Beim 1. FC Lok ist weiterhin Bewegung. Der Verein steigerte seine Mitgliederzahl binnen sechs Monaten um 20 Prozent, 4.000 ehrenamtlicheArbeitsstunden wurden in der vergangenen Saison für das Gelände erbracht und wenn alles gut läuft, tragen die Lok-Spieler bald einen Meisterstern auf der Brust. Nur: Der Club hat das zweite Jahr in Folge Verlust gemacht. Ziel war eigentlich eine schwarze Null. Die Finanzdecke bleibt weiter dünn und entspricht laut Aufsichtsratschef Olaf Winkler nicht dem Bekanntheitsgrad des Clubs.
2.192 Mitglieder wären am Freitagabend berechtigt gewesen, bei der turnusmäßigen Mitgliederversammlung des 1. FC Lok Leipzig ihr Stimmrecht wahrzunehmen. Es kamen am Ende 229. Soviel Zündstoff bot die Veranstaltung im Vorfeld nicht. ETL-Chef und Hauptsponsor Franz-Josef Wernze wünschte also vollkommen grundlos „eine friedliche Mitgliederversammlung“ per Videobotschaft. Im Gegenteil: Als Jens Kesseler verkündete, dass es auch im zweiten Jahr in Folge nichts mit einer schwarzen Null geworden ist und der Verein auch im letzten Jahr rund 200.000 Euro Verlust gemacht hat, blieb es im „Pavillon der Hoffnung“ auf dem Alten Messegelände ruhig. Kein Widerspruch regte sich.
Wahrscheinlich einerseits, weil die Vereinsgremien großes Vertrauen genießen und der Verlust plausibel erklärt wurde. „Ex-Präsident Notzon mussten wir ein noch vor seinem Rücktritt im Jahr 2013 geleistetes Darlehen zurückzahlen. Siegfried Axtmann wollte ein Darlehen aus dem Jahr 2006 wieder ausgelöst haben, und wir konnten kein Mitglied des alten Präsidiums für die entstandenen Schäden vor unserer Amtszeit in Haftung nehmen. Das Oberlandesgericht sah es nicht als grob fahrlässig an, dass unter den Vorgängern ein Jahr lang keine Buchhaltung erfolgte.“
Wahrscheinlich andererseits aber auch, weil das Gesamtpaket stimmt. „Lok wird wahrgenommen als ein Club mit verbessertem Image, das Verhältnis zur Stadt, zum Land und zu den Verbänden stimmt“, verkündete der Lok-Präsident, sah aber auch noch „viel Luft nach oben bei der Finanzkraft.“
Dabei hat Lok schon die Einnahmen aus dem Merchandising verdoppelt, große Erlöse aus dem Catering erzielt. „Unser Ziel ist es nun, den Verlust in dieser Saison zu halbieren. Sparen können wir derzeit nur an der Mannschaft. Es ist allerdings auch immer schwer, einerseits konkurrenzfähig zu bleiben und gleichzeitig jeden Euro umdrehen zu müssen. Wir brauchen mehr überregionale Sponsoren, mehr Mitglieder und im Schnitt 1.000 Zuschauer mehr, um unsere Ziele zu erreichen.“
Applaus erntete Kesseler für die Entscheidung, sich vom ehemaligen Sportdirektor Mario Basler zu trennen und geriet ins Stocken, als er auf den tragischen Unfall-Tod des langjährigen Spielers, Nachwuchstrainers und Idols Eric Eiselt zu sprechen kam. Die anwesenden Mitglieder würdigten Eiselt mit Standing Ovations.
Erst nach zwei Stunden war der zweite Tagesordnungspunkt – der Bericht des Präsidiums – abgeschlossen. 17 (!) weitere sollten noch kommen, bis 23:15 Uhr mussten die Mitglieder ausharren, um über eine historische Entscheidung zu beraten. Das letzte verbliebene Mitglied des eigentlich in Abwicklung befindlichen VfB Leipzig, Dirk Sander, stellte zusammen mit Aufsichtsratsmitglied Jens Peter Hirschmann den Antrag, das Präsidium des 1. FC Lok möge eine Fusion mit dem VfB Leipzig vorbereiten.
