Das darf doch nicht wahr sein! Da holen unsere Leipziger Jungs den grรถรŸten sportlichen Erfolg seit der Erfindung des Balles in die Stadt, und diese SpaรŸbremsen bei der LZ haben trotzdem wieder etwas zu meckern. Aus purem Neid und weil sie die Region nicht mรถgen โ€“ oder so โ€ฆ

Tatsรคchlich war es nur eine Frage der Zeit, wann Rasenballsport Leipzig (RBL) seinen ersten groรŸen Titel gewinnen wรผrde. Nun also sind sie DFB-Pokalsieger, 13 Jahre hat es gedauert. Diese sportliche Leistung hat fraglos Respekt verdient. Interessiert man sich aber auch dafรผr, auf welcher Basis diese vermeintlich ostdeutsche Erfolgsgeschichte fuรŸt, kรถnnte sich die Frage stellen, was es daran รผberhaupt zu feiern gibt. Und abseits der von etwa 15.000 Leipziger/-innen besuchten Jubel-Feier am 22. Mai 2022, schien die Freude รผber den RBL-Pokal-Sieg im Lande auch eher sparsam auszufallen.

โ€žWoher kommt die Ablehnung?โ€œ, fragte sich am Pokalwochenende die, hรถflich ausgedrรผckt, als nicht besonders RBL-kritisch bekannte LVZ in einem ganzseitigen Artikel. Als โ€žGrund fรผr den Hassโ€œ wurde dabei vermutet, โ€ždass RB seine Fans im sogenannten Mitteldeutschland hatโ€œ, einer Region, der man den plรถtzlichen Erfolg wohl nicht gรถnnt, die sich aber โ€žbestens mit Hรคme auskennt und mit dem Gefรผhl, nicht richtig dazuzugehรถrenโ€œ.

Vielleicht ja, um den ganzen neidischen Wessis richtig eins auszuwischen und zu zeigen, wie hierzulande Zusammenhalt funktioniert, haben die Rasenballer ihre Vereinshymne mit โ€žUnser Stolz des Ostens heiรŸt RBโ€œ tituliert. Und jedes Mal, wenn diese inbrรผnstig geschmettert wird, schmilzt irgendwo in Dresden, Berlin, Magdeburg oder Rostock vor Rรผhrung eine SchlagersรผรŸtafel im Konsum-Regal.

Aber vielleicht hat die Skepsis gegenรผber der ganzen Rasenballerei auch vรถllig andere Grรผnde. Zum Beispiel das rรผcksichtslose Vorgehen beim Installieren der RB-Projekte als Marketinginstrumente, wie es bereits 2005 in Salzburg zu sehen war. Dort hatte Red Bull die Spielbetriebsgesellschaft zu 100 Prozent รผbernommen, den Verein von SV Austria in FC Red Bull umbenannt, die violett-weiรŸen Vereinsfarben durch rot-blau ausgetauscht und natรผrlich auch das Vereinswappen ersetzt.

Der Titel der 102. Ausgabe der LZ, seit 27. Mai 2022 im Handel. Foto: LZ

โ€žKeine Kompromisse. Das ist ein neuer Klub. Es gibt keine Tradition, es gibt keine Geschichte, es gibt kein Archivโ€œ, lautete die entsprechende Ansage gegenรผber den protestierenden Fans. Und: โ€žRed Bull ist kein Sponsor, sondern Eigentรผmer.โ€œ (Der Standard, 2./ 6. August 2005). Das kann man erst mal wirken lassen.

Nach der erfolgreichen Eroberung Salzburgs sollte nun auch in Deutschland eine RB-FuรŸballfiliale erรถffnet werden. Ab 2006 wurde dafรผr der richtige Standort gesucht. Und es war sofort klar: Das kann nur Leipzig sein! Also na ja, fast sofort. Erst fragte man beim FC St. Pauli an, bei 1860 Mรผnchen und bei Fortuna Dรผsseldorf. Dort fing sich Red Bull aber lauter Absagen ein โ€“ und schwups, kam endlich der โ€žStolz des Ostensโ€œ ins Spiel.

