Gegen Legida und Rassismus gerichtete Spruchbänder haben es bei RB Leipzig nicht leicht. In der Vergangenheit untersagte der Verein seinen Anhängern mehrmals, entsprechende Botschaften ins Stadion zu tragen. Beim kommenden Heimspiel am Sonntag, 8. Mai, möchte sich nun eine Fangruppe mittels Banner mit „Bon Courage“ solidarisieren. Das neue Büro des im Leipziger Umland aktiven Vereins wurde unter der Woche zum Ziel eines Pflastersteinangriffs. Doch RB Leipzig greift erneut zum Verbot – die Aufmerksamkeit soll einzig dem noch möglichen Aufstieg und dem entscheidenden Spiel gelten.
Ausverkauftes Stadion, ein Fanmarsch vor dem Spiel und die Verpflichtung des neuen Trainers Ralph Hasenhüttl unter Dach und Fach – die Voraussetzungen für den entscheidenden Sieg im Aufstiegskampf könnten kaum besser sein. Wenn Rasenballsport Leipzig am Sonntagnachmittag den Karlsruher SC empfängt, werden mehr als 40.000 Zuschauer jeweils ihre Mannschaft lautstark unterstützen, schließlich steht für RB Leipzig das große Ziel Bundesliga direkt vor der Tür. Die gesamte Aufmerksamkeit soll für mindestens 90 Minuten dem Geschehen auf dem Spielfeld gelten.
Für einige antirassistische Fans geht es am Sonntag jedoch um mehr als nur ein volles Stadion, drei Punkte und den möglichen Aufstieg. Die Ultra-Gruppe Red Aces möchte sich zusätzlich mit dem Bornaer Verein „Bon Courage“ solidarisieren. Dieser wurde in der Nacht zu Mittwoch, 4. Mai, Opfer eines Anschlags: Unbekannte warfen Pflastersteine in die Fensterscheiben des neuen Büros und verteilten übel riechende Buttersäure in den Räumlichkeiten. Da sich „Bon Courage“ für Geflüchtete und gegen Diskriminierung engagiert, vermuten Polizei und Verein eine politische Motivation. Der Staatsschutz ermittelt bereits.
Während der Partie gegen den KSC wollen die Red Aces deswegen ein Spruchband präsentieren. Darauf soll zu lesen sein: „Auch nach dem letzten feigen Angriff zwischen Oder und Rhein – unsere Überzeugung bekommt ihr niemals klein – Solidarität mit dem Bon Courage Borna!“ Angriffe in Deutschland und Sachsen seien keine Seltenheit, sagt ein Mitglied der Gruppe, das sich Gustav nennt. „Die Nähe Bornas zu Leipzig und der dortige Angriff auf eine Hilfsorganisation sind allerdings ein Beweggrund mehr, sich öffentlich zu äußern“, so Gustav.
Geht es nach dem Willen von RB Leipzig, wird diese Äußerung am Sonntag zumindest nicht in der geplanten Form stattfinden. Vor zwei Tagen sei den Red Aces von einem Vertreter des Vereins mitgeteilt worden, dass das Spruchband nicht erlaubt werde. Begründet wurde das Verbot angeblich damit, dass es an diesem Tag nur um Fußball und den möglichen Bundesligaaufstieg gehen soll.
Bei Gustav und seinen Mitstreitern stößt diese Erklärung auf Unverständnis: „Der Aufstieg erscheint als ein günstig gelegener Vorwand, um die Problematik unter den Tisch fallen zu lassen.“ Gustav vermutet, dass der Verein in Wahrheit einen Trennstrich zwischen Fußball und Politik ziehen möchte. Dem hält er entgegen, dass das Stadion ein Abbild der Gesellschaft sei. „Dieses sollte mit gemeinschaftlichen und solidarischen Werten gefüttert werden, um die Fans für jegliche Form der Diskriminierung zu sensibilisieren.“
In der Vergangenheit verfolgte RB Leipzig keine klare Linie bei der Genehmigung von Spruchbändern mit gesellschaftspolitischen Inhalten. Banner, die sich gegen Gewalt, Rassismus und Homophobie wendeten, wurden ebenso genehmigt wie die Solidaritätsbekundung für einen schwedischen Ultra, der von rechten Schlägern lebensgefährlich verletzt worden war. Zudem unterstützte der Verein im vergangenen Spätsommer eine von Fans initiierte Aktion, die hunderten geflüchteten Menschen aus verschiedenen Leipziger Unterkünften einen kostenlosen Stadionbesuch ermöglichte.
Auf der anderen Seite haben insbesondere die ultraorientierten Fangruppen immer wieder mit Verboten zu kämpfen. Im Frühling 2014 untersagte der Verein kurzfristig eine bereits genehmigte und erstellte Choreographie unter dem Motto „Durchziehen bis zum Aufstieg“, die auf den Konsum von Drogen anspielte. Später verbot der Verein mehrere gegen die Legida-Kundgebungen gerichtete Protestbanner. Spruchbänder und T-Shirt-Aktionen mit antirassistischer Stoßrichtung fanden dennoch ihren Weg ins Stadion.
Zum neuerlichen Bannerverbot wollte sich der Verein heute nicht äußern. Die gesamte Aufmerksamkeit gilt derzeit offenbar dem wichtigen Spiel am Sonntag und der Verpflichtung von Trainer Ralph Hasenhüttl. Stattdessen äußerte sich Sandra Münch vom Verein „Bon Courage“ gegenüber der L-IZ: „Ich finde es unglaublich wichtig, dass die Fans ein solches Zeichen setzen wollen.“ Die aktuellen Ereignisse in Sachsen nicht zu thematisieren, bedeute auch, sie zu tolerieren. An die Adresse von RB Leipzig richtet Münch einen klaren Wunsch: „Der Verein sollte das nicht verbieten.“
In den vergangenen Tagen habe „Bon Courage“ viel Zuspruch und zahlreiche Spenden erhalten. Die Beratungsgespräche mit Geflüchteten finden trotz des Angriffs statt – vor dem zerstörten Büro. Auf eine symbolische Solidaritätsaktion vor mehr als 40.000 Zuschauern wird der Verein aus Borna aber wohl verzichten müssen.
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