In den vergangenen Jahren haben sich Fans von RB Leipzig vor allem mit Spruchbändern und Choreographien gegen Homophobie positioniert. Seit dem 25. Juni existiert nun ein schwul-lesbischer Fanclub namens RainbowBulls. Nach eigenen Angaben handelt es sich um den ersten dieser Art in Mitteldeutschland. Mittlerweile haben die RainbowBulls schon 26 Mitglieder. Im Interview mit L-IZ.de äußert sich Pressesprecher Rüdiger Harr zu den ersten Reaktionen in der Fanszene, bisherigen Aktivitäten und einer Fanfreundschaft mit Anhängern des FC Schalke 04.
Welche persönlichen Erfahrungen mit Homophobie haben Sie oder andere Mitglieder des Fanclubs in Fußball-Stadien gemacht – sowohl auswärts als auch daheim?
Glücklicherweise waren wir soweit ich weiß bisher keinen direkten homophoben Anfeindungen ausgesetzt. Das ist natürlich nicht repräsentativ. Wir sind ja noch ein sehr junger und relativ kleiner Verein. Außerdem waren die wenigsten – etwa durch entsprechende Fanbekleidung – äußerlich oder durch ihr Verhalten einer bestimmten sexuellen Orientierung zuzuordnen. Dumme Sprüche wie „Der spielt ja wie ‘ne Schwuchtel“ oder Ähnliches gab es aber schon immer mal wieder. Man fragt sich dann, ob das einfach Gedankenlosigkeit ist oder ob doch mehr dahintersteckt.
Homophobie war in den vergangenen Jahren auch bei RB Leipzig ein Problem. Der ehemalige Cheftrainer Peter Pacult beschimpfte einen gegnerischen Spieler als „schwule Sau“ und einige Fans sangen mehrmals abwertend „Schwulenliebe ist okay, Erfurt, Lok und HFC“. Wie beurteilen Sie diese Vorfälle?
Dass es im Fußball manchmal etwas rauer zugeht und man nicht alles, was im Spiel und im Stadion gesagt oder gerufen wird, überbewerten darf, ist klar. Aber die Grenze ist dort überschritten, wo Menschen etwa wegen ihrer sexuellen Orientierung, Hautfarbe oder Herkunft beleidigt und diskriminiert werden. Homophobe Beschimpfungen haben auch im Stadion nichts zu suchen. Das geht gar nicht und das muss man auch ganz klar verurteilen, egal von wem solche Äußerungen kommen.
Engagieren sich die Fans und der Verein als Ganzes ausreichend gegen Homophobie?
Das Thema ist für die meisten bisher allenfalls ein Randthema. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Problematik in Leipzig noch nicht so sehr im Fokus stand. Auch für den Verein selbst ist ein schwul-lesbischer Fanclub ja etwas Neues. Wir wollen für das Problem der Homophobie und Diskriminierung im Fußball stärker sensibilisieren und haben auch schon etwas erreichen können. Allein das mediale Echo auf unsere Gründung war überraschend groß.
Aber schließlich haben wir zumindest in Mitteldeutschland auch eine Vorreiterrolle. Dessen sind wir uns bewusst. Wir hoffen jetzt auf eine Anerkennung als offizieller Fanclub von RB Leipzig. Das wäre eine formale Aufwertung, die uns den Rücken stärken und uns als Fanclub noch attraktiver machen würde. Mehr Mitglieder bedeuten auch mehr Möglichkeiten und mehr Gewicht.
Oft liest und hört man, dass „Politik“ nicht ins Stadion gehöre, was meistens gleichbedeutend ist mit der Forderung, im Umfeld eines Fußballspiels die vielfältigen Diskriminierungen in Sport und Gesellschaft nicht zu thematisieren. Was würde passieren, wenn man dieser Forderung nachkäme?
Für konkrete politische Äußerungen und Positionierungen gibt es vielfältige Möglichkeiten. Das Stadion und der Fußballplatz sollten dem Sport vorbehalten bleiben. Das heißt aber nicht, dass das rechtsfreie Räume sind, gerade wenn es um Diskriminierung auf dem Platz und der Tribüne geht.
Die Stadionordnung von RB Leipzig verbietet rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische, extremistische, gewaltverherrlichende, diskriminierende sowie jegliche Form von politischen Äußerungen und Parolen. Verboten sind auch die Verbreitung von Spruchbändern und Transparenten mit rassistischen, sexistischen, homophoben oder jeglicher anderer Art diskriminierender Äußerungen. Das kann man durchaus als Statement gegen Diskriminierung ansehen.
Eine Tabuisierung des Themas würde das Problem nicht aus der Welt schaffen und nur denen Raum geben, die ihr intolerantes Weltbild auch in den Fußball hineinbringen wollen.