Ursprünglich sollte der einst mit 6 Millionen Euro verschuldete VfB aus dem Vereinsregister gelöscht werden. Nun stehen die Chancen sehr gut, dass er mithilfe eines Insolvenzplans gerettet werden kann und anschließend mit dem 1. FC Lok fusioniert. Die meisten der anwesenden Mitglieder waren elektrisiert, obgleich kritische Nachfragen nicht ausblieben. „Mich würde interessieren, wie viel uns die Fusion kostet, denn ich habe Angst, dass es Lok so wie dem VfB ergeht“, fragte ein Mitglied.
„Um den Insolvenzplan bei den Gläubigern durchzubekommen, muss dieser für sie reizvoller als eine Löschung aus dem Vereinsregister sein. Ich denke, wenn wir ihnen ungefähr 10.000 Euro zusätzlich anbieten, sollte das funktionieren“, gab VfB-Insolvenzverwalter Friedbert Striewe Auskunft.
Doch das reichte dem Mitglied nicht. „Ich fordere eine außerordentliche Mitgliederversammlung, um darüber abzustimmen.“ Allerdings wird es die sowieso geben, denn mit dem Antrag wurde nur das Präsidium beauftragt, eine Fusion vorzubereiten. Über die tatsächliche Vereinigung von Lok und VfB und der damit einhergehenden Schließung der Traditionslinie zwischen beiden Vereinen wird – wie schon bei der Lok-Fusion mit dem SSV Torgau – eine außerordentliche Mitgliederversammlung entscheiden.
Letztlich stimmten genau 200 Mitglieder für den Antrag, nur zwei waren dagegen. „Erster deutscher Meister, erster deutscher Meister, erster deutscher Meister – VfB“, schallte es fortan durch den „Pavillon der Hoffnung“, denn durch eine Fusion hätte Lok Anspruch auf einen Meisterstern, der laut DFB-Statut jedem Club zusteht, der mindestens drei Meistertitel gewonnen hat. Bei einer spontanen Spendenaktion kamen schon 1.500 Euro für die quasi Rettung des VfB zusammen.
„Ein historischer Moment“, befand Präsident Jens Kesseler, der anschließend geschlossen mit Aufsichtsrat, Präsidium und Geschäftsführern gegen die Wiedereinführung der Nummerngirls bei Heimspielen des 1. FC Lok stimmte. „Wir wollen anders sein, das macht uns aus“, sagten die einen. „Nummerngirls, das war 2004. Wir haben jetzt 2016 und wir wollen was darstellen“, sagten die anderen. Die Ära der schon im Sommer verabschiedeten Nummerngirls endete schließlich mit 41 Ja- zu 129 Nein-Stimmen.
Wie schon im letzten Jahr wurde die Veranstaltung erst nach Mitternacht geschlossen. Neben den aktuellen Berichten der Vereinsgremien mussten dieses Jahr alle Entscheidungen der letzten MV wiederholt werden. Dem Verein wurde im Herbst vom Vereinsregister mitgeteilt, dass aufgrund eines Formfehlers – der Verein hatte per Homepage eingeladen, in der Satzung steht aber „in Textform“, was laut Vereinsregister nicht dasselbe ist – alle Entscheidungen der Vorjahres-MV nichtig sind.
2016 entschieden die Mitglieder nun über eine Satzungsänderung, die diesen Formfehler aus der Welt schafft. Außerdem: Der 2015 gewählte Aufsichtsrat wurde bei der Wahlwiederholung 2016 wieder ins Amt gewählt und Ex-Präsident Heiko Spauke wurde von den Anwesenden in den Aufsichtsrat der Spielbetriebs-GmbH berufen.
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