LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug aus Ausgabe 41Für die Einen ist es der Teufel persönlich – finster, todbrin­gend und alles vernichtend. Für die Anderen hingegen ist es ein Werk voll wunderbarer gött­licher Perfektion – eine Erleuchtung, der Himmel auf Erden. Es scheint, als gäbe es nur diese beiden Extreme, wenn man das Thema Rasenballsport Leipzig – kurz RB – auf die Tagesordnung ruft. Zwischentöne und eine tatsächliche inhaltliche Diskussion scheinen im öffentlichen Rahmen weder gewollt noch überhaupt existent.

Vier Leipziger Fußballfans wollten sich damit nicht abfinden und hatten im Som­mer 2014 das Blog „zwangsbeglückt. Ein RB-Leipzig-Protokoll“ ins Leben gerufen. „Wir kommen nicht alle aus spezifischen Fanszenen, haben aber Interesse und Lust am Fußball“, erklärt Thomas Schmidt-Lux, einer der vier Mitstreiter. „Die RB-Ge­schichte fanden wir am Anfang bizarr und interessant, doch waren zunehmend unzu­frieden damit und genervt. Das lag auch daran, dass in der Stadt kaum eine ausgewo­gene Berichterstattung dazu stattfindet. So entstand vor zweieinhalb Jahren die Idee, ein Blog zu machen, um die Sache selbst stärker zu begleiten“.

Über Geschehnisse im Fußball haben die vier befreundeten Akademiker schon lange vor der Blog-Idee regelmäßig untereinander diskutiert. Der endgültige Auslöser für den Schritt in die Öffent­lichkeit kam letztlich von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz persönlich. Als RB Leipzig im Mai 2014 auf die Lizenz für die 2. Bundesliga spechtete, bemängelte die Deutsche Fußball Liga (DFL) das zu sehr an das Firmenlogo angelehnte Vereinswappen, die hohen Zutrittsbarri­eren für Vereinsmitglieder und dass die Führungspositionen ausschließlich mit Firmenpersonal besetzt waren.

Dieser zaghafte Widerspruch brachte Mateschitz auf die Palme. In der LVZ vom 08.05.14 wird er mit dem Ausspruch zitiert: „Wir versuchen nach wie vor, einen Konsens mit der DFL zu finden. Aber wir wollen auch niemanden zwangsbeglücken, das haben wir ehrlich gesagt auch nicht notwendig“. Zwangsbeglücken. Zack! Das Blog hatte seinen Namen gefunden.

Weithin sichtbare Zeichen am Zentralstadion in Leipzig. Foto: L-IZ.de
Weithin sichtbare Zeichen am Zentralstadion in Leipzig. Foto: L-IZ.de

Auch wenn Schmidt-Lux und Kollegen bei ihrer Auseinandersetzung mit der Thematik selbst durchaus nicht immer einer Meinung sind, so sind sie bei den drei Hauptkritik­punkten am RB-Projekt d’accord.

Erstens: „Es ist nicht das gleiche wie bei anderen Vereinen, die mehr oder weni­ger potente Sponsoren haben“, erklärt Schmidt-Lux. „Hier ist zum ersten Mal die Reihenfolge umgekehrt worden, indem sich ein Unternehmen einen Verein gebaut hat, anders als bei Wolfsburg, Leverkusen oder Bayern. Das ist von der Qualität her etwas ganz Neues. Das ist eine Art und Weise, bei der wir mindestens skeptisch sind, ob Fußball so funktionieren sollte“.

Zweitens: „Die haben endlos Kohle. Zwar gibt es intern sicherlich ein Budget, aber wenn es sein muss, haben die Geld ohne Ende. Das ist etwas, das den Wettbewerb verzerrt“.

Drittens: „Es sind undurchschaubare, unde­mokratische Strukturen“, so der 42-jährige Soziologe. „Nach wie vor kommt keiner richtig in den Verein rein. Keiner weiß wirklich, welche Rolle Red Bull im Tagesge­schäft spielt. Es wird bewusst kleingehalten. Mir leuchtet ein, dass Mitsprache irgendwie nervt, aber so sollte das nicht laufen“.