Wie haben die Vereinsführung und andere RBL-Fans beziehungsweise -Fanclubs auf die Gründung der RainbowBulls reagiert?
RB Leipzig hat sehr positiv reagiert und uns auch öffentlich über die sozialen Medien willkommen geheißen. Wir stehen in gutem Kontakt zu den Fanbetreuern, die uns schon seit der Gründungsphase immer wieder unterstützt haben. Das hat uns sehr geholfen. Von anderen Fanclubs und auch von zahlreichen Fans, darunter auch sehr viele Frauen, haben wir ebenfalls positive Rückmeldungen bekommen. Darüber haben wir uns sehr gefreut.
Wir verstehen uns als Teil einer großen bunten Fangemeinschaft von RB Leipzig. Das gefällt aber leider nicht allen. Es gab auch ein paar negative und abwertende Äußerungen. Aber die bestärken uns nur darin, dass unsere Gründung richtig und notwendig war.
Am vergangenen Wochenende waren Vertreter der RainbowBulls bei einem Treffen des „Queer Football Fanclubs“-Zusammenschlusses in Dortmund. Normalerweise reagieren viele Anhänger anderer Vereine ablehnend auf RBL-Fans. War es diesmal anders?
Wir waren zum ersten Mal bei einem solchen Treffen vertreten. Da fehlt uns natürlich der Vergleichsmaßstab. Wir hatten die Aufnahme in den QFF beantragt und es ging dann bei dem Treffen auch um unsere Aufnahme. Die erfolgte einstimmig. Das sagt eigentlich alles. Und es zeigt, dass es auch anders geht. Anschließend haben uns auch öffentlich schwul-lesbische Fanclubs anderer Bundesligavereine beglückwünscht.
Schon seit Saisonbeginn gibt es übrigens eine Fanfreundschaft mit dem Fanclub Regenbogenknappen von Schalke 04. Die brennen für ihren Verein so wie wir für RBL. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen in Leipzig. Man kann sagen: getrennt in den Farben, gemeinsam für einen diskriminierungsfreien, friedlichen Fußball.
Die RainbowBulls wollen nach eigenen Angaben nicht nur ein schwul-lesbischer Fanclub sein, sondern sich zudem aktiv gegen Diskriminierung engagieren. Wie genau soll das passieren?
Wir stehen da noch ziemlich am Anfang. Begonnen haben wir kurz nach unserer Gründung mit einem Infostand beim diesjährigen Christopher-Street-Day in Leipzig, übrigens auch mit Unterstützung von RBL und durch die Fanbetreuer. Die Resonanz war überraschend groß, nicht nur bei Schwulen und Lesben. Wir haben gute Gespräche über Homophobie und Diskriminierung im Fußball führen können. Die Mitarbeit im QFF ist sicher ein wichtiger Schritt. Die öffentliche Präsenz ist es auch – nicht nur auf sozialen Medien, sondern auch im Stadion.
Unser Banner hängt gut sichtbar im D-Block. Wir haben uns auch um eigene Fanbekleidung gekümmert. Sichtbar zu sein als Teil der Fans ist wichtig. Wir wollen nichts Besonderes sein, sondern zeigen, dass es uns gibt und dass wir dazugehören. Das soll anderen Mut machen, sich nicht zu verstecken. Wenn es Probleme geben sollte, werden wir Betroffene unterstützen. Aber natürlich wollen wir uns auch der klassischen Mitgliederarbeit widmen. Schließlich sind wir ein Fanclub von RB Leipzig und mit Leidenschaft dabei. Dazu gehören auch regelmäßige Treffen und der Support für RBL.
Welche Voraussetzungen muss eine Person erfüllen, um sich den RainbowBulls anschließen zu können?
Man muss mindestens 16 Jahre alt sein, unsere Vorstellungen von Toleranz und Antidiskriminierung teilen und sich in den Fanclub aktiv einbringen. Das kann auf vielfältige Weise passieren. Nicht alle können immer im Stadion sein oder haben Dauerkarten. Der Fanclub lebt von den Ideen seiner Mitglieder. Die sexuelle Orientierung spielt überhaupt keine Rolle. Wir haben auch heterosexuelle Mitglieder. Was zählt, ist gegenseitige Akzeptanz und Respekt.
Und natürlich muss man Fan von Rasenballsport Leipzig sein. Im Stadion sind wir bisher in den Blöcken A und D vertreten und an unserem Logo auf den Fanclubshirts erkennbar. Einfach ansprechen. Wir freuen uns über Unterstützung und neue Mitglieder.
Weitere Infos gibt es auf https://www.rainbowbulls-leipzig.de/ und auf der Facebookseite des Fanclubs.
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