Da sich aber auch in Leipzig kein Verein auf das Unterfangen einlassen wollte, fรผhrte der Weg 2009 schlieรŸlich รผber den Vorortverein SSV Markranstรคdt. Ich erinnere mich noch gut an den offiziellen Pressetermin, auf dem das Projekt dort prรคsentiert wurde: Auf einer Wiese neben dem Stadion hatte RB eine eigene mobile Geschรคftsstelle errichtet. Neugieriges Publikum musste drauรŸen vor dem Zaun bleiben, der von Security bewacht wurde. Und die zum Fototermin dargebotenen Trikots waren die von RB Salzburg, heute gern das โ€žFarmteamโ€œ RB Leipzigs genannt. Befremdlich.

Wesentlich volksnรคher wurde das Projekt Rasenballsport auch danach nicht. Auf den ganzen demokratischen Firlefanz von wegen Mitbestimmung durch die Fans im Verein verspรผrte man bei RBL wenig Verlangen. รœberhaupt wurde der e. V. auch nur deshalb gegrรผndet, weil es unbedingt notwendig war, um am Spielbetrieb teilnehmen zu dรผrfen. Stand Mรคrz 2021 hat der RBL-Verein ganze 21 stimmberechtigte Mitglieder. Dazu kommen um die 500 nicht stimmberechtigte Fรถrdermitglieder. Auch das hatten die Lizenzauflagen verlangt.

Gesellschafter der RasenBallsport Leipzig GmbH ist โ€žnatรผrlichโ€œ dank einer Kapitaleinlage von 2,45 Millionen Euro zu 98,8 Prozent die Red Bull GmbH und zu 1,02 Prozent der Verein. Ob die 21 Vereinsmitglieder eigentlich beruflich auch irgendwas mit Red Bull zu tun haben? Frage fรผr einen Freund.

โ€žYou can do anythingโ€œ, war im Angesicht des DFB-Pokalsieges auf Hauptbahnhof und Uni-Riese projiziert worden. Klar, wenn man die demokratische Beteiligung und Mitbestimmung einfach weglรคsst, geht so einiges. โ€žWer immer noch nicht kapiert hat, dass wir eine Bereicherung fรผr FuรŸball-Deutschland sind, dem wollen wir gar nicht mehr helfenโ€œ, hatte RBL-Geschรคftsfรผhrer Oliver Mintzlaff den feiernden Fans zugerufen. Tja.

Keine Hilfe nรถtig hat indes die LVZ. Auf die Sondertitelseite am Montag nach dem Pokalsieg druckte sie in dicken Lettern: โ€žVerdient!โ€œ. Und man mรถchte zurรผckrufen: โ€žWie viel?โ€œ.

โ€žDer letzte Text zum RB-Pokalsieg: Wenn Du alles machen kannstโ€œ erschien erstmals am 27. Mai 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 102 der LZ finden Sie neben GroรŸmรคrkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehรคndlern.

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Es gibt 4 Kommentare

Als weitgehend nicht FuรŸballinteressierter muss ich klar anerkennen, dass das Phรคnomen RB Leipzig es geschafft hat einen FuรŸballsport zu etablieren, mit dem viele Leute etwas anfangen kรถnnen. Vรถllig egal, wie der Verein konstruiert ist oder was fรผr absurde Gelder flieรŸen.
Wenn RB spielt, dann gibt es keine hรคsslichen Effekte wie besoffene, tendenziell gewaltbereite und lautstarke Mรคnner, gern erhรถhten Leibesumfangs, die am Spieltag am Bahnhof und anderswo anzutreffen sind. In Dresden hielt ich mich an Dynamospieltagen immer fern von der Strecke, die sie โ€“ polizeibegleitet โ€“ vom oder zum Stadion liefen.
Und es gibt auch nicht diese Gewaltexzesse oder รคhnlich Aufsehenerregendes innerhalb der Spielstรคtte bei RB, die es bei so genannten Traditionsvereinen gibt.
โ€“
Und ganz ehrlich: Wie tief ist denn die Verbundenheit bei den ganzen โ€œnormalenโ€ Vereinen zwischen Spieler und Fans? Kennen die denn nach dem jรคhrlichen Transferkarussell noch โ€œihreโ€ Spieler? Kรถnnen sie alle Namen aussprechen und wissen etwas zur Biographie?
โ€“
Ich sehe bei vielen Kollegen oder Freunden, die RB-Fans sind auch, dass sie den FuรŸball nicht religiรถs sehen wie mancher โ€œChemikerโ€, aber die Spiele, Tabellenplรคtze usw. werden emsig verfolgt und diskutiert und vereinen Leute, die sich von โ€œTraditionsvereinenโ€, die sich auf Erfolge aus den 60er immer noch einen runterh*โ€ฆ, eher abgestoรŸen fรผhlen. Die Stimmung scheint im Stadion einfach komplett freundlicher, anders zu sein. Und das finde ich eine schรถne Sache fรผr unsere Stadt.

