LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 79, seit 29. Mai im HandelIm Jahr 2015 ist das Bruno-Plache-Stadion in Leipzig-Probstheida ein Abziehbild der 1980er Jahre. An der Westseite des Geländes stand mehr ein metallener Flickenteppich als ein Zaun, von der Tribünenwand fiel der Putz, die Mannschaften trainierten im Winter auf dem Hartplatz, in der Halle war der Bodenbelag schon fünfmal abgespielt, und laut Sächsischer Versammlungsstättenordnung war das Stadion nur noch für 4.999 Zuschauer zugelassen.
Der damalige Lok-Vizepräsident Thomas Löwe nahm uns dennoch mit auf einen Spaziergang über das Gelände, schämte sich nicht, sondern sprach von den vielen Vorhaben, die er gemeinsam mit Fördergeldern, dem Baubeirat und den Fans des Vereins umsetzen wollte. (siehe LZ Nr. 22 vom 23.10.2015)
Der 1. FC Lok Leipzig war damals ein ambitionierter Oberligist und in der Spielzeit zuvor am Aufstieg in die Regionalliga gescheitert. Zuschauer hatten obendrein beim letzten Saisonspiel in Erfurt für einen Spielabbruch gesorgt. Das Image des Klubs lag darnieder. Lok-Präsident Jens Kesseler erinnert sich: „Noch in Erfurt war mir klar: Jetzt fangen wir wieder bei Null an. Die kommenden Wochen haben wir nur immerzu Wogen geglättet.“
Lok hatte erst die vergangenen zwei Jahre monatlich 10.000 Euro Schulden abbezahlt und sich rangekämpft. Ehrenamtliche wie Thomas Löwe fragten sich nach dem Sinn ihrer Arbeit, wenn dumme Menschen diese so kaputt machen. Der Klub stand am Scheideweg, weil in Präsidium und Aufsichtsrat diese eine Frage aufkam: Machen wir weiter oder haben uns diese „Hirnis“ endgültig entnervt?
Zudem war der Posten des Präsidenten nach dem Rücktritt von Heiko Spauke im Mai auch nach Erfurt noch vakant. Jens Kesseler setzte sich schließlich diesen Hut auf. Kesseler, Löwe und Co. machten weiter. Im September erhielt der Verein per Stadtratsbeschluss das Erbbaupachtrecht für das Plache-Stadion zurück. „Das war ein Erfolg, der uns richtig angespornt hat“, so Kesseler.
Über eine Dekade hatten sich die Verhandlungen hingezogen, am Ende bezahlte ETL-Chef Franz-Josef Wernze den Kaufpreis für das Gelände, der bei circa 130.000 Euro gelegen haben soll. 2020 wandelte er das Darlehen in eine Spende um. Lok konnte endlich anfangen, das Gelände zu erhalten. Pläne hatte man damals genug und Arbeit war ebenfalls genug da.
Fünf Jahre später sind viele dieser Vorhaben erfüllt. Lok Leipzig hat eine komplett sanierte Trainingshalle mit neuen Fenstern und neuem Belag, der Zaun wurde bereits im Herbst 2015 repariert, die Sanierung der Tribüne hat, nicht zuletzt dank großzügiger Fördermittel des Freistaats Sachsen, begonnen, und seit 2019 spielen die Mannschaften sommers wie winters bei Bedarf auf einem Kunstrasen, der den FIFA-Normen entspricht.
Nur das Fassungsvermögen des Plache-Stadions hat der Verein noch nicht auf die avisierten 13.000 Zuschauer bringen können. Derzeit passen 10.700 Zuschauer ins Oval. „Wenn wir den Familienblock fertiggestellt haben, dürfen wir 13.000 Zuschauer ins Stadion lassen“, so Thomas Löwe im Mai 2020. Bis zum Beginn der neuen Saison soll alles fertig sein – und noch mehr.
