Das Ende des Fanradios, Abschaffung der Nummerngirls, Kartenbeschränkung für Babelsberg. Der Geschäftsführer der Lok-Spielbetriebs-GmbH Martin Mieth muss in diesen Tagen viel Kritik ertragen, noch mehr als sonst. Nicht immer ist sie berechtigt. Der 32-Jährige wird - gleich eines aktuellen Trends - immer wieder für die wenigen negativen Begleiterscheinungen des Clubs verantwortlich gemacht. Warum ist das so und wie wird er da wieder rauskommen?
“Ich dachte, aus Leipzig kommen 1.000 Fans“, enttäuschte sich ein Ordner im Gästeblock des Karl-Liebknecht-Stadions in Babelsberg. Statt 1.000 Fans kamen nur knapp über 100 aus Leipzig. Schon während des Spiels waren Polizeikräfte und Ordner abgezogen worden. Das Gefahrenpotenzial, dass das Spiel im Vorfeld belastete, ging gen Null. Dass nur 101 Karten für den Gästeblock im Vorfeld verkauft worden waren, lag unter anderem daran, dass Lok die Kartenvergabe auf Dauerkarteninhaber und Mitglieder beschränkte – freiwillig.
Einigen Fans war das nicht vermittelbar. „Ich habe davor gewarnt, dass es einen Boykott geben wird“, sagte Fan Mike Erler L-IZ.de diese Woche. Den Schuldigen hatten Fans, allen voran die selbsternannte „Fanszene Lok“, mit dem Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH des 1. FC Lok, Martin Mieth, schnell ausgemacht. Der 32-Jährige ist nebenbei noch Sicherheitsbeauftragter und war bis Ende letzten Jahres Präsidiumsmitglied.
Die Liebesbeziehung zueinander existierte nie, weil Mieth zusammen mit den anderen Präsidiumsmitgliedern Maßnahmen durchsetzte, um Übeltäter aus dem Verein und dem Vereinsumfeld zu verabschieden. Mit den Maßnahmen für das Babelsberg-Spiel hat Mieth auch bei sogenannten Normalos Kredit verspielt. „Die Fans haben dem Verein so viel gegeben und immer wieder investiert. Da kann man nicht welche von ihnen ausschließen. Mein Telefon hat gar nicht mehr stillgestanden, als das klar war“, so Erler, der im Vorfeld mit Martin Mieth gesprochen hatte.
Dass die Vereinsgremien den Vorschlag des Sicherheitsbeauftragten durchwinkten und der Verein im Falle Babelsberg nicht aus freien Stücken, sondern unter Berücksichtigung der Vorfälle aus dem Jahr 2013 handelte, als Personen aus dem Lok-Fanblock und aus dem Babelsberger Fanblock die Zäune überkletterten und handgreiflich wurden, sorgte nicht für Einsicht bei den Kritikern. Das Erkennen von Ursache und Schuldigen erfolgte hier nicht so wie erwartet.
“Verleumdung und Hetze der übelsten Sorte”
Darüber hinaus kommen aus den Reihen der „Fanszene“ schon seit mehreren Heimspielen „Mieth muss weg“-Sprechchöre. Des Weiteren wird ihm von Teilen der Fans vorgeworfen, für die Sperrung der Gegengerade beim Heimspiel gegen Cottbus verantwortlich zu sein. Dass nun beim Sicherheitsspiel gegen RB II die komplette Gegengerade geöffnet ist, ist aus der Sicht einzelner Fans der Verdienst „des Vereins“, die Sperrung gegen Cottbus war aber „die Schuld von Martin Mieth“.
