Michael Kretschmer (CDU) hat am Freitag auf der unter Denkmalschutz stehenden Tribüne im Bruno-Plache-Stadion Platz genommen. Im Rahmen des großen Lokruf-Wunschkonzerts stellte sich der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen den Fragen von Fanradio-Moderator Marko Hofmann. Was dieser fragte und was Kretschmer antwortete, lesen sie hier auf der L-IZ.
Herr Ministerpräsident, eigentlich wollten wir ja telefonieren – wie kommt es, dass wir uns jetzt „in echt“ auf der altehrwürdigen Lok-Tribüne treffen können?
Ich war heute schon den ganzen Tag in Leipzig. Wir haben gerade für die tschechischen Freunde Test-Kits für Corona übergeben. Da dachte ich, komme ich mal vorbei. Es ist ja wunderbares Wetter und ein toller Ort hier. Ich weiß, was Sie als Lok Leipzig in der Jugendarbeit leisten und wie Sie sich engagieren. Das finde ich großartig und ich freue mich, dass wir hier zusammen sein können.
Welche Herausforderungen bringt diese Corona-Krise für Sie als Ministerpräsidenten mit sich?
Wir haben halt jetzt ganz andere Aufgaben. Wir haben uns überlegt: Wie können wir mit Investitionen im Sport etwas tun? Wie können wir bei der Sicherheit, Polizei, aufbauen. Ländliche Räume, Vernetzung mit den großen Städten – das war für dieses Jahr, für diese Legislaturperiode, das Thema. Jetzt kommt diese Krankheit – und wir müssen reagieren. Wir haben das als Deutsche wahrscheinlich besser gemacht als andere.
Wir haben die negativen Beispiele gesehen – was passiert, wenn man das unterschätzt. Es gab ja viele, die gesagt haben: Ach, das ist doch nur eine Grippe, es wird schon weitergehen. Doch am Ende sind pro Tag dann hunderte Menschen in Italien, New York oder im Elsass gestorben. Wir haben relativ schnell gesagt: Stopp! Die Deutschen haben auch mitgemacht, das finde ich toll. Und jetzt geht es darum: Wie kann man das organisieren?
Der erste Flächenbrand ist ausgetreten. Die Zahlen sind deutlich niedriger. Wir hatten täglich 200, 300 Neuinfektionen – jetzt sind wir bei 20, 30. Das ist sehr wenig und das Ergebnis dieser vergangenen vier Wochen „Stop!“ und Innehalten. Wir wissen, dass wir das nicht über die nächsten Monate so machen können, wir müssen jetzt wieder anfangen.
Wir haben die Geschäfte geöffnet. Wir haben die Abschlussklassen zurück in die Schulen geholt – und wollen am 4. Mai den nächsten klug überlegten Schritt tun. Ich denke an Frisöre oder Kosmetiker, Tierparks – Herr Junhold liegt mir sehr in den Ohren. Das würde ich gern für ihn machen. Man muss sich anschauen, wie sich die Infektionszahlen weiterentwickeln. Wenn sie niedrig bleiben, können wir den nächsten Schritt machen – ansonsten müssen wir erst mal innehalten.
Wie sind die Rückmeldungen an Sie, wie die Sächsinnen und Sachsen die aktuellen Lockerungen bisher beherzigen?
Großartig. Wir haben am Montag den Mund- und Nasenschutz vorgegeben für den öffentlichen Personennahverkehr und beim Einkaufen. Das wird toll eingehalten. Klar, junge Leute wollen sich jetzt auch treffen. Man sieht sie manchmal auf der Decke sitzen und merkt schon: Naja, das Prinzip ist da nicht mehr eingehalten.
Wir haben ja noch immer eine Kontaktbeschränkung. Das ist auch notwendig, damit diese Übertragungszyklen nicht so durch die Decke gehen. Die Menschen, die miteinander in einem Hausstand leben, die Familie plus eine Person in der Öffentlichkeit. Das müssen wir auch immer wieder neu betonen und ins Bewusstsein bringen. Weil, nur dann kann man noch mehr öffnen.
Die Lok-Fans fragen sich natürlich: Wann wird in diesem Stadion mal wieder Fußball gespielt – idealerweise mit Zuschauern? Ich denke mal, darauf können Sie jetzt keine belastbare Antwort geben, oder?
Nein. Das müssen wir uns in Ruhe anschauen. Diese Woche war der Landessportbund da – sehr umsichtige Menschen. Wir haben jetzt ein Programm dafür gemacht, dass wir keinen Sportverein über die Wupper gehen lassen, sie also Unterstützung bekommen – auch die Größeren, wie Lok. Aber wenn viele Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg ganz eng zusammen sind, dann ist das gefährlich. Mindestabstand 1,50 Meter ist der beste Schutz, den wir derzeit haben. Da kann wenig passieren.
