Der Fuรballverein RB Leipzig hat nach eigenen Angaben elf Hausverbote gegen eigene Fans ausgesprochen. Diese sollen beim Auswรคrtsspiel in Paderborn am Samstag, den 30. November, an einem Pyrotechnik-Einsatz beteiligt gewesen sein. Ein Sportjournalist der LVZ bezeichnete die Zรผndler als โBrunnenvergifterโ und griff damit ein jahrhundertealtes antisemitisches Stereotyp auf.
Rasenballsport Leipzig und ein Groรteil seiner Fans haben sich von Beginn an als freundlicher Familienverein prรคsentiert, in dem fรผr Pyrotechnik, Gewalt und Rassismus kein Platz sein soll. Es war und ist ein bewusster Gegenentwurf zu anderen Leipziger Vereinen, die immer wieder wegen gewalttรคtiger รbergriffe und rassistischer Vorfรคlle in die Schlagzeilen geraten sind.
Ebenfalls von Beginn an waren Zweifel zu hรถren, ob dieses Image auf Dauer aufrechterhalten werden kann. Schlieรlich wirkt ein Verein, der die Bundesliga als klares Ziel ausgegeben hatte und nach sieben Jahren dort ankam, attraktiv fรผr Hooligans und politische Akteure, aber auch fรผr Jugendliche, die eine รคhnliche Subkultur ausleben mรถchten, wie sie in anderen Clubs dieser Grรถรe selbstverstรคndlich ist.
Es dauerte nicht viele Jahre, bis auch bei RB Leipzig รผber Homofeindlichkeit, Rassismus sowie verbotene Choreographien und Spruchbรคnder diskutiert wurde. Legida und die Ankunft zahlreicher Flรผchtender waren auch in der Fanszene ein Thema, etwa wenn es um einen mit den Rechtsradikalen sympathisierenden Trompeter oder einen Aktionstag fรผr Geflรผchtete ging. Aber zumindest eines war fast zehn Jahre lang so gut wie kein Thema: Pyrotechnik.
Pyrotechnik nach fast zehn Jahren
In der vergangenen Saison gab es schlieรlich erstmals roten Rauch im Fanblock der Rasenballer, zum Beispiel beim Auswรคrtsspiel in Salzburg. Geschรคftsfรผhrer Oliver Mintzlaff kรผndigte daraufhin lebenslange Hausverbote an. Wenige Tage spรคter waren bei einem Spiel der Frauenmannschaften vom Roten Stern Leipzig und RBL erneut Fans mit Pyrotechnik zu sehen. Auch hier kรผndigte der Verein Konsequenzen an. Seitdem war es ruhiger um dieses Thema geworden.
Doch nach dem Auswรคrtsspiel der Bundesliga-Mรคnner in Paderborn am Samstag, den 30. November, kehrte das Thema mit voller Wucht zurรผck. Diesmal war im Gรคsteblock nicht nur roter Rauch zu sehen. Vermummte hielten wรคhrend des Spiels brennende Bengalos in den Hรคnden.
Die Reaktionen darauf waren eindeutig: Schon im Fanblock gab es zahlreiche Pfiffe. Spรคter empรถrten sich viele Anhรคnger/-innen des Vereins in den sozialen Medien. Sie boten beispielsweise an, Videomaterial zur Verfรผgung zu stellen, um bei der Identifizierung zu helfen, oder kรผndigten an, vorerst nicht mehr fรผr Choreographien zu spenden, da unklar sei, ob dieses Geld auch fรผr Pyrotechnik verwendet werde.
Geschรคftsfรผhrer erhรคlt viel Zustimmung und etwas Kritik
RBL-Geschรคftsfรผhrer Oliver Mintzlaff sprach am Sonntag von einem โrespektlosen Verhalten einiger weniger Chaotenโ und forderte, dass Fanverband und Fanprojekt gemeinsam mit dem Verein โgegen die Verursacher vorgehenโ.
