Seit einem Jahr organisiert โ€žNein zu RBโ€œ bundesweit Proteste gegen RB Leipzig. In der kommenden Spielzeit mรถchte die Initiative die vielfรคltigen Proteste fortsetzen. L-IZ.de hat mit Kampagnensprecher Andreas รผber die Ziele, Erfolge und Perspektiven des Fanbรผndnisses gesprochen.

Ihre Kampagne lรคuft seit einem Jahr. Welches Fazit ziehen Sie aus den vielen Protestaktionen, die bisher stattgefunden haben?

Ja, es liefen ja nicht alle Aktionen im Namen der Kampagne. Wir als โ€žNein zu RBโ€œ haben sicherlich den Vorteil, dass wir als Vertreter vieler Fanszenen im Namen vieler Fans sprechen kรถnnen. Wir konnten uns durchaus in Debatten einklinken beziehungsweise Debatten anregen. Klar, wir waren anfangs optimistischer, uns ist aber auch bewusst, dass RB Leipzig nicht das รœbel allein ist.

Der FuรŸball wird im Sinne marktwirtschaftlicher Interessen mehr und mehr kapitalisiert beziehungsweise privatisiert. Das ist aktuell kaum aufzuhalten. Dennoch konnten wir in dieser Richtung eine Debatte anregen. Auch innerhalb der Fanszenen. Zum Beispiel wurde an mehreren Ligastandorten kontrovers und kritisch รผber eine verkรผrzte Kapitalismuskritik informiert, die schnell mit Anfeindungen gegen RB Leipzig Einzug fand, und die teilweise antisemitische Denkmuster transportierte. Dass das diskutiert wurde ist ungemein wichtig und gehรถrt grundlegend zu einer umfassenden Kritik an RB Leipzig.

Welche konkreten Erfolge hat Ihre Kampagne bislang vorzuweisen?

Wir wollten uns von Beginn an nicht an konkreten Erfolgen messen oder messen lassen. Wir konnten ganz gut einschรคtzen, was mรถglich ist und was nicht, und dass konkrete Erfolge nicht leicht zu erzielen sind โ€“ vor allem nicht innerhalb eines Jahres.

Die Interessen wirtschaftlicher Akteure sind im FuรŸball stark virulent. Fรผr uns ist es ein Erfolg, eine Debatte angeregt zu haben. Im Zuge der DFL-Versammlung im Mai dieses Jahres, als die DFL-Fรผhrung den Bundesliga-Clubs eine Solidarisierung mit RB Leipzig aufzwingen wollte, haben wir uns zu Wort gemeldet.

Welche Reaktionen rief Ihr Statement hervor?

Es fanden daraufhin viele Protestspruchbรคnder den Weg ins Stadion. Es wurden Gesprรคche vor Ort mit den Vereinsoffiziellen gefรผhrt. Letztlich widersprachen Vereine wie Kaiserslautern und Dรผsseldorf dieser Solidarisierung mit RB Leipzig รถffentlich. Eine breite Solidarisierung mit RB Leipzig fand nicht statt und wurde auch von den Clubs nicht gewollt.

In Leipzig stรถรŸt RB Leipzig auf zunehmende Akzeptanz, was sich in den Zuschauerzahlen niederschlรคgt, die im Schnitt deutlich รผber denen mancher Traditionsvereine liegen. VerschlieรŸt Ihre Kampagne hier die Augen vor einer gesellschaftlichen Entwicklung?

Wenn die gesellschaftliche Entwicklung so aussieht, dass FuรŸball in Zukunft durch und durch privatisiert ist und Vereine mit einer hohen Zahl an Mitgliedern und Standortnachteilen nicht durch einen sportlichen Wettbewerb, sondern einen wirtschaftlichen Wettbewerb oder einem standortbedingten Nachteil aus der Bundesliga verschwinden, ist das keine akzeptable gesellschaftliche Entwicklung, die vor allem nicht allein dadurch legitimierbar ist.

