Durchwachsener Start ins Punktspieljahr 2017 für den 1. FC Lok. Gegen den FC Oberlausitz Neugersdorf quälten sich die Leipziger zu einem 2:2 (0:1)-Unentschieden. Bis zur 94. Minute reichten den Gästen zwei Torschüsse von Oliver Merkel für einen Sieg in Probstheida. Dann trat Daniel Becker vor 2.671 Zuschauern ein letztes Mal für diesen Sonntag zum Freistoß an - und traf! Die Rettung in höchster Not für ungenaue Gastgeber gegen gut organisierte Oberlausitzer.
Einen gefährlichen Standard in der Nachspielzeit mögen Journalisten eigentlich weniger. Die Spielberichte sind fertig, diverse Optionen für die Schlagzeile sind auch schon final diskutiert, ein Tor würde nur den Sonntagnachmittags-Spaziergang gefährden und zusätzliche Arbeit machen. Daniel Becker scherte sich jedoch wenig darum, trat in „Wir-schaffen-das“-Manier ans 20 Meter vor dem Gäste-Tor befindliche Leder und hatte Glück, dass der Ball von einem Neugersdorfer Kopf abgefälscht im Tor landete. Flückiger im Neugersdorfer Tor hatte schon das Ticket Richtung Mauerecke gelöst, Becker damit sein siebtes Saisontor erzielt.
„Das war ein verdienter Punkt für uns, und aus der Bundesliga von gestern weiß man ja, dass auch in der 97. noch Tore fallen können“, witzelte Lok-Trainer Heiko Scholz. Nach Spielende kickte Linksverteidiger Steven Heßler trotzdem wütend einen Ball Richtung Auswechselbank. Der junge Mann war kurzfristig für Dauer(b)renner Trojandt in die Startelf berufen worden und machte seine Sache gut, verlor kaum einen Zweikampf und gehörte damit zu den wenigen Konstanten im Lok-Spiel.
Zu wenige Spieler riefen im ersten Pflichtspiel im neuen Jahr Normalform ab. Ibold, Georgi, Becker, Ziane und Surma blieben unter ihren Möglichkeiten, Schinke ward schon in der Pause ausgewechselt, engagiert, aber fahrig. „Ich hätte eigentlich fast jeden rausnehmen können, ob Becker, Schinke oder wen auch immer“, so Scholz nach dem Spiel.
Neugersdorf suhlte sich nach dem zeitigen Führungstreffer nach sechs Minuten in der Defensivarbeit, verteidigte im 5-3-2 und zeigte wenig bis keine Konteransätze. „Da haben wir nur verteidigt, damit war ich nicht zufrieden“, kommentierte Neugersdorfs Trainer Vragel da Silva die erste Hälfte seines Teams. So war die Lok-Viererkette nur einmal leicht unter Druck geraten, als über außen Jaroslav Dittrich in den Strafraum eindrang, Surma das Leder abgrätschte und keiner der umstehenden drei Lok-Spieler anschließend den Ball aus dem Fünfmeter-Raum donnerte, Merkel hielt die Hufe hin, murmelte den Ball ins Tor und versalzte damit das Spiel.
Denn Lok hatte keine Idee, wie diese Neugersdorfer Mannschaft zu knacken war. Mit Georgi, Gottschick, Ziane und Schinke schoben gleich vier Spieler bei eigenem Spielaufbau auf die Fünfer-Abwehrkette des FCL hoch, die Mitte ließ Leipzig allerdings vollkommen verwaist, ohne jemanden für zweite Bälle oder als Spielverlagerer. „Es war enorm schwer, Neugersdorf hat nicht umsonst die drittbeste Abwehr der Liga“, gab Scholz auf die taktische Varianten angesprochen zu bedenken.
Dennoch: Wenn Lok einmal den Ball in dieser Region rund um die Fünfer-Abwehrkette bekam, war niemand da, um das Spiel zu verlagern oder einen Ball in den direkten Rückraum anzunehmen. Im Umkehrschluss bedeutete das: lange Bälle nach vorn und hoffen auf einen Geistesblitz von Nils Gottschick, der sich allerdings stets von vier oder fünf Spielern unter Druck gesetzt sah.
Doch einmal knackten die Hausherren dieses Bollwerk doch und zwar mit dem fußballtypischsten Offensivmannöver: Der zur Pause eingewechelte Brüggmann und Georgi spielten vor dem Sechszehner einen Doppelpass, Ziane erhielt tief den Ball und schob ein. Das Spiel schien sich nun zu wenden. „Mit den Zuschauern im Rücken dachte ich schon, dass wir auf der Gewinnerstraße waren“, offenbarte auch Scholz.
Doch Merkel schlug wieder zu, traf aus zehn Metern sehenswert. „Das war schon zu 100 Prozent effektiv“, so da Silva über seine Offensive. Dass die weniger effektive Lok-Elf, die mit teilweise aktionistischen Läufen und Spielzügen, Fehlabspielen und Ungenauigkeiten doch noch zum Ausgleich kam, war für beide Trainer verdient. „Aber für den Gäste-Trainer ist das schon scheiße“, tastete sich Scholz fäkal in die Gedankenwelt des brasilianischen Gegenübers vor.
Nach dem Spiel gab es trotzdem Grund zum Feiern. Professor Dr. Karl Drößler wurde im VIP-Raum zum 80. Geburtstag beglückwünscht, zog plötzlich (fast) blank und präsentierte sein Ehrentrikot mit der Rückennummer 80. Drößler wird sicher wie auch Frenzel und Co kommenden Freitag, 18:30 Uhr gegen den SV Babelsberg im Stadion sein – und sich wenig stören, wenn aufgrund eines Lok-Tores die Schlagzeile noch mal geändert werden muss.
Die Statistik zum Spiel:
www.fussball.de/spiel/1-fc-lokomotive-leipzig-fc-oberlausitz-neugersdorf/…
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