Der 1. FC Lok Leipzig ist in das Halbfinale des Sächsischen Landespokals eingezogen. Die Probstheidaer gewannen das Duell beim Oberligisten und Ortsnachbarn BSG Chemie mit 1:0 nach Verlängerung. Im 99. Aufeinandertreffen der beiden Stadtteilvereine im ältesten Stadtderby Deutschlands erzielte Hiromu Watahiki in der 117. Spielminute den Siegtreffer, nachdem die Gastgeber in einem echten Kampfspiel drei große Möglichkeiten und damit auch eine einstündige Überzahl nicht nutzen konnten.
Ein Japaner hat am Ende das Stadtderby zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lok entschieden. Hiromu Watahiki griff nach 117 Minuten zu einem Mittel, das beide Teams fast über die gesamte Spielzeit außer Acht ließen: dem Fernschuss. Sein Ball aus 18 Metern setzte vor Chemie-Torhüter Marcus Dölz unglücklich auf und landete direkt vor den 750 Lok-Fans im Netz. Der Japaner war eigentlich beim Lok-Trainerduo Scholz und Hoppe etwas in Ungnade gefallen, weil die Leistungen zuletzt nicht mehr stimmten. Nun war er der gefeierte Derbyheld. „Es fühlt sich großartig an, so viele Tore schieße ich ja auch nicht“, gab der Mann aus Ibaraki kurz und knapp zu Protokoll.
Aber nicht nur, dass Watahiki selten Tore macht, Lok – immerhin als Regionalligist eine Liga höher als Chemie – hatte im ganzen Spiel nur wenige Möglichkeiten. Die bessere Chancen hatten die Gastgeber, alleine Alexander Bury hätte mit einem starken Kopfball aus Nahdistanz, der von Latendresse-Levesque ebenso stark gehalten wurde, und einem Freistoß aus 20 Metern, der an den Innenpfosten klatschte, nach 95 Minuten die Waage für Chemie neigen können. Aber weder er noch Manuel Wajer, der im Strafraum freistehend aus 11 Metern nur ein Schüsschen zustande brachte, konnten für die Chemiker vor 4.999 Zuschauern einnetzen.
Genau genommen waren das auch die einzigen ernsthaften Torannäherungen beider Teams. Oberligist Chemie investierte die meiste Kraft in die Zweikämpfe und versuchte Lok durch tausendundeine Grätsche den Schneid abzukaufen. Die Gäste kamen anfangs gar nicht mit dem Boden und den Gastgebern klar. Und auch nicht mit den vor allem in der regulären Spielzeit regelmäßig lamentierenden Grün-Weißen, die aus zahlreichen Foulspielen eine Generalversammlung beim Schiedsrichter machten.
Den Höhepunkt erreichte die Lamentier-Wut nach einem unschönen und sinnlosen Foul von Lok-Spieler Steffen Fritzsch, der Chemie-Kapitän Stefan Karau nicht nur von hinten an der Mittellinie mit Schwung weggrätschte, sondern danach auch noch triumphierend posierte. Der souverän leitende Schiedsrichter Jens Klemm wollte erst Gelb zeigen, entschied sich dann aber für Rot. Möglicherweise auch beeinflusst von der Flut an Chemie-Spielern, die im Vollsprint Richtung Mann in Schwarz liefen. Acht Stück an der Zahl versuchten zum einen, Fritzsch die Meinung zu geigen, zum anderen, Klemm ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Ein unwürdiges Schauspiel in einem für ein Derby fairen Fußballspiel mit sechs gelben Karten in 120 Minuten – und eben dieser roten Karte. „Wir wussten, dass es so kommen wird. Das war die einzige Chance von Chemie. Eigentlich wollten wir uns aus diesen Rudelbildungen raushalten, aber das ist natürlich schwer bei so einem Spiel mit diesen Emotionen“, so Lok-Außenverteidiger Ronny Surma, der selbst nach 45 Minuten aus Angst vor einer gelb-roten Karte ausgewechselt wurde.
Sein Ersatz Pascal Ibold belebte sichtlich das Geschäft, reifte mit Robert Zickert und Marcel Trojandt zu den Stützen im Lok-Spiel, während sich die Gastgeber vor allem an Stürmer Andy Müller und Kapitän Stefan Karau aufrichteten, der ebenso wie sein Trainer nach dem Spiel bitter enttäuscht war. Demuth legte sich gar fest: „Heute hat nicht die schlechtere Mannschaft verloren, die Jungs haben gefightet und gekämpft, wie man bei Chemie eben kämpft. Aber es war nicht unbedingt ein Vorteil, gegen 10 Mann zu spielen. Uns hat es eigentlich geschadet.“
Tatsächlich übernahm Lok zehn Minuten nach dem Platzverweis wieder die Initiative und hatte auch mehr Impulse in der zweiten Halbzeit der Verlängerung. Chemie war phasenweise totz 60-minütiger Überzahl körperlich an der Grenze. Mit der Einwechslung von Alexander Bury nahm Demuth noch einmal personellen Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft, was allerdings auf dem schlechten Leutzscher Boden nie wirklich ansehnlich wurde. Lok schien dagegen oft in Schönheit zu sterben, schob, wenn es die Truppe von Heiko Scholz mal in den Strafraum geschafft hatte, immer noch einmal mehr quer als nötig gewesen wäre.
Trotzdem erzielte Lok das eine Tor mehr als der Gegner. „Ob verdient oder unverdient, ist doch morgen schon egal. So glücklich war es aus meiner Sicht nicht. Wir haben sechzig Minuten in Unterzahl gespielt, Chemie hat seit Juni 2015 zu Hause nicht verloren. Wir haben sie geschlagen“, so Scholz. Ganz nebenbei zog Lok auch in das Halbfinale des sächsischen Landespokals ein. Soweit war man zuletzt im Frühjahr 2000. Damals musste der FC Sachsen zum 1. FC Lok. Heiko Scholz ist der Gegner relativ wurscht. „Wir müssen eh den nehmen, der kommt.“ Im Lostopf sind noch die Drittligisten FSV Zwickau und der Chemnitzer FC und der Oberligist Bischofswerda. Einfacher wird es jedenfalls nicht werden.
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