RB Leipzig ist nicht entstanden, weil sich die Leipzigerinnen und Leipziger nach BundesligafuรŸball gesehnt haben, sondern weil Red Bull nach standortwirtschaftlichen Kriterien Leipzig auserkoren hat. Dass dort kein Bundesliga-FuรŸball stattfand, war sicherlich ein positiver Standortfaktor, der berรผcksichtigt wurde.

Die gesellschaftliche Entwicklung, die durch die Omniprรคsenz des Kapitalismus โ€“ mehr und mehr auch im FuรŸball โ€“ vorangetrieben wird, ist keine progressive Entwicklung der Menschen in Richtung mehr Selbstorganisation und Emanzipation, sondern eine Entwicklung, die die Menschen zu reinen Konsumenten eines Produktes machen soll โ€“ dem Produkt โ€žFuรŸballโ€œ. Gleichzeitig gibt es aber auch eine gesellschaftliche Entwicklung, die dem Ganzen widerspricht โ€“ auch im FuรŸball.

Definieren Sie Ihr Fansein รผber eine fundamentale Kapitalismuskritik?

Nicht ausschlieรŸlich. Dazu hat auch jeder eine andere Haltung. Um die heutigen Tendenzen im FuรŸball deuten und verstehen zu kรถnnen, muss man sie in den Zusammenhang unseres wirtschaftlichen Systems setzen. Nur so kann man die MaรŸnahmen der DFL nachvollziehen, in einen Zusammenhang bringen und alternative Lรถsungen entwickeln.

Sie appellieren an die Leipziger, die Spiele der beiden Traditionsclubs zu besuchen. Mit welchen Argumenten mรถchten Sie den vielen Leipzigern, die nach Bundesliga-FuรŸball dรผrsten, diese Clubs schmackhaft machen?

Wir wollen niemandem irgendeinen Club schmackhaft machen. Wir akzeptieren und verstehen, dass Leute lieber zu RB Leipzig gehen als zu Chemie oder Lok. Wir sagen nur, dass der FuรŸball bei Lok und Chemie ein qualitativ anderer FuรŸball ist โ€“ qualitativ nicht im Sinne des FuรŸballs sondern im Sinne von qualitativem Fan-Dasein.

Bei RB bist du gern gesehener Kunde und Konsument. Bei Chemie und Lok hat man die Mรถglichkeit, zu partizipieren und den Verein mitzugestalten. Das muss erstmal jeder fรผr sich selbst entscheiden. Sieht man sich aber nicht nur als Konsumenten โ€“ auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext โ€“ sollte man sich รผberlegen, ob man bei RB Leipzig glรผcklich wird.

Ist das nicht ein Vorurteil? Viele RB-Anhรคnger bringen sich in ihrer Freizeit aktiv ins Vereinsleben und in die Fanszene ein, sei es als ehrenamtliche Helfer, Supporter oder Ultras.

Das mag sein, ja. Ich wรผrde bei RB Leipzig jedoch nicht von einem โ€žVereinslebenโ€œ sprechen. Der Verein besteht aus 14 Mitgliedern โ€“ ehemalige Red-Bull-Angestellte, Freunde von Herrn Mateschitz etc. Wie allseits bekannt ist, ist es nicht mรถglich, eine stimmberechtigte Vereinsmitgliedschaft zu erwerben. Daher kann man auch nicht davon reden, dass sich RB-Anhรคnger aktiv ins Vereinsleben einbringen kรถnnen. Dass sich dort eine sogenannte Fanszene entwickelt, mag sein, aber wie weit diese sich entwickeln kann, ist angesichts der restriktiven Methoden der Vereinsfรผhrung eher fraglich. Es ist auch eher zu bezweifeln, dass Red Bull sich eine kritische, aktive Fanszene wรผnscht. Das ist jedoch abhรคngig vom Marketingkonzept, das Red Bull fรผr den FuรŸball entwickelt hat.

Ihre Kritik richtet sich gegen einen finanzstarken Emporkรถmmling. Braucht der deutsche FuรŸball ein in sich geschlossenes Ligensystem nach amerikanischem Vorbild, um Vereine wie RB Leipzig zu verhindern?