Es ist das Problem des Geschäftsführers, dass er seine Verdienste bescheiden nicht an die große Glocke hängt. Dass Lok zum Beispiel in der vergangenen Saison nicht am letzten Spieltag im Dorf Barleben spielen musste, stattdessen ein Heimspiel hatte oder das Landespokalspiel gegen den FC Lößnitz stattfinden konnte, war unter anderem sein Verdienst. „Martin arbeitet absolut struktuiert und ist konzeptionell stark und das mindestens 60 Stunden die Woche. Er schrubbt Kilometer für Sicherheitsberatungen und andere Veranstaltungen“, so Präsidiumsmitglied Stephan Guth. „Natürlich hat er auch Schwächen, aber da holt er sich immer Fachleute dazu.“
Auch andere Gremienmitglieder stellen sich vor den gebürtigen Nordsachen. Vizepräsident Thomas Löwe lobt Mieths Zusammenarbeit mit Verbänden und Behörden. „, Er ist einer der Vier, die im April 2013 ins Präsidium gegangen sind und ohne die es Lok aus dieser Sicht nicht mehr geben würde. Ich habe ihn als loyalen Menschen und fleißigen Arbeiter kennengelernt, der ein Arbeitspensum abspult, welches man nur leisten kann, wenn man Lok im Herzen trägt.“ Löwe kritisierte zugleich die Art und Weise, wie Mieth in letzter Zeit angefeindet wurde. „Was sich Einige hier rausnehmen, grenzt an Verleumdung und Hetze der übelsten Sorte.“
Drohungen und Aufforderungen zum Rücktritt
Vorläufiger Höhepunkt: Auch für das angebliche Ende des Lokruf-Fanradios wurde Mieth zunächst verantwortlich gemacht, obwohl er bei den Beratungen über die Zukunft des Radios nur einer von vielen Playern war. Trotzdem wurde ihm in einem nicht abgestimmten Facebook-Posting auf der Seite des Internetradios vorgeworfen, zumindest teilweise schuldig zu sein. In 21 der 116 Kommentaren (Stand Dienstag, 13:45 Uhr) wird der 32-Jährige direkt oder indirekt aufgefordert, den Verein zu verlassen und zuweilen auch bedroht.
Mittlerweile hat der Verein offiziell verkündet, dass das Fanradio Lokruf weiter existiert und auf der besagten Facebook-Seite wird dazu aufgerufen, Martin Mieth in Ruhe zu lassen. Viel Lärm um nichts also, aber das Posting zeigt, wie schnell einfache Kausalitäten hergestellt sind. In einem negativen Zusammenhang fällt der Name Mieth und schon ist der Sündenbock gefunden. Dass sich Fans daraufhin bei Martin Mieth via Facebook entschuldigten, geschah zumindest nicht offiziell.
Mit Sicherheit ist der Geschäftsführer nicht fehlerfrei. Die kurzfristige Abschaffung der Nummerngirls stieß bei den Fans des Kultclubs auf wenig Gegenliebe und die Begründung, es lägen Sicherheitsbedenken vor, war wenig glaubhaft. „Ich finde, er ist auch unnahbar und schüchtern“, findet Fan Mike Erler. Mieth ist selbst gegenüber Medienvertretern eher ruhig und kein Rhetoriker, der mit seiner Art Menschen einfängt, mitnimmt und verzaubert. Diese Rolle übernehmen beim 1. FC Lok zurzeit andere und sie liegt auch nicht jedem.
Wie wird man den Status des Sündenbocks los? Mit Offenheit und mit dem Mut, die gelungenen Dinge der eigenen Arbeit herauszukehren, für sich zu werben. Vor allem, wenn Mieth als Sicherheitsbeauftragter eine Reihe unbequemer Entscheidungen treffen muss. Die Rückendeckung von Präsidium und Aufsichtsrat hat der 32-Jährige, trotzdem wird er sich die kommenden Tage noch Anfeindungen gegenübersehen. Beim Spiel in Babelsberg wollte ihm ein Vereinsmitarbeiter aus der Zeit vor 2013 mitten auf der Tribüne des Karl-Liebknecht-Stadions an die Wäsche.
Die ehemalige Schatzmeisterin des 1. FC Lok, Katrin Pahlhorn, war im Prinzip das weibliche Pendant zu Mieth: viel Engagement, viel Arbeit, aber kein guter Stand bei den Fans, weil sie irgendwann in die falsche Schublade geraten war. Am Ende erhielt sie Morddrohungen, weil Gunter Weißgeber, damals Aufsichtsrat, bei seinem Rücktritt Richtung Pahlhorn nachgetreten hat. Ob man das in Reihen der Lok-Fans wieder haben möchte? Es würde gar nicht in die viel gelobte und in den letzten drei Jahren aufgebaute Vereinskultur passen.
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