In einem denkwürdigen Halbfinale hat der 1. FC Lok den Einzug ins Sachsenpokal-Finale verpasst. Vor 7.489 Zuschauern verschoss Paul Schinke den 22. (!) Elfmeter. Sein Fehlschuss beendet nach fast drei Stunden ein Spiel, was nach 26 Minuten vorentschieden schien. Lok kämpfte sich nach einem 0:2-Rückstand jedoch zurück ins Spiel, ging nach 102 Minuten gar in Führung. Im Elfmeterschießen sah Benjamin Kirsten wie der Held des Tages aus, aber dann musste Schinke das zweite Mal antreten...
Es war 22:25 Uhr im Stadion an der Gellerststraße, als ein zäher Ringkampf zwischen zwei großartigen Mannschaften entschieden wurde. Jakub Jakubov sprang in die linke Ecke und parierte den Schuss von Paul Schinke. „Ich hätte vielleicht noch mal hochgucken müssen“, so Schinke. „Aber einer muss der Holzkopf sein, und das war eben ich.“ Dabei hatte Schinke schon einmal verwandelt, als erster Lok-Schütze. Sein zweiter Elfmeter war der 22. (!) und der letzte und der tragische Schlusspunkt an einem wahnsinnigen Fußballabend.
Schon nach 26 Minuten war der CFC – wie schon in beiden Ligaspielen – deutlich davon gezogen. Matti Langer hatte nach fünf Minuten die zweite Ecke der Hausherren freistehend über die Linie gedrückt. 22 Minuten später versenkte Langer den Ball sehenswert im Dreiangel. „Beim Tabellenführer 0:2 hintenzuliegen und noch einmal zurückzukommen, das ist Wahnsinn“, so Björn Joppe. Der Teamchef des 1. FC Lok war schon nach 20 Minuten von Schiedsrichter Alexander Sather auf die Tribüne verwiesen worden. „Ich habe zweimal gefragt, warum er drüben keine gelbe Karte gezeigt hat. Das wollte er nicht sagen. Ich habe dann gesagt: ‘Mit Arroganz kommt man auch nicht weit.’“
Seine Mannschaft brauchte 30 Minuten, um ihren Rhythmus zu finden. Chemnitz zog viele Fouls und zerstörte durch Spielverzögerungen und Diskussionen jeglichen spielerischen Ansatz der Leipziger. Der Anschluss kurz vor der Pause entsprang einem Fehler in der CFC-Innenverteidigung. Velkov unterschätzte einen springenden Ball, Schulze legte quer auf Pannier, der satt aus spitzem Winkel traf – zum Leidwesen von Chemnitz’ Trainer David Bergner. „Mit einem 2:0 in die Pause zu gehen, wäre wichtig gewesen gegen eine Lok-Mannschaft, deren Trainer ihr Potenzial geweckt hat.“
Lok drehte das Spiel – kurzzeitig
Und die nach der Pause das Herz in die Hand nahm und nach vergebenen Chancen von Schulze und Steinborn durch Pommer nach einem klasse Spielzug zum Ausgleich kam. In der Folgezeit wuchs Benjamin Kirsten mehrfach über sich hinaus. „Er hatte heute drei, vier Weltklasse-Reflexe“, zollte Bergner Respekt. Und der Dramaturgie folgend hätte Kirsten der Held des Tages sein müssen. Nach 102 Minuten war es für einen kurzen Moment Kevin Schulze, der nach einem Freistoß einnickte. Die komplette Lok-Bank sprinte in verschiedene Richtungen quer über das Feld, jubelte ausgelassen, wähnte sich kurz vor dem Ziel. Aber Karsanidis egalisierte zum 3:3 nur zwei Minuten später.
„Nach dem 3:2 wollten wir hinten den Bus parken und nichts mehr zulassen, aber dann machen Pfeffif und ich einen Schritt zu wenig und die Beine werden aus Beton“, so Schinke. Es war wohl diese kurze Phase, in der der 1. FC Lok am nächsten am Sieg war. Einem Boxkampf gleich, agierten beide Mannschaften in der zweiten Hälfte der Verlängerung. Keiner hatte noch genug Körner, um auf Sieg spielen zu können. Chemnitz agierte wieder mehr mit hohen Bällen, hatte erst einmal gewechselt. Lok hatte schon nach 20 Minuten Salewski rausgenommen, der von Sather vorgewarnt wurde, dass er kurz vor dem Platzverweis steht – und dann in der regulären Spielzeit noch Gottschick und Ziane gebracht.
