Martin Matthäus ist weiter in Salvador de Bahia unterwegs und erlebt ein denkwürdiges Spiel. Allerdings trübt eine schlechte Nachricht zuvor die WM-Stimmung, die mit der Eröffnung in einer Strandbar erst richtig aufgekommen war.
Endlich ist es soweit – die WM beginnt. Ich bereite mich wie jeden Tag mit einer Sporteinheit auf das kommende vor. Der Strand wird dabei jeden Tag voller. Ich sehe immer mehr Personaltrainer mit kleinen Gruppen, die der Körperertüchtigung frönen. Beim Frühstück lasse ich mir einheimische Früchte wie Bananen oder Mangos schmecken. Im Rahmen der morgendlichen Besprechung entscheiden wir uns, den WM-Auftakt in einer fünf Kilometer entfernten Bar anzusehen. Kurz nach dem Mittag wollen wir aufbrechen und laufen die Strecke direkt an der Strandstraße entlang.
Bis es soweit ist, vertreibt sich jeder die Zeit auf seine Weise. Während des Spazierganges kommen wir an vielen fliegenden Händlern vorbei. Auch die Küstenanlagen haben schon bessere Tage gesehen. Wir passieren verfallene Treppenaufgängen und kaputte Landschutzmauern. Nach einer Stunde kommen wir in der Bar an. Sie ist in blau und grün getaucht! Die anwesenden Brasilianer warten aufgeregt auf den Beginn und verbreiten fröhliche WM-Stimmung. Wir nehmen den Rhythmus auf und schauen gespannt das Spiel.
WM mittendrin (3): Zwischen Abgasen und Banana Joe
Großes Abenteuer in Salvador de Bahia: Auf geht’s in die Innenstadt, aber wie…
WM mittendrin (2): Von Plastemüll und Sicherheitszäunen
Keine Überraschung: Auch in Brasilien regnet es. Beachsoccern am Strand lässt es sich trotzdem…
WM mittendrin (1): “Brasilien, wir kommen!”
Südamerika war schon immer ein Traum von mir. Der Kontinent fasziniert mich einfach. Da ich zudem…
Beim Schluspfiff sowie nach jedem Tor der Selecao gibt es tosenden Jubel in der Strandbar. Was ich bisher nur von der Sendung Laola auf DSF in den 90ern kannte, ist nun Wirklichkeit und ich mittendrin. Nach dem Spiel gibt es noch zwei Stunden Live-Musik, bei der wir uns kurzzeitig mit deutschem Liedgut einklinken. Die Brasilianer honorieren das mit sehr viel Applaus. Zwei Stunden später fahren wir mit dem Bus nach Hause, weil es schon dunkel ist. In der Pousada lassen wir den Abend entspannt ausklingen.
Am nächsten Tag steht endlich das erste Live-Spiel an. Doch der Tag beginnt nach dem Sport mit einem kleinen Schock. Zwei aus unserer Gruppe sind gestern Abend noch feiern gewesen und wurden auf dem Heimweg von drei Leuten überfallen. Außer dem Verlust von Bargeld und ein paar blauen Flecken ist aber Gott sei Dank nichts passiert. Leider wurde damit die Warnung des Auswärtigen Amts bestätigt, dass man in kleinen Gruppen ein gutes Ziel ist. Somit tragen die zwei auch eine Mitschuld.
Nach dem Sport und der Morgenbesprechung freuen wir uns alle auf die Abfahrt mit dem Bus. Leider müssen wir über eine Stunde warten, da die vorbeifahrenden Busse alle übervoll sind. Nach einer weiteren abenteuerlichen Busfahrt kommen wir nach anderthalb Stunden am Stadion an.
