LEIPZIGER ZEITUNG/ Auszug Ausgabe 86, seit 18. Dezember 2020 im HandelRené Jacobi, Präsident der Confederation of Football (CoF): Der Vereinssport ist weit mehr als die rein körperliche Betätigung, um gesund zu bleiben. Er verbindet Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft und verschiedener Weltanschauungen.
Dass wir alle diese sozialen Ereignisse – wie Training und Wettkampf, das gemeinsame Zusammensitzen und Philosophieren über Siege, Niederlagen, gesellschaftliche Entwicklungen und unser Leben – gerade so stark vermissen, beweist umso eindeutiger: Der Stellenwert, den Vereine und ihre Mitglieder in unserem Leben haben, kann mit ein paar mittelmäßig gemachten Werbebildchen und -kampagnen nicht aufgewogen werden.
Umso dringlicher zeigt sich, dass Vereine, die als Motor des sozialen Zusammenhalts unserer Gesellschaft dienen, auch entsprechende Anerkennung und Unterstützung durch eben diese Gesellschaft benötigen. Damit Vereine ihre Arbeit machen können, benötigen diese übergeordnete Organisationen, welche sich als ihre Lobbyisten gegenüber der Gesellschaft und allen politischen Ebenen verstehen.
Was vorher bereits vielen Vereinen klar war, zeigte sich jedoch im Jahr 2020 so offensichtlich wie noch nie. Die heutigen Dach-Verbandsstrukturen, egal ob auf Kreis-, Landes oder Bundesebene sind nicht darauf ausgelegt, eine rege demokratische Mitbestimmung ihrer Mitglieder zu gewährleisten.
Sie sind vielmehr so stark mit sich selbst beschäftigt, dass sie die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder nicht gewährleisten wollen. So gründeten sich im Jahr 2020 in Sachsen und Bayern neue Organisationen, welche nun die Interessen der Vereine sicherstellen sollen. In Sachsen gründete sich diese Vereinsvertretung aus Vereinen, in Bayern aus verschiedenen Sportverbänden.
Der Wunsch für das Jahr 2021 kann also nur lauten, dass endlich eine Reform der heutigen Verbandsstrukturen beginnt. Diese muss sich grundsätzlich damit auseinandersetzen, welche Interessen die Vereine haben, wie diese Interessen dauerhaft demokratisch ermittelt und ausgehandelt werden und wie diese gegenüber der Gesellschaft und Politik geltend gemacht werden.
Heute agieren die Verbände als Konkurrenten gegenüber den Vereinen, wenn es um ehrenamtliche Mitarbeiter, Trainer sowie Fördergelder geht. Bereits dadurch entsteht ein zwingender Interessenkonflikt, welchem die heutigen Verbände und ihrer Funktionäre, teilweise sogar in multiplen Rollen, unterliegen.
Ein weiterer Wunsch kann nur lauten, das angestaubte Vereinssteuerrecht endlich in einen Rahmen zu versetzen, der zwingend unterscheidet zwischen den notwendigen steuerrechtlichen Interessen der Gesellschaft auf der einen und den ehrenamtlichen Möglichkeiten der gemeinnützigen Vereine auf der anderen Seite. Mittlerweile ist es für ehrenamtliche Mitarbeiter kaum noch möglich, das deutsche Vereinssteuerrecht zu verstehen. Auch hier sind die heutigen Verbände im Übrigen keine wirkliche Hilfe und dies trotz ihrer hauptamtlich Angestellten.
Darüber hinaus benötigt die Vereinslandschaft einen klaren Investitionsplan, um die seit Jahren vorhandenen Infrastrukturdefizite abzubauen. Die finanziellen Mittel hierfür sind grundsätzlich eingeplant, können jedoch aufgrund bürokratischer Hürden kaum abgerufen werden. 2021 darf nicht Anfang des Rotstifts für ehrenamtliches Vereinsengagement sein, auch wenn die Kommunen und der Bund durch COVID-19 finanzielle Schwierigkeiten haben. Es muss ein Neustart für den Amateursport werden.
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