Frist lief ab ohne Ergebnis und ich begab mich nochmal zum Kapitän Till Stephan und versuchte ihn und seine Mannschaft zum Weiterspielen zu animieren.
Es wurde erklärt, man ist bereit, die Folgen zu tragen und die Mannschaft wird das Spiel nicht wieder aufnehmen. Durch die Weigerung der gesamten Mannschaft von Blau-Weiß Leipzig weiterzuspielen, musste ich das Spiel in der 73. Spielminute abbrechen.“
So endet der erste Teil des Zusatzberichtes. Im weiteren Verlauf des Berichts kritisiert Gärtner den fehlenden Ordnungsdienst, der nicht verhinderte, dass sich dem Schiedsrichterkollektiv Zuschauer in den Weg stellten und auch ein Zuschauer bis in die Schiedsrichterkabine nachkam und „Erklärungen“ einforderte.
Mario Liebermann, der erst seit ein paar Wochen Sportvorstand des FC Blau-Weiß Leipzig ist, war am Montag beschäftigt, interne Stellungnahmen einzuholen und „Aufklärungsarbeit zu leisten“.
Dem Verein droht eine drastische Strafe, denn in der Spielordnung des Verbands heißt es in Paragraf 61, Absatz 1: „Eine Mannschaft ist nicht zum Spielabbruch berechtigt.“ Alexander Rabe vom SFV teilte mit: „Das abgebrochene Spiel wird nun von unserem Sportgericht beurteilt.“
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