LZ/Auszug aus Ausgabe 58Wenn heute die neue Bundesliga-Saison beginnt, wird auch Bundestrainer Joachim Löw seine Analyse zum WM-Scheitern vorlegen. Kritiker warfen ein, dass die Terminwahl bewusst so gewählt ist, damit die Analyse ob des ersten Spiels zwischen Bayern München und der TSG Hoffenheim ein wenig im Themenstapel des Tages nach unten rutscht. Nach dem WM-Aus war zunächst viel über Löw, dann aber vorwiegend über Mesut Özil und dessen Rücktritt diskutiert worden.
In der Löw-Debatte war immer wieder die Frage aufgekommen, wer denn ein guter Nachfolger wäre und ob denn ein Bundestrainer-Job heutzutage nicht recht unattraktiv wäre. Dabei gibt es in Deutschland genügend Fußballtrainer, zumindest genügend, die an der Seitenlinie stehen und während der Spiele irgendetwas ins Spiel hineinrufen. Für den Bundestrainer reicht das – auch wenn manch einer in den sozialen Medien offenbar andere Träume hat – gewiss nicht aus.
Dafür muss man schon eine Fußball-Lehrer-Lizenz vorweisen, also im obersten Regal der Trainerausbildung angekommen sein. Diese beginnt im Leistungsfußball mit der B-Lizenz, früher C-Lizenz. Allerdings wird hier schon kräftig ausgesiebt.
In Zeiten, in denen einige Leipziger Fußballvereine mehr als drei Mannschaften pro Jugend stellen können, Spieler sogar ablehnen müssen, weil sie nicht genügend Trainer haben, wird bei der Trainerausbildung restriktiv vorgegangen.
Jedermann kann einen Grundlagenlehrgang für den Breitenfußball absolvieren, schon Schulkinder können sich in den Sommerferien zum DFB-Junior-Coach ausbilden lassen, aber wenn es um den Leistungsfußball geht, ist das nicht mehr jedermann genehm. Bei Fragen nach Quoten und Transparenz schweigt sich der Verband sogar aus.
Um am B-Lizenz-Lehrgang teilzunehmen, muss jeder Sportfreund eine Eignungsprüfung absolvieren. In den letzten beiden Kalenderjahren haben 145 Bewerber teilgenommen. In einem 45-minütigen Praxisteil stehen Fußballtennis und mehrere Runden 4 gegen 4 an. Zuvor findet mit jedem Einzelnen ein achtminütiges Gespräch statt, und nach dem Praxisteil werden Grundfragen der Technik oder Taktik in einer Klausur abgefragt. Drei Wochen danach erhält man eine Zulassung oder nicht.
Auf der Internetseite des Sächsischen Fußballverbands, der die Trainerausbildung als Landesverband des Deutschen Fußballbundes (DFB) durchführt, wird hervorgehoben, dass es kein Einspruchsrecht gegen die Entscheidung gibt – und offenbar auch kein transparentes Verfahren zur Auswahl der Bewerber. Von den 145 wurden 83 zugelassen, 62 abgelehnt.
Warum er abgelehnt wurde, erfährt der Bewerber nicht. Und auch auf Anfrage der LEIPZIGER ZEITUNG will der Verband nicht erklären, worauf es bei der Eignung besonders ankommt, wer die Gespräche führt oder welche Teilbereiche der Eignungsprüfung eher verantwortlich für ein Scheitern sind als andere.
Nach Recherchen der LEIPZIGER ZEITUNG (LZ) führen die Gespräche die Landeauswahltrainer des Sächsischen Fußball-Verbandes (SFV) oder die Qualifizierungsbeauftragten des Verbands. Gelegentlich sitzen andere Personen bei. Wie die LZ erfuhr, gab es seitens der Beisitzer, die zum Beispiel im Rahmen ihrer Ausbildung zum Fußball-Lehrer die Gespräche mitverfolgen, auch schon Kritik am Fragestil und an der Sinnhaftigkeit der Bewerbungsgespräche in ihrer Form.
Bewerber seien zu detailliert befragt worden, irrelevante Themen hätten dominiert. Dasselbe gilt auch für den Maßstab bei den fußballerischen Fähigkeiten, welcher zu hoch angesetzt werde. Über den Bewertungsmaßstab schweigt sich der Verband wie erwähnt aus. Wo Schüler ein Recht auf eine transparente Bewertung haben, kann es sich der Ausbilder hier leisten, zu schweigen.
Ähnlich verhält es sich im Lizenzkurs selbst. 10 bis 20 Prozent schaffen die B-Lizenz-Prüfung nicht beim ersten Anlauf, nur 25 bis 30 Prozent erreichen die Punktzahl, die für die nächsthöhere Lizenzstufe, die DFB-Elite-Jugend-Lizenz, nötig ist. Die Abschlussprüfung besteht aus mehreren Komponenten.
Die Teilnehmer werden hinsichtlich ihrer praktischen Fähigkeiten bewertet, wobei nach LZ-Recherchen das Ergebnis schon vor dem Kurs feststeht: Wer höherklassig gespielt hat, auch wenn das zehn oder zwanzig Jahre vorbei ist, bekommt automatisch bessere Punktzahlen, die reinen fußballerischen Fähigkeiten sind im zweiwöchigen Kurs nicht mehr Bewertungsgegenstand.
Außerdem müssen die Teilnehmer an einem Wochenende fünf Wochen nach dem Kurs drei Klausuren schreiben, einen Trainingsausschnitt unter Aufsicht leiten und eine mündliche Prüfung ablegen. Seine korrigierten Klausuren darf niemand einsehen. „Für einen Familienvater und Arbeitnehmer ist das eine viel zu große Last. Und dann wirst du noch bestraft, wenn deine Übung drei Meter zu weit in der Mitte gemacht wird“, so ein Teilnehmer zur LZ. Wer durchfällt muss den entsprechenden Teil noch einmal ablegen.
Auch über den Organisationsstress lassen sich Teilnehmer aus. Ein Kurs ist auch schon eine Woche vor Beginn abgesagt worden, weil der Qualifizierungsbeauftragte Unterlagen von einzelnen noch nicht erhalten hatte. Die Teilnehmer beschwerten sich mit Hilfe Ihrer Vereine, gaben an, dass sie schon lange für den zweiwöchigen Kurs Urlaub eingereicht hatten. Letztlich fand der Kurs auf Druck von Lok und RB Leipzig doch noch statt.
Der Verband befindet sich im Zwiespalt, einerseits gibt es eine hohe Nachfrage und viel Bedarf an qualifizierten Trainern, andererseits ist jeder qualifizierte Trainer mehr auch ein potentieller Konkurrent. Dazu passt, dass SFV-Pressesprecher Alexander Rabe die Frage, ob der Verband bei der Qualifikation für die DFB-Elite-Jugend-Lizenz eine Quote erfüllt, nicht kommentieren möchte.
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