Die Major League Soccer ist sicher nicht die Alternative. Dort funktioniert alles nach dem Prinzip des โ€žFranchisingโ€œ. Das ist nicht die Lรถsung. Wir brauchen eine grundlegende Verรคnderung des FuรŸballs auf europรคischer Ebene โ€“ da hilft aktuell keine Reform, auch keine Instrumente, wie das โ€žFinancial Fair Playโ€œ. Wie man sieht, wird dadurch zwar alles etwas reguliert, aber grundlegend รคndert sich damit am bestehenden Prinzip nichts. Es soll und kann sich dadurch ja auch nichts รคndern.

Die FuรŸballvereine mรผssen sich demokratisieren. Ein Bรถrsengang stellt zum Beispiel das Gegenteil davon dar. Der FuรŸball ist jedoch nur Teil einer wirtschaftlichen und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Entwicklung, die den FuรŸball zu dem aktuellen Status Quo gebracht hat. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Einen demokratischen, nicht konsumierbaren FuรŸball wird es unter den aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht geben. Daher muss die Lรถsung umfassender sein, als nur auf den FuรŸball beschrรคnkt.

Pragmatisch gesehen, macht es Sinn, die aktuellen Statuten von DFB und DFL konsequent umzusetzen. DFL und DFB haben das jedoch nicht geschafft. Vielleicht macht hier eine unparteiische Instanz Sinn, die รผber Lizenzvergaben und Einhalten der Statuten entscheidet.

RB Leipzig hat die Statuten formal eingehalten. Dass der Verein irgendwann eine Bundesliga-Lizenz beantragen wรผrde, war seit Mai 2009 absehbar. Warum haben die Fans, die heute RB Leipzig kritisieren, damals versรคumt, auf eine Anpassung der Lizenz-Anforderungen zu drรคngen, um dem Leipziger Vereinskonzept von vornherein unรผberwindbare Hรผrden in den Weg zu legen?

Man kรถnnte auch argumentieren, dass die Lizenzierungskriterien ausreichend waren, nur nicht umfassend angewandt wurden. Dazu muss man sagen, dass die Statuten so formuliert sind, dass es oft Auslegungssache ist. Ein Paragraph besagt zum Beispiel, dass die Vereine dazu verpflichtet sind, gewisse Mindestvoraussetzungen in Bezug auf die demokratische Mitbestimmung bei der Wahl der Vereinsfรผhrung einzuhalten. Ich sah diese Mindestanforderungen bei RB Leipzig nicht eingehalten โ€“ die DFL scheinbar schon.

Die DFB Statuten unterliegen einer รคhnlichen Definitionsvielfalt. Eine Vorschrift, die besagt, dass โ€žร„nderungen, Ergรคnzungen oder Neugebungen von Vereinsnamen und Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung โ€ฆ unzulรคssig [sind]โ€œ, wurde unserer Meinung nach ebenfalls nicht konsequent durchgesetzt. Es ist ja bekannt, dass RB mittlerweile ein ziemlich verรคndertes Logo hat โ€“ der Zweck der Werbung ist aber immer noch erfรผllt. Jeder weiรŸ doch, dass โ€žRBโ€œ fรผr Red Bull steht, genauso wie die Stiere im Logo.

Klar, die Lรถsung des Problems ist sicherlich nicht ausschlieรŸlich die konsequente Umsetzung dieser Paragraphen, sondern vielmehr eine grundlegende รœberdenkung des Systems โ€žFuรŸballโ€œ, wie es zurzeit von DFL und DFB gestaltet und vermarktet wird. RB Leipzig ist gewรผnscht. Daher wird ihnen der Durchmarsch einfach gemacht. Es muss sich grundlegend was im FuรŸball รคndern.

Wird die Kampagne in der Saison 2015/16 fortgesetzt werden?

Wir planen aktuell ein paar interne Umstrukturierungen, nach denen vor allem die Arbeit auf Vereinsebene intensiviert werden soll.