Der sächsische Sport liegt Ihnen am Herzen, und Sie haben diese Woche auch auf Initiative des „Teamsport Sachsen“ einen Kabinettsbeschluss zur Unterstützung des sächsischen Sports gefasst. Was können Sie uns dazu sagen?
Also Lok Leipzig und die anderen, die dabei mitgemacht haben, haben das sehr klug ausgearbeitet. Für die kleinen Sportvereine gibt es bis zu 10.000 Euro, damit niemand zum Insolvenzgericht gehen muss. Für die Größeren gibt es bis zu 500.000 Euro zur Überbrückung. Dann können wir nach hinten raus sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Wir wissen ja auch nicht, ob das jetzt einige wenige Monate sind oder ob wir damit möglicherweise ins nächste Jahr reinkommen.
Und dann müssen wir in drei Jahren sehen, wie viel von diesen 500.000 Euro – wenn man den Gesamtbetrag ausschöpft – erlassen wird. Aber wir wissen die Arbeit zu schätzen, die hier bei Ihnen und bei den anderen geleistet wird. Das war jetzt eine schnelle Maßnahme – damit haben wir ein Instrument, auf das wir zurückgreifen können.
Auch Dank der Hilfe des Freistaats Sachsen und Dank Ihrer Initiative haben wir mit Fördergeldern hier auf dem Gelände schon einige Projekte in Angriff nehmen können, wie die Trainigshalle und den Kunstrasen. Jetzt geht es an die Tribüne, welche Neuigkeiten gibt es dazu?
Ich war ja vor einem Jahr hier und habe die Nachwuchsarbeit und die Fanarbeit gesehen, die Sie machen und was für Power und Engagement dabei ist. Wir haben auf dieser Tribüne gesessen und ich verstehe das schon, dass das etwas ganz Besonderes ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine große Belastung, wenn es am Ende wirklich 4 Millionen Euro kostet, weil sie unter Denkmalschutz steht. Dadurch haben wir aber auch die Möglichkeit, stärker mit einzugreifen. Die erste Maßnahme ist das Dach für 300.000 Euro, und den Rest kriegen wir auch noch gemeinsam hin.
Als Ministerpräsident müssen Sie das große Ganze im Blick behalten, da ist der Sport ja nur ein Teil des sächsischen Lebens. Vielleicht können wir aber noch kurz über Ihre private Beziehung zum Sport sprechen. Wie sieht die aus?
Ich komme aus Görlitz und habe als Jugendlicher Feldhockey gespielt. Das hat viel Spaß gemacht und war eine tolle Zeit, hat aber auch ordentliche Verletzungen gebracht. Später im Studium sind wir viel joggen gewesen. Und nachdem ich letztens in einer Fernsehsendung für meine Figur kritisiert wurde, habe ich das die letzten Tage wieder häufiger machen müssen, weil meine Frau mich immer vor die Tür getrieben hat. Aber es tut gut und die Kinder machen mit. Das ist mein privater Sport.
Ansonsten finde ich es großartig, was wir hier in Sachsen im Bereich Fußball haben – die Traditionsvereine und natürlich auch RB Leipzig. Wir haben Eishockey und es ist spektakulär, was da passiert. Ich schaffe es gar nicht immer hinzugehen. Wir haben Basketball, die Niners in Chemnitz, etwas ganz Besonderes – oder die DSC-Mädels, die jetzt wieder Deutscher Pokalsieger im Volleyball geworden sind.
Kennen Sie eigentlich unsere Aktion „Leute, macht die Bude voll!“, die wir ja gebraucht haben, um die Bude zumindest virtuell voll zu bekommen?
Ja, ich fand das toll und würde auch gern meinen Beitrag dazu leisten, wenn ich darf. Das ist eben etwas, was Leute, die nicht selber Fan sind, gar nicht so richtig verstehen können – dass es Leute gibt, denen das so wichtig ist, dass sie sich stark engagieren. Aber das trägt das Ganze und ist die Basis für diesen Sport und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich habe 50 Euro mitgebracht, das ist mein Beitrag zur Unterstützung eurer Aktion.
Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident! Letzte Frage: Wenn hier der Ball rollt, Zuschauer wieder erlaubt sind, wir keinen Abstand mehr brauchen und Lok Leipzig vielleicht 3. Liga spielt und das – auch Dank Ihrer Unterstützung – gar nicht mal so schlecht, aufgrund des Budgets, das wir uns dann leisten können – werden Sie dann auch mal im Stadion sein?
Ja klar, da komme ich gerne. Am liebsten, wenn die Tribüne fertig ist. Denn wenn die einmal richtig durchsaniert ist – und ich weiß, es ist gerade eine große Last – dann ist das ein richtiges Schmuckstück. Die 3. Liga wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.
Heiko Rosenthal: „Optimistisch, dass es noch in diesem Jahr Sport vor vollen Rängen gibt.“
Heiko Rosenthal: „Optimistisch, dass es noch in diesem Jahr Sport vor vollen Rängen gibt.“
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