Ein derart kritisches Hinterfragen schreckte nach dem Start des zwangsbeglückt-Blog einige RB-Anhänger auf

„Da gab es ein paar Diskussionen, die aber schnell wieder zum Erliegen kamen“, erinnert sich Schmidt-Lux. „Es ist schwer, mit den Leu­ten zu diskutieren, und es kommt auch heute noch schnell an den Punkt, an dem sie sich ungerecht behandelt fühlen, uns Neid oder ähnliches vorwerfen, um das es uns aber gar nicht geht. Es ist ein Blog, das RB als ein Beispiel nimmt, das bestimmte Dinge auf die Spitze treibt und in dem wir aber auch ganz allgemeine Sachen diskutieren möch­ten. Deshalb interessiert uns dieses ganze ‚Vereinsbeleidigtsein‘ gar nicht“.

Dass eine solche Art von Vereinskonst­ruktion prinzipiell funktionieren kann, bezweifeln die Blogger nicht. „Aber wie schnell sich so viele Leute vorbehaltlos dahinterklemmen, finde ich bemerkens­wert. Wie vielen es egal ist, wer ihnen was für eine Art von Profifußball bietet, Hauptsache es ist Profifußball und ich kann hingehen“, so der gebürtige Leipziger. „Es bildet sich tatsächlich eine Anhängerschaft, die sich damit identifiziert, die das wirklich als einen Leipziger Verein empfindet und tatsächlich das Gefühl hat, die ganze Sache hätte etwas mit dieser Stadt zu tun. Ich will denen das nicht absprechen, auch wenn ich finde, dass es nicht der richtige Identifikati­onspunkt ist“.

Von Zweifeln an diesem Fußball-Projekt ist auch aus dem hiesigen Rathaus wenig zu vernehmen: „Ich kann verstehen, dass der OBM und die dazugehörigen Leute es als Chance sehen, dass Leipzig jetzt überregional im Gespräch ist, wirtschaftlich davon pro­fitiert und so weiter. Andererseits finden wir die Art und Weise mindestens bedenklich“, mahnt Schmidt-Lux. „Denn man hat nicht das Gefühl, dass da mit RB jemand von außen kommt, mit dem halbwegs auf Augenhöhe verhandelt wird. Sondern man hat das Gefühl, die Stadt macht am Ende jedes Zugeständnis. Da scheint mir eine Überidentifikation vorzuliegen, die uns nicht gefällt. Man hört nicht mal aus anderen Fraktionen irgendeine relativierende Stimme. Man sieht nicht, dass da jemand abwägt und auch mal sagt: Nein, ab dem Punkt machen wir das nicht weiter mit“.

Deshalb werden die kritischen Köpfe ihren Blog auch weiterhin mit den für „zwangs­beglückt“ typischen intelligenten und einem Augenzwinkern verfassten Beiträgen füttern müssen. „Ich würde mir wünschen, dass eine nüchtern sachliche Haltung gegenüber dem Projekt und all dem, was es mit der Stadt macht, an mehr Stellen der Stadtgesellschaft sichtbar wird“, formuliert Thomas Schmidt- Lux das zentrale Wirkungsziel des Blogs.

„Uns nervt an dieser Diskussion am meisten dieses ausschließliche: Wer nicht dafür ist, ist dagegen und ist ewig gestrig oder Traditi­onalist oder hat den modernen Fußball nicht verstanden. Damit macht man es sich sehr einfach. Es muss doch auch differenzierter gehen als nur zu sagen: Das ist doch bei den anderen auch alles so! Das ist das simpelste Argument von allen. Klar ist es woanders auch so, was aber nicht heißt, dass es okay ist“.

Zum Blog “zwangsbeglückt” im Netz

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Die LEIPZIGER ZEITUNG Ausgabe März 2017: Was steht noch drin?

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