Tolle Kulisse, stimmgewaltige Fans, großer Kampf, aber kein Glück: Der 1. FC Lok ist nach einer ansprechenden Leistung vor 2.821 Zuschauern aus dem Sachsenpokal ausgeschieden. Gegen den Regionalliga-Spitzenreiter FSV Zwickau verlor das Scholz-Team mit 0:1 nach Verlängerung. Der vielbeschworene Klassenunterschied war zu keiner Zeit erkennbar, Lok verteidigte geschickt und lange mit Herz. Zwickau genügten zwei Sprints, um in Probstheida für Aufsehen zu sorgen.
In der 88. Minute riss Oliver Genausch die Initiative an sich und sprintete los. Fünf Meter – bis zum Balljungen, einem Jungen aus der C-Jugendmannschaft des 1. FCL. Ein Teeanger so hoch wie ein Marmeladeneimer. Den hatte sich der Zwickauer Stürmer als Sündenbock auserkoren, wahrscheinlich verantwortlich für den gefährdeten Weltfrieden (welcher Weltfrieden?), für die Griechenland-Krise, für das schlechte Wetter oder möglicherweise sogar für die dürftige Zwickauer Leistung. Genausch verwehrte Einblicke in seine wahrscheinlich in dem Moment eher unzufriedenstellende Gedankenwelt und konnte sich nach seinem Kurzsprint auch noch gerade davon abbringen, dem 13-Jährigen die Flausen Odenwald-like auszutreiben.
Folgen des Zwischenfalls: ein verschüchterter Balljunge, eine zünftige Rudelbildung und das Ende des Arbeitstages für Oliver Genausch. Dabei stand Genausch nicht mal auf dem Spielbericht. Er war nur ein Teil der Zwickauer Reisegesellschaft. Schiedsrichter Jens Klemm schickte ihn aus dem Innenraum. Grund für Genauschs Ausraster: Der angebliche Delinquent hatte einen zweiten Ball ins Feld geworfen nachdem Zwickau schon eingeworfen hatte.
Der Regionalliga-Spitzenreiter bot in Leipzig sonst wenig Erbauliches, ließ sich von der immer stärker werdenden Lok beeindrucken, leistete sich zahlreiche Fehlpässe im Spielaufbau und kam in der gesamten regulären Spielzeit nur zu zwei Torabschlüssen. Ein Ball sauste nach drei Minuten über den Kasten, der zweite landete nach einem Freistoß am Pfosten. „Da hatte Lok so ein Glück wie wir in der ersten Halbzeit“, so Zwickaus Trainer Torsten Ziegner. „Ziege“, wie ihn Freunde nennen, meinte die Chance von Marcel Trojandt, der den Ball ansatzlos aus 25 Metern volley Richtung Tor jagte.
Das Leder sprang vom Pfosten wieder ins Feld zurück. Mehr war in den ersten 45 Minuten nicht, weil Lok nach einer ruhigen Anfangsphase Emotionen aufbaute, vom „fantastischen Publikum“, so Scholz, immer stärker unterstützt wurde und laut Ziegner „beide Mannschaften gegenseitig das Spiel des Gegners zerstörten.“
Je länger das Spiel fortdauerte, umso mehr ließ Zwickaus Spiel nach vorn zu wünschen übrig. Lok gewann immer mehr Zweikämpfe und hätte das Spiel nach 75 Minuten vorentscheiden können. Aber Djamal Ziane verdaddelte frei vor Marian Unger, der mit seinen Kraken-Armen das Leder zu packen bekam. Hochzufrieden mit dem Spiel Ihres Teams applaudierten die 2.400 Lok-Fans nach Ende der regulären Spielzeit, die Stimmung war auf dem Siedepunkt.
Lok konnte in der Verlängerung nie wieder diese Emotion aufbauen, die das Team durch die 90 Minuten getragen hatte. Mit Anbruch der Verlängerung war es im Stadion stiller geworden, so als wären die 30 Minuten ein Bonus auf dessen Ergebnis es nicht ankam. Am Ende des zweiten auffälligen Zwickauer Sprints nickte Jonas Nietfeld am kurzen Pfosten zum 0:1 für das Spitzenteam aus Westsachsen ein. Erst als Schiedsrichter Jens Klemm in der 119. Minute zwingend auf Elfmeter für den 1. FC Lok entscheiden musste, nachdem Ronny Surma von René Lange klar gefoult wurde, schienen wieder alle wach. Aber auch in der vierminütigen Nachspielzeit konnte Lok nicht treffen – was übrigens bisher in sieben Spielen nur einer Regionalliga-Mannschaft gegen Zwickau gelungen war. Torsten Ziegner war trotzdem froh, als endlich Schluss war. „Wir haben keinen Spaziergang erwartet. Lok ist kein normaler Oberligist, hier wird fast unter Profibedingungen trainiert.“
Und darüber hinaus zeigte seine Mannschaft auch keine Leistung, die einem Tabellenführer würdig gewesen wäre. „Vielleicht war bei dem einen oder anderen Spieler noch das 1:4 von Nordhausen im Kopf präsent.“ Da dürfte Ziegner nicht falsch liegen. Heiko Scholz hofft indes, dass dieses Ergebnis keinen Effekt auf die anstehende Oberligaaufgabe – Sonnabend, 16 Uhr, zu Hause gegen den VfL Halle – haben wird. „Wir haben nur zwei Tage Regenerationszeit, die Jungs müssen die nächsten zwei Tage arbeiten, aber mit dem Elan von heute wird auch am Samstag eine ordentliche Truppe auf dem Platz stehen.“
Schon am Donnerstag wird es unabhängig vom Ausscheiden im Landespokal allerdings eine andere frohe Kunde aus Probstheida geben…
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