Danke an Herr Kaefer fรผr die Kurzfassung des โ€œPhรคnomensโ€ RB Leipzig.

Zu den zwei Kommentaren:
Entgegen der vermuteten โ€œOssi-โ€ oder โ€œMitteldeutschlandโ€- Ablehnung (naheliegender wรคre Sachsen gewesen) und auch entgegen der Deutung als Widerstandsfanal des Ostens gegen die westliche Kolonisierung dรผrfte es eventuell der Fall sein, dass der Klub RB Leipzig sogar von den Ostdeutschen โ€“ und bei 15.000 feiernden Fans in einer 600.000 Einwohnerstadt โ€“ noch mehr von den Leipzigern nicht als Ostklub und auch nicht als ihr Klub angesehen wird.

Dass es nicht IHR Klub ist, hat der Artikel ja bereits aufgedeckt: 21 Mitglieder.

Das kรถnnen sie nicht vom Tisch wischen.

Sie kรถnnen auch nicht vom Tisch wischen, dass dort mindestens 4 Klubs ein Imperium bilden mit Auswirkungen auf den sportlichen Wettkampf und auch den Wettbewerb auf dem Transfermarkt.

Diese beiden Punkte sind das Problem mit RB Leipzig und diese beiden Punkte hat dieser Verein โ€“ mehr als die anderen auch nicht beliebten Konstrukte Hoffenheim, Leverkusen oder Wolfsburg โ€“ in ein fรผr Deutschland tatsรคchlich beispielloses Grauen gezogen.

Dafรผr verdient allemal er Gegenwind oder schlicht Missachtung. Dass es in England zum Beispiel vielleicht noch schlimmere Klubs gibt, tut nichts zur Sache.

P.S.: Der ganze โ€œErfolgโ€ ist von Anfang an der Wettbewerbsverzerrung geschuldet gewesen. Man schaue die Transferausgaben schon in den unteren Ligen an im Vergleich zu allen Konkurrenten. An dem Verein ist nichts beeindruckend oder besonders โ€œprofessionelโ€. Der Verein war schlicht imerzu schรถn gepudert worden.

Herzlichen Dank, lieber Peter Franz Kรผhn. Ich bin voll bei Ihnen.
Und mehr muss ich dazu auch nicht sagen.

Ich zitiere Ben Helbig, weil man es nicht besser auf den Punkt bringen kann:

โ€œRB Leipzig ist das Monster, welches der erzkapitalistische WestfuรŸball selbst erschaffen hat.
Die OstfuรŸballkuh, die 1990, noch bevor sie zum Schafott gefรผhrt wurde, bis auf den letzten Tropfen Milch blutig ausgemelkt wurde, ist jetzt, symbolisch treffend, zum Bullen mutiert, welcher euren scheinheiligen, pseudoromantischen KapitalistenfuรŸball die nรคchsten Jahre ordentlich in den Arsch treten wird.
Es ist nicht der Kommerz, der Euch sogenannten FuรŸballromantiker die Laune vermiest.
Es ist der Spiegel, den Euch dieser Verein vor euer selbstgefรคlliges, von Traditionsgeschwurbel vollbesudeltes Gesicht, hรคlt, welches unter dieser kรผnstlich aufgesetzten Maskerade gehรถrig nach Kommerz schreit.
Aber man kann es, als aufmerksamer Betrachter des Umgangs mit ehemaligen DDR Oberliga Vereinen um 1990, durchaus nachempfinden, wie schmerzhaft es sich anfรผhlen muss, in der kapitalistischen Realitรคt anzukommen und nicht mehr die unangefochtene Spitze der FuรŸballnahrungskette zu sein.โ€

Denkt bitte darรผber nach, wenn Ihr das nรคchste Mal bei โ€œ11freundeโ€ oder โ€œFaszination Fankurveโ€ abschreibt. Das habt Ihr als Leipziger nicht nรถtig.

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