Aus dem ambitionierten Oberligisten von 2015 ist mittlerweile ein ambitionierter Regionalligist geworden, auch weil erwähnter ETL-Chef viel Geld in die Mannschaft gesteckt hat. Der 1. FC Lok kann sogar Regionalliga-Meister werden und wäre so auf dem besten Weg in die 3. Liga. Sorgen bereitet den Vereinsoberen die Umsetzung der DFB-Auflagen für das Stadion.
Das Flutlicht muss geprüft, saniert und auf 800 Lux gebracht werden, was alleine 30.000 Euro kostet. Die Beschallungsanlage muss Drittliganiveau erreichen (35.000 Euro), der Gästeblock braucht einhundert überdachte Sitzplätze, für die der Verein mit 15.000 Euro rechnet, und etwa 25.000 Euro Kosten entstehen für die Errichtung von zusätzlichen Arbeitsplätzen für die zahlreichen Pressevertreter. Für die Verlegung von Kabeln und Leitungen sowie die Errichtung von neuen Medienanschlüssen werden noch einmal 15.000 Euro fällig.
Nach einem Jahr in der 3. Liga müsste in Probstheida auch eine Rasenheizung her. Bis auf Letzteres ist man allerdings bei Lok zuversichtlich, dass alles gebaut werden kann. Die Rasenheizung ist mit rund einer Million Euro eine richtige Investition. Löwe hofft, dass ein Investor einen Stadionneubau finanziert, in den auch die traditionsreiche und 98 Jahre alte Holztribüne, die älteste ihrer Art in Europa, integriert wird.
So rief der Klub unlängst seine Fans zu erneuten Spenden auf, um so die Mittel für die Umsetzung der Bauarbeiten zu erhalten. Erst im Frühjahr hatten diese 182.000 Euro für Tickets gegen einen unsichtbaren Gegner ausgegeben, der Verein erhielt zudem über 47.000 Euro an zusätzlichen Spenden.
„Wir kämpfen hinter den Kulissen an vielen Stellen und werden in Kürze mit den infrastrukturellen Arbeiten für die 3. Liga beginnen. Wir werden unsere Vision jetzt gemeinsam verwirklichen, jeder an seinem Platz, davon bin ich überzeugt. Wer zusätzlich durch seine Arbeitskraft mithelfen möchte, unser Stadion drittligafein zu machen, wird zeitnah die Gelegenheit dazu bekommen. Wir brauchen Euch jetzt Alle!“, ruft Löwe die Fans auf der Homepage des Vereins auf.
Am 25. Mai rollten sieben Sattelschlepper auf das Gelände und brachten das Gerüst für ein Drittel der Tribüne, die im laufenden Betrieb saniert werden soll. Begonnen wird mit dem Dach. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte schon bei einem Ortstermin vor einem Jahr versprochen, dass die denkmalgeschützte Tribüne über die kommenden vier bis fünf Jahre komplett saniert werden soll.
Sie soll in einen geplanten Neubau integriert werden. Dass die Verträge noch nicht unterschrieben sind, liegt an der Coronakrise. „Wir waren im Prinzip durch und dann kam Corona. Der Investor ist allerdings im weltweiten Veranstaltungsgeschäft tätig und hat die Verhandlungen fürs Erste gestoppt.“
Unabhängig von den Bauarbeiten, die im Stadion für die 3. Liga notwendig sind, muss der Verein bis 22. Juni, 17 Uhr, dem DFB ein Ausweichstadion präsentieren. Der Klub hat sich aus verschiedenen Gründen im Bereich des Nordostdeutschen Fußballverbands (NOFV) Absagen eingehandelt. Stand jetzt würde es für Lok bei nicht rechtzeitiger Beendigung der Bauarbeiten zum Heimauftakt in der 3. Liga sogar Richtung Baden-Württemberg gehen müssen.
Damals, im Oktober 2015, war der LZ-Artikel über den Spaziergang mit „Die letzte Baustelle in Probstheida“ überschrieben. Es scheint, als ob diese Baustelle – trotz all der bisherigen Errungenschaften – noch nie herausfordernder war.
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Die neue Leipziger Zeitung Nr. 79: Von Gier, Maßlosigkeit, Liebe und Homeschooling in Corona-Zeiten
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