Beim 101. Leipziger Derby hat es keinen Sieger gegeben. Vor 6.381 Zuschauern - darunter 1.200 Chemie-Fans - waren die Gastgeber das aktivere Team, hatten drei große Möglichkeiten, die Führung zu erzielen. Die Gäste warfen kämpferische Tugenden und viel Theater dagegen, blieben offensiv aber harmlos. Schiedsrichter Henry Müller aus Cottbus agierte umsichtig und bewies Anfang der zweiten Halbzeit viel Geduld, als das Spiel mehrmals gestört wurde.
Die fußballerischen Leckerbissen des zweiten Derbys im Jahr 2017 sind schnell abgehandelt. Für Chemie ballerte Manuel Wajer Mitte der zweiten Halbzeit aus 25 Metern stramm über den Querbalken, beim 1.FC Lok stand vor allem Djamal Ziane im Mittelpunkt.
Der Torjäger konnte Julien Latendresse-Levesque nach neun Minuten im eins gegen eins nicht überwinden und verschoss einen Abpraller nach 75 Minuten freistehend zu hektisch. „Kein Vorwurf an Djamal, er schleppt sich seit Wochen mit einer Verletzung rum und muss immer zwei Tage pausieren“, nahm Scholz Ziane in Schutz.
Der Chemie-Torwart hatte unmittelbar zuvor schon gegen Gottschick pariert und einen Malone-Strich aus dem Angel gefingert. Außerdem glänzte der Franco-Kanadier schon in der zweiten Minute, als er einen Misch-Kopfball über die Latte lenkte. „Latte war heute natürlich hoch motiviert, den Punkt festzuhalten“, kommentierte Trainer Dietmar Demuth die Leistung seines Schlussmanns.
Die Geschichte dieses 101. Derbys hat damit zwangsläufig mit dem Mann aus Quebec zu tun, der vor der Saison für 6.000 Euro von Probstheida nach Leutzsch gewechselt war. Per Handschlag hatten sich die Vereine darauf geeinigt, dass er in keinem der diesjährigen Derbys spielen soll.
Doch Chemie-Trainer Demuth ließ am Montag die Bombe platzen, kündigte an, Latendresse-Levesque ins Tor zu stellen, weil Vertreter Marcus Dölz berufsbedingt nicht voll mittrainieren konnte und deshalb passen müsse. Dennoch: Dölz saß als Ersatztorhüter quietschfidel auf der Bank. Demuths moralischer Absacker ward zum Punktgaranten für die Leutzscher.
Die Gäste hatten bisher nur acht Saisontore erzielt und verrammelten zuallererst ihr Tor. Lok tat sich gegen die fünf bis sechs Mann auf einer Linie besonders in der ersten Halbzeit schwer, agierte ungenau und umständlich. Chemie reichten drei, vier Konterversuche in der Lok-Hälfte.
Stattdessen gab es beidseitig viel auf die Socken. Schiedsrichter Henry Müller aus Cottbus drückte wahrscheinlich zu oft auf beiden Seiten ein Auge zu und ließ auch viel Theater an der Auslinie zu. „Wer hier einen fußballerischen Leckerbissen sehen wollte, der war hier falsch“, so Demuth. „Wir haben das gemacht, was wir können: kämpfen.“
Und geschickt Theater machen. Der Oldie blockierte auch mal einen Einwurf, verschleppte das Lok-Spiel, indem er Bälle nicht aushändigte und kommentierte jede Schiedsrichter-Entscheidung, die zuungunsten seiner Mannschaft ausfiel. Absolut unschön allerdings: Bei der Pressekonferenz wurde Demuth mit Bier übergossen und wollte daraufhin den Raum verlassen.
Die zahlreichen Lok-Fans konnten den Trainer überreden, zu bleiben. Unter dem Applaus der Gastgeber kam Demuth zurück aufs Pult und kommentierte lapidar: „Bier und Frust gehören dazu“. Sein Gegenüber bat mehrfach um Entschuldigung und war mit dem Ergebnis nicht unzufrieden. „Klar wollten wir gewinnen, aber wir haben diese Saison vier Punkte gegen Chemie geholt. Das ist okay“.
Das Spiel wurde begleitet von viel Pyrotechnik, Polizei und einer Spielunterbrechung. Mehr darüber in diesem Artikel.
Die Statistik zum Spiel:
www.fussball.de/spiel/bsg-chemie-leipzig-1-fc-lokomotive-leipzig/…
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