Diese Aufforderung wiederum stieร auf Kritik. Der โRotebrausebloggerโ schrieb auf Twitter: โDass man Fanprojekt und Fanverband offenbar gern als mobile Eingreifgruppe sรคhe, ist ordentlich skurril, zeigt aber auch schรถn, wie man offenbar die Aufgabe beispielsweise eines Fanprojekts, also eines Projekts der (Jugend-)Sozialarbeit, (miss-)versteht.โ
Der Fanverband betonte in einer Stellungnahme, dass die Ermittlungsarbeit โSache von Verein und Polizeiโ sei und man sich nicht als โErfรผllungsgehilfeโ sehe. Zudem kritisierte der Fanverband die Pyrotechnik, weil dadurch sowohl die Gesundheit anderer Fans als auch der Zusammenhalt innerhalb der Fanszene โfรผr ein bisschen Party und Selbstdarstellung Einzelnerโ gefรคhrdet worden sei.
Elf Hausverbote ausgesprochen
Am Donnerstag, den 5. Dezember, prรคsentierte der Verein ein โaktuelles Resultat nach den Pyro-Vorfรคllenโ. Er habe elf Hausverbote gegen โPyro-Zรผndler sowie weitere Mittรคterโ ausgesprochen. Davon dรผrften also auch Personen betroffen sein, die nicht selbst ein Bengalo in der Hand hielten. Zudem strebe man bundesweite Stadionverbote fรผr die Betroffenen an.
Neben vielen Fans dรผrfte dieses harte Vorgehen auch dem LVZ-Sportjournalisten Guido Schรคfer gefallen. Er hatte in einem Kommentar ein hartes Vorgehen gegen diese Personen gefordert und bezeichnete sie unter anderem als โBrunnenvergifterโ, was seit Jahrhunderten ein antisemitisches Stereotyp darstellt.
So wurden Juden schon im Mittelalter dafรผr verantwortlich gemacht, dass es zu Pestausbrรผchen kam. Auch in spรคteren Jahrhunderten gab es immer wieder รคhnliche Behauptungen, die darauf zielten, dass Juden angeblich gezielt Kinder oder Brunnen vergiften wรผrden. Heute verbreiten sich รคhnliche Vorwรผrfe in Bezug auf israelische Siedler/-innen. In diesem Kontext ist beispielsweise auch die gegen Israel gerichtete Parole โKindermรถrder Israelโ zu sehen.
Immer wieder antisemitische Stereotype gegen RBL
Im Kommentar von Guido Schรคfer findet sich zudem Sprache, die tendenziell entmenschlicht, etwa wenn davon die Rede ist, dass die Verantwortlichen โfรผr immer aussortiert werdenโ und โSelbstreinigungskrรคfteโ wirken mรผssten. Zudem hรคtten die Ultras ihre โDaseinsberechtigungโ verloren.
Seit der Vereinsgrรผndung im Mai 2009 wird Rasenballsport von antisemitischen Stereotypen begleitet, beispielsweise wenn er als eine Art โSchรคdlingโ dargestellt wird, der den โgesunden Volkssport Fuรballโ angreift. So hatten sich beispielsweise Fans des Karlsruher SC bei einem Spiel einen Mundschutz aufgesetzt, um sich vor der โBullenseucheโ zu โschรผtzenโ. รhnlich verhรคlt es sich mit Bezeichnungen wie โUngezieferโ oder โParasitโ.
Zu Beginn der Saison fand sich ein solches Stereotyp sogar im offiziellen Stadionheft von Union Berlin. Dort wurde das Vereinslogo falsch dargestellt und mit der Bezeichnung โRattenball Leipzigโ ausgestattet. In der Propaganda der Nationalsozialisten wurden Juden unter anderem als Ratten dargestellt.
Pyrotechnik: Nulltoleranz bei RB Leipzig und Schรคden beim Roten Stern
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