Die antirassistische Ultragruppierung „Red Aces“ bezieht wieder einmal Stellung gegen ihren eigenen Verein – und gegen Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz. Dieser hatte in einem Interview ein angebliches „Meinungsdiktat“ beklagt und über ehrenamtliche Unterstützer von Geflüchteten gespottet. Die Kritik der „Red Aces“ stößt innerhalb der Leipziger Fanszene jedoch auf heftigen Widerspruch.
Die Beschwerden über ein angebliches „Meinungsdiktat“ linksliberaler Eliten und die Behauptung, viele Unterstützer von Geflüchteten seien in Wahrheit nur Heuchler, sind zentrale Bausteine des gegenwärtigen Rechtspopulismus. Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hat sich kürzlich in einem Interview mit der österreichischen Regionalzeitung „Kleine Zeitung“ dieser bedient.
Darin sagte er unter anderem: „Ich rede über Fakten, und ich rede über Scheinheiligkeiten. Ich rede darüber, dass keiner von denen, die ‚Willkommen‘ oder ‚Wir schaffen das‘ gerufen haben, sein Gästezimmer frei gemacht oder in seinem Garten ein Zelt stehen hat, in dem fünf Auswanderer wohnen können.“ Quasi der Klassiker aller Asylgegner, welche mit diesen Vorwürfen das oft ehrenamtliche Engagement vieler Menschen versuchen zu diskreditieren.
Insbesondere gegen diese Vorwürfe wendeten sich anschließend mehrere Unterzeichner eines Offenen Briefes, die in Salzburg Geflüchtete unterstützen: „Mit dieser Aussage, die nicht nur falsch, sondern auch in höchstem Maße zynisch ist, verhöhnen Sie jene Menschen, die sich nun seit fast zwei Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren.“ Zahlreiche Personen hätten Geflüchtete bei sich übernachten lassen und 2015 „monatelang ihre gesamte Freizeit geopfert, um die erschöpften Frischangekommenen in den großen Camps an der Grenze menschenwürdig mit dem Notwendigsten zu versorgen“.
Mittlerweile ist die Kritik an Mateschitz auch im Umfeld seines Fußballvereins Rasenballsport Leipzig angekommen. Bereits in der vergangenen Woche meldete sich Sebastian Krumbiegel zu Wort. Der Sänger der „Prinzen“ ist verantwortlich für die offizielle RBL-Vereinshymne und engagiert sich seit Jahren gegen Rassismus. In einem LVZ-Interview sagte er: „Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin entsetzt und halte die Aussagen von Herrn Mateschitz für ganz schlimm. Das ist auch für den Sport und für RB schädlich.“
Am Wochenende zog dann die antirassistische Ultragruppe „Red Aces“ nach. Beim Auswärtsspiel in Gelsenkirchen präsentierte sie im Gästeblock ein Banner mit der Aufschrift „Der Mäzen des autoritärsten Vereins, welch Witz, nennt sich selbst ein Pluralist“.
Eine ausführliche Stellungnahme zu diesem Spruchband lieferten die Ultras am Dienstag auf ihrem Blog. Darin heißt es: „In AfD-Manier kritisiert der Red-Bull-Chef die nicht frühzeitig erfolgte Grenzschließung und fabuliert über eine vermeintliche Wahrheit, die sich keiner auszusprechen traue.“ Zudem sei das zu Red Bull gehörende „Servus TV“ mittlerweile „augenscheinlicher Haus-und-Hof-Sender der FPÖ“ und biete „Rechtsextremen der ‚Identitären Bewegung‘ eine Plattform“.
Unterstützung erhält Mateschitz hingegen aus der Leipziger Lokalpolitik. CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski schrieb auf Twitter, dass der Österreicher „Richtiges“ gesagt habe. Auf Facebook forderten RBL-Fans, dass sich die Red Aces „aus den Stadien verpissen“, „einen anderen Verein suchen“ und „euer linksversifftes Gedankengut“ woanders verbreiten sollten. Selbst beleidigende Beiträge erhielten viel Zustimmung.
Auch am eigenen Verein und dessen restriktiven Umgang mit politischen Bannern und kontroversen Inhalten üben die Red Aces wiederholt Kritik. Dieser hatte unter anderem vor zwei Jahren zahlreiche gegen Legida gerichtete Spruchbänder verboten. Eine Erlaubnis für eine auf Drogenkonsum anspielende Choreographie, die für das letzte Heimspiel der Saison 2013/14 bereits fertiggestellt war, hatte der Verein kurzfristig zurückgezogen. Damals war ein bekennender Fan von RB Leipzig zum ersten Mal zu Besuch im Stadion: Dietrich Mateschitz.
Es gibt 2 Kommentare
Kritik am Umgang mit der ganzen Situation ist angebracht. Bis heute. Allerdings meinte er in dem Interview wohl etwas anderes. Soweit ich es verstanden hab, wären ihm geschlossene Grenzen lieber. Und die Unterteilung in “echte” und “falsche” Flüchtlinge macht das Bild komplett. Auch wenn er versucht, sich da etwas höflicher auszudrücken. Der Würgreiz bleibt.
Was man in einem längeren Interview so alles sagt, wird anschließend zerpflückt, also aus dem Zusammenhang gerissen, und anschließend werden die Bruchstücke kritisiert.
Wenn Mateschitz sagt, dass beim großen Ansturm der Flüchtlinge unüberlegt gehandelt wurde, dann ist ihm zuzustimmen. Ich meine damit nicht, dass wir sie nicht hätten “hereinlassen” dürfen, aber ich meine, dass wir sie, als sie nun mal hier waren, anders hätten behandeln müssen. Das beginnt damit, dass jeder ohne Pass erkennungsdienstlich behandelt werden muss und endet noch lange nicht damit, dass bis heute keine vernünftigen Regeln für den unverzüglichen Schulbesuch der Kinder oder umfassenden Sprachunterricht für die Erwachsenen geschaffen wurden. Und natürlich werden die Flüchtlinge nie integriert, wenn die Zugangsregeln für eine späte Berufsausbildung auf einen deutschen Lebenslauf geeicht sind und deshalb zu unüberwindlichen Barrieren für Flüchtlinge werden.
Ob Mateschitz es so ausdrückt, wie er es ausdrückt, oder ob ich es ausdrücke, wie ich es ausdrücke: Unser Handeln beim großen Ansturm war unüberlegt und halbherzig. Das gilt auch dann, wenn der Prinz befindet, dass man das auf keinen Fall sagen darf. Das ist mir egal.