Für FreikäuferLZ/Auszug aus Ausgabe 53Seit 2015 beschreitet die Hansestadt Bremen juristisches Neuland. Per Gesetz verpflichtete die Bürgerschaft die Deutsche Fußball Liga (DFL), sich an den Mehrkosten für die Polizeieinsätze bei Sicherheitsspielen zu beteiligen. Der Ligaverband klagt gegen die umstrittene Neuregelung. Bisher ohne Erfolg.
In Bremen müssen sich Ausrichter von Großveranstaltungen mit über 5.000 Besuchern an den Kosten von Polizeieinsätzen beteiligen, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld zusätzliche Beamte eingesetzt werden müssen. Die Regelung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes ist neutral formuliert, adressiert allerdings primär die Fußballverbände DFB und DFL. Die Politik hatte bei Verabschiedung der Novelle vor allem die jährlichen Nordderbys zwischen dem SV Werder und dem HSV im Blick, die nicht selten von Gewalttätigkeiten der rivalisierenden Fanlager überschattet sind.
Nach dem Aufeinandertreffen der Clubs am 19. April 2015 erließ die Hansestadt einen ersten Kostenbescheid. Mit 425.718 Euro soll sich die DFL an dem Polizeieinsatz rund ums Spiel beteiligen. „Wir sehen nicht ein, dass die enormen Polizeikosten, die mit der Durchführung der Bundesliga verbunden sind, allein vom Steuerzahler getragen werden“, argumentierte seinerzeit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).
Der Ligaverband sieht in dem Vorgehen der Bremer einen Dammbruch. Der Fußball sei nicht Verursacher der Gewalt an den Spieltagen. Die Umverteilung der Kosten führe nicht zur Reduzierung der Polizeieinsätze. Das Gewaltmonopol liege außerdem beim Staat, der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu sorgen habe. „Hierfür zahlen zu müssen, entspricht nicht unserer Rechtsauffassung“, ließ DFL-Präsident Reinhard Rauball wissen.
Eine Kostentragungspflicht würde für die Bundesliga erhebliche wirtschaftliche Einbußen bedeuten. Für einen Markt, der seit Jahren boomt, könnte die flächendeckende Einführung einen Dämpfer bedeuten. In der Saison 2016/17 erzielten die 36 Erst- und Zweitligisten einen Rekordumsatz von über 4 Milliarden Euro. Nach DFL-Angaben handelte es sich um die 13. Bestmarke in Folge. Allerdings gehören Gewalt und Scharmützel vielerorts zum Fußball dazu. Gewalt ist Teil des Selbstverständnisses vieler Fankurven. Insbesondere im Osten existiert kaum eine Fanszene, die sich neben der Liebe zum Verein nicht auch durch martialische Ästhetik und etwas Gewalt selbstdefiniert.
Für die Polizei bedeutet dieses Phänomen vor allem eines: Tausende Einsatzstunden. Jedes Wochenende.
Unstrittig ist, dass das Milliarden-Business Profifußball ohne die umfangreichen Polizeieinsätze hierzulande nicht stattfinden könnte. Außer Frage steht, dass der Fußball auf Seiten der Polizei umfangreiche personelle Ressourcen bindet, die andernorts fehlen. Juristisch stellt sich das Problem, ob der Staat vor diesem Hintergrund berechtigt ist, die Kosten für die Anti-Krawall-Einsätze anteilig auf die Veranstalter umzulegen, die sich an den Events bereichern. Die Frage ist in der Fachwelt höchst umstritten. Während die Bremer Verwaltung munter weitere Gebührenbescheide verschickt, bemüht sich die DFL, das Gesetz auf dem Rechtsweg zu stoppen.
Das Bremer Verwaltungsgericht hatte der DFL im Mai 2017 Recht gegeben. Das Oberverwaltungsgericht jedoch kippte die Entscheidung. Mit Urteil vom 5. Februar 2018 entschieden die Richter, die maßgebliche Vorschrift sei verfassungsgemäß und mit der Finanzverfassung des Grundgesetzes vereinbar. Dass der Staat die Polizeieinsätze weiterhin kostenfrei erbringen könnte, sei rechtlich unerheblich. Zu befinden, ob eine amtliche Leistung nur noch gegen Gebühr erbracht werde, sei von der politischen Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt.
Die Richter widersprachen der DFL auch dahingehend, dass staatliche Kernaufgaben nur über Steuern finanziert werden dürften. Dieser Rechtssatz finde sich in der Rechtsprechung gerade nicht. Das letzte Wort ist damit noch nicht gesprochen. Der Ligaverband kündigte umgehend Revision an. Die nächste Instanz ist nun vermutlich noch in diesem Jahr das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sollte das Bremer Urteil dort Bestand haben, bliebe dem Profifußball noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht.
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