Leipzig verteidigte und ließ in der zweiten Hälfte der Verlängerung fast nichts mehr zu. Die letzten fünf Minuten spielte Lok gar in Unterzahl. Ryan Malone war nach wiederholtem Foulspiel zum Duschen geschickt worden. Ausgerechnet Malone, Loks Elfmeterschütze vom Dienst, der beim unweigerlich stattfinden Showdown nicht eingreifen konnte.
Alle Hoffnungen ruhten auf Elfer-Killer Kirsten
Lok wähnte sich mit Benjamin Kirstens Elfmeterkillerkünsten (vier von sechs gegen ihn wurden in dieser Saison nicht verwandelt) in dieser sich ebenfalls fast eine Viertelstunde hinziehenden Zusatzveranstaltung im Vorteil.
Im Mittelpunkt stand allerdings zunächst Matthias Steinborn. Dreifacher Torschütze im Achtelfinale in Auerbach, Siegtorschütze im Viertelfinale bei der BSG Chemie und am Mittwochabend Unglücksrabe beim zweiten Lok-Elfmeter. Chemnitz’ Torhüter Jakubov hatte sich beizeiten für eine Ecke entschieden, Steinborn schob das Leder allerdings am Tor vorbei.
Zuvor hatte schon Schinke für Lok getroffen. Steinborns Fehlschuss erhöhte naturgemäß den Druck auf die verbliebenen Lok-Schützen. Aber Urban und Schulze hielten sich genauso wie die Himmelblauen Schützen schadlos. Elfmetertöter Benni Kirsten hatte nur beim Schuss von Karsanidis eine Chance, als ihm das Leder unter dem Körper durchrutschte.
Als letzten Schützen hatten die Gastgeber Daniel Frahn vorgesehen, der schon das Pokalfinale 2017 für seine Mannschaft gegen Lok entschied und durch seine RB-Vergangenheit ohnehin ein rotes Tuch für die Blaugelben ist. Doch ausgerechnet Frahns Ball hielt Benjamin Kirsten, der Lok damit auch im Elfmeterschießen im Spiel hielt.
Auch das Elfmeterschießen musste in die Verlängerung
Anschließend verwandelte Pfeffer für Lok, nach fünf Schützen war das Spiel immer noch nicht entschieden. In der Folge mussten alle Spieler des 1. FC Lok zum Punkt. Weil Lok nur noch zu zehnt war, durfte Chemnitz ebenfalls nur zehn Schützen stellen. Keiner der beiden Torhüter hatte bei einem Ball eine Chance, und beide verwandelten als Letzte ihres Teams ebenfalls souverän. Die Regeln sehen für den seltenen Fall, der Lok allerdings schon einmal im Landespokal gegen Kamenz 2013 passiert ist, vor, dass alle Schützen in derselben Reihenfolge erneut antreten müssen.
Chemnitz’ erster Spieler Hoheneder verwandelte wieder und Schinke verschoss. Ausgerechnet Schinke, der wohl von den Fans zum Spieler der Saison gewählt wird und in zahlreichen Partien begeisternder Ankerpunkt war. „Die nervliche Belastung ist beim zweiten Schuss schon höher. Man nimmt die äußeren Einflüsse war, Djamal (Ziane/Anm. d. Red.) sagte, der Torhüter springt immer von uns aus nach links, da überlegt man dann. Aber irgendeiner musste verschießen. Das war diesmal ich.“
Schinke sank nach seinem Fehlschuss zu Boden und während die Chemnitzer in ihre Kurve stürmten, tröstete die Lok-Elf ihren Spielgestalter. Daniel Frahn übrigens kam als einziger Chemnitzer Spieler zuerst zum geschlagenen Kontrahenten und ging erst dann jubeln. Einen Verlierer hätte es nach fast drei Stunden Spiel und Kampf nicht gebraucht. „Das war Werbung für diese Liga“, waren sich beide Trainer nach Spielende einig.
Der Chemnitzer FC empfängt nun am 25. Mai 2019 den FSV Zwickau zum Sachsenpokalfinale.
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