LZ/Auszug aus Ausgabe 58Am 27. September entscheidet das Exekutivkomitee der UEFA, wo die Fußball-EM 2024 stattfindet. Fällt die Entscheidung auf Deutschland, so dürfen sich die fußballbegeisterten Messestädter auf einige Länderspiele freuen. Die Fußballstadt Leipzig hat eine tolle Sportinfrastruktur und die Mitgliederzahlen in den Fußballvereinen steigen, natürlich dank Platzhirsch RB Leipzig. So begrüßt jedenfalls OB Burkhard Jung das Votum des DFB. Also alles in Butter?
Sicher meint unser Stadtoberhaupt den einen Fußball als Geschäft, als Wirtschaftsfaktor, als Tourismusmarketing, als Opium fürs Volk. Es gibt aber noch einen zweiten Fußball, den man aber nur außerhalb der VIP-Lounge sieht; den anderen Fußball für die aktiven Leipziger, den wertevermittelnden, gesundheitsfördernden, den integrativen und gesellschaftsprägenden sowie durch bürgerschaftliches Engagement getragenen Fußball.
Jenseits Jungs Fußball der Schönen und Reichen, der Investoren und Geschäftemacher, spielen tausende Leipziger Bürger vom Kleinkind bis zum Greis Fußball auf kommunalen Anlagen, welche die letzten substanziellen Erneuerungen in DDR-Zeiten erlebten. Diese „tolle Sportinfrastruktur“, wie der OB sich zitieren lässt, wurde Anfang der 1990iger Jahre an die Vereine verpachtet, um den städtischen Haushalt zu entlasten.
Seitdem beginnt deren Verfall. Trotz großem Engagement, zehntausenden ehrenamtlichen Arbeitsstunden unserer Vereinspioniere und viel eigenem Geld gelingt es den finanziell kurzgehaltenen und mit Bürokratie von Verwaltung und Verbänden malträtierten Vereinen nicht, die Anlagen nachhaltig zu bewirtschaften. Über dringend notwendige Investitionen brauchen wir nicht zu reden.
Welcher Breitensportverein in Leipzig ist in der Lage, Eigenmittel in Millionenhöhe zu beschaffen, zehntausende Euro für Bauplanung und Genehmigungsverfahren vorzufinanzieren? Welcher ehrenamtliche Vorstand will persönlich für Planungsfehler und Kostensteigerungen haften?
Warum sollen Vereine z. B. in Infrastruktur für den Schulsport investieren bzw. die für den eigentlichen Unterhalt vorgesehenen Mittel für deren Sanierung zurücklegen, um kommunale Aufgaben zu erfüllen? Warum ist die Stadt in vielen Fällen nicht in der Lage, verpachtungsfähige Anlagen mit z. B. sicheren Einfriedungen und nutzbaren Flächen herzustellen?
Nur einige Fragen, welche sich die lokale Politik stellen sollte, wenn sie sich wirklich für den Breitenfußballsport jenseits der großen Arenen interessiert! Die Substanz ist jedenfalls mehr als aufgebraucht, selbst große Vereine stehen am Ende ihres Lateins. Irgendwann reicht auch eine Dose Farbe, etwas Putz und viel Vereinsliebe nicht mehr aus.
Je intensiver man sich mit dem Thema beschäftigt, umso absurder erscheint es: Die Bürger sollen mit ihrem privaten Geld die städtische Infrastruktur sanieren, faktisch eine eigene Baukompetenz mit Architekten, Planern und Fachanwälten aufbauen, die den Fördermittelgebern aus der Verwaltung noch Paroli bieten kann. Auf der anderen Seite werden die Vereine als Bittsteller regelmäßig von den städtischen Ämtern gegängelt, während man woanders bei entsprechender Investorenlage mit Themen wie Umweltschutz auch mal „kreativ“ dealen kann.
Jahrzehntelanges politisches Missmanagement und andere Prioritätensetzung hat den Leipziger Breitensportfußball, der letztendlich von seiner Infrastruktur lebt, faktisch ruiniert. Ein Investitionsstau von rund 150 Millionen Euro ist nicht mehr aufholbar. Verwaltung und Politik zeigen sich ohnmächtig und feiern etwas schambehaftet ein paar Euro mehr im 2024er Sportentwicklungsplan.
Die vom Sportbürgermeister betonten „nachhaltigen Impulse“ sind, das weiß er selber, nicht mal der Tropfen auf den heißen Stein. Konzepte, Strategien, Visionen – Fehlanzeige. Auch positive und kreative Ansätze im Vereinssport werden ignoriert, Landes- und Bundesmittel verfallen. Wenn Leipzig eine Sportstadt sein soll, dann ist sie es aber nicht für ihre aktiven Fußballer, mit oder ohne EM 2024.
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