Die Arena Fonte Nova liegt im westlichem Salvador an einem innerstädtischen See. Das Stadion erhebt sich mitten zwischen der typischen engen südamerikanischen Wohnhaus-Bauweise. Es bietet eine architektonische Besonderheit. Auf der Südseite Richtung Südost existiert nur der bei Neubauten bekannte Logenring im oberen Drittel sowie das Dach. Eine darunter liegende Säulen-Konstruktion ermöglicht den Blick auf den See. Während der WM befindet sich jedoch eine Stahltribüne dort, um die Zuschauerkapazität zu erhöhen. Die Halde in Zwickau lässt grüßen.Als wir ankommen, ist das Stadionumfeld in orange getaucht. Außerdem bieten Händler Tickets für die Partie, welche ihre Käufer finden. Auch Polizei ist zu sehen. Jedoch ist nichts zu sehen von einem Massenaufgebot und Auseinandersetzungen. Kurzum: Es ist alles friedlich. Voller Freude gehen wir in das Stadion. Am Eingang müssen wir Schleusen mit Metall-Scannern wie am Flughafen passieren und die Karte dann vorzeigen. Abgetastet wurde gar nicht. Mit den Kontrollen haben es die Brasilianer also nicht so.
Um so mehr sorgen sie jedoch für die Durchsetzung des Zaunfahnenverbots der FIFA. Ich habe 15 Minuten mit dem Sicherheitsmann diskutiert und diverse materielle Angebote gemacht. Jedoch lies er sich nicht überzeugen und drohte damit, es sofort wieder abzunehmen. Da ich im Holland-Block nicht in der ersten Reihe saß, blieb mir nichts anderes übrig als die Segel zu streichen. Ein Blick ins weite Rund zeigte, dass das Verbot zu 90 Prozent umgesetzt wurde. Immer wieder wurden Fahnen abgenommen. Die FIFA will damit die Aufmerksamkeit für die Sponsorenbanden erhöhen. Die TV-Zuschauer sollen beim Werbung Konsumieren nicht gestört werden.
Das ist ein weiterer Beleg für die Entfernung des Weltverbandes von der Basis. Dieser will ein “sauberes” Stadion und damit wird die Zaunfahnen-Kultur als ein wichtiger Teil der Fankultur systematisch zerstört. Auch bei DFB-Länderspielen stelle ich das leider vermehrt fest. Gerade das macht aber die Faszination des Fußballs auch aus, mit der sich die Verbände gern brüsten.
Ein anderer Beleg ist die Sitzplatzverteilung. Zu Gunsten von Business Seats und Logen werden Plätze für normale Fans geopfert, um mehr Einnahmen zu generieren. Dass die Preispolitik bei dem Spiel misslang, zeigten die sehr vielen freien Logen und Business Seats. Auch normale Plätze müssen leer bleiben.
Nun zum Spiel. Nach der von mir erwarteten Führung von Spanien, spielte sich Holland – allen voran Arjen Robben – in einen kleinen Rausch. Das zeigt, was man mit Kampf und Wille erreichen kann. In dieser Form ist Holland ein ernster Gegner für unsere Mannschaft auf dem Weg zum Titel. Die Stimmung steigt bei jedem Tor und mündet in mancher Laola. Die holländischen Fans überzeugten zudem wieder mit auffallenden Fankostümen. Noch lange nach Schlusspfiff feierten sie ihre Mannschaft.
Wir sind im Anschluss an das Match mit Taxis in die Pousada gefahren. Ich bin danach in das gegenüberliegende Restaurant gegangen um noch etwas zu essen. Dies sollte sich einen Tag später als Fehler herausstellen. Danach ging ich zu Bett, da mir das feuchtwarme Klima immer noch zu schaffen macht.
Der siebente Tag soll eigentlich raus aus Salvador führen. Das Ziel war das 70 Kilometer entfernte Praia do forte. Das ehemalige Fischerdorf bietet heute Touristen einen wunderschönen Sandstrand und gehört deshalb zu den beliebtesten Ferienorten im Bundesstaat Bahia. Leider fällt der Ausflug für mich ins Wasser da mich Montezumas Rache heimsucht. Bereits in der Nacht habe ich unruhig geschlafen, da erste Magenkrämpfe auftreten.
Ich vermute, der Restaurantbesuch am Abend hat mir das eingebrockt. Irgendeine Soße war wohl nicht mehr entsprechender Qualität. Dementsprechend bin ich geschwächt und schaue mir vorm TV der Pousada die spiele an. Ich bin aber nicht der Erste, dem das passiert. In der Gruppe gibt es bereits Fälle vor mir. Im Laufe des Tages helfen mir meine Reisemedizin sowie die typischem Rezepte der Oma.
Keine Kommentare bisher