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Es gibt 3 Kommentare

Wer damit kein Problem hat, dass alle Lebensbereiche (Kultur, Bildung, Gesundheit, Sportโ€ฆ) nur noch nach monetรคren MaรŸstรคben bewertet werden, der hat auch kein Problem mit RBLโ€ฆ

Was soll diese Aussage? So lange wie es auf der Welt รผblich ist, Lieferungen und Leistungen monetรคr abzuwickeln, hat das nichts mit irgendwelchen MaรŸstรคben zu tun.

Bleiben wir bei den Leistungen. Wenn jemand Spitzenleistungen erleben, sehen, hรถren mรถchte, dann geht das (leider) fast ausschlieรŸlich รผber hohe
Gagen, Honorare, Eintrittspreise, Subventionen, Zuschรผsse u.s.w. Das hat also mit RB รผberhaupt nichts zu tun.

Nach wie vor bzw besonders gegenwรคrtig gilt, was auch ich schlimm finde, Geld regiert die Welt (z.B. Griechenland). Gnadenlos! Dabei spielen auch Menschenleben keine Rolle, wie die Geschichte gezeigt hat und gegenwรคrtig die Entwicklungen in vielen Lรคndern wieder verdeutlichen.

Auch deshalb finde ich diese ganze Diskussion um RB absurd. Jeder andere Profiverein in Deutschland, eingeschlossen deren angebliche Fans, hรคtten nichts dagegen gehabt, wenn RB dort eingestiegen wรคre. Selbst die Vereine nicht, die sich fรผr einen Apfel und ein Ei mit mit hervorragen FuรŸballern aus der damaligen DDR oft erheblich verstรคrkt hatten und auch heute noch mit hoffnungsvollen Nachwuchstalenten aus den neuen Bundeslรคndern versorgen. Dabei wird um jeden Cent gefeilscht, skrupellos. Fรผr mich sind diese ganzen Diskussionen um RB Leipzig รผberwiegend von Scheinheiligkeit und unsachlichen Diskussionen geprรคgt. Ich gehe รผbrigens ganz gerne zu Lok Nordost! Sport frei!

Es sind nichts weiter als

@Klaus: Das Problem ist, wie im Artikel auch gesagt, die hemmungslose Kommerzialisierung des FuรŸballs, fรผr die RBL nur das krasseste und (rรคumich, zeitlich) naheliegendste Beispiel ist. Wer damit kein Problem hat, dass alle Lebensbereiche (Kultur, Bildung, Gesundheit, Sportโ€ฆ) nur noch nach monetรคren MaรŸstรคben bewertet werden, der hat auch kein Problem mit RBLโ€ฆ

Danke fรผr diesen interessanten Beitrag. Ich habe รผbrigens 20 Jahre FuรŸball gespielt und bin der Auffassung, dass Leipzig รผber RB froh sein kann. Scheinbar wollen einige, dass der Osten weiter im FuรŸball-Niemandsland versinkt. Das kann doch nicht das Ziel sein. Dazu kommt, was fรผr jeden sichtbar ist, welch tolle FuรŸballinfrastruktur geschaffen wurde bzw. noch wird. So etwas baut man nicht auf, um morgen wieder zu gehen. Besonders wichtig ist, dass die besten Talente aus dem Osten endlich gehalten werden kรถnnen.

RB Leipzig ist gewรผnscht. Daher wird ihnen der Durchmarsch einfach gemacht. So einfach kann man es sich gedanklich auch machen!!!

Wer nicht gewillt ist, hoch vergรผtete Dirigenten im Gewandhaus zu Leipzig zu bewundern und sich von der Musik in den Bann ziehen zu lassen, der wird nicht dazu gezwungen, Derjenige wird aber nie auf die Idee kommen, das Gewandhaus in Frage zu stellen.

Wer nicht zu RB mรถchte kann doch in Leipzig zu Chemie oder Lok, zum SV Thekla, zu Lok Nordost, zu Motor Nord, zu Rotation 1950 u.s.w u.s.w gehen. Wo liegt das Problem?

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