Manche Fußballspiele wirken lange nach und sind nicht so einfach "ad acta" zu legen. Das letzte Saisonspiel der FFV-Frauen bei Blau-Weiß Hohen Neuendorf (L-IZ berichtete) gehört dazu. Trainer Hendrik Rudolph hatte diese Partie innerlich so aufgewühlt, dass er die Erlebnisse des Tages aus seiner Sicht niederschreiben musste und den entstandenen Bericht der L-IZ-Sportredaktion zur Verfügung stellte. Für ihn war es gleichzeitig das letzte Spiel als FFV-Trainer. Rudolph stellte seinen Posten zur Verfügung, der nun von Thomas Matheja übernommen wird.
Eine sehr wechselhafte Saison – in einer unglaublich ausgeglichenen und im Niveau stark gestiegenen 2. Frauen-Bundesliga, mit einigen großartigen Siegen gegen Spitzenteams aber in der Mehrzahl eben bitteren Niederlagen oft gegen die “Kleinen” – fand in der allerletzten von 1.980 Minuten (22 Spiele) ihren finalen, an Dramatik nicht zu überbietenden Höhepunkt, der beispielgebend auch für die gesamte Saison steht.
Das Spiel in Hohen Neuendorf schien in seiner dynamischen Entwicklung auf diesen Höhepunkt zuzusteuern. Bis zur 79. Minute – abgesehen von den Anfangsminuten der zweiten Halbzeit, wo den Randberlinern auch ein Lattenschuss gelang – spielte nur eine Mannschaft: Ein dem Gegner in allen Belangen deutlich überlegener FFV mit drei ungenutzten “Riesen”, einmal davon Lattenunterkante von Nyembo.
Dann, wie aus dem Nichts, das 0:1 gegen den FFV durch Sommer aus spitzem Winkel, was den Spielverlauf auf den Kopf stellte, wie selbst der Gegner anmerkte. Doch wie schon in der Woche zuvor gegen Magdeburg, ging ein Aufbäumen durchs FFV-Team. Marie-Luise Herrmann gelang fünf Minuten später von der Strafraumecke mit einem unglaublichen, sehenswerten, knapp 30-Meter-Schuss unter die Latte der Ausgleich.
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Dann kam die Nachspielzeit, die 92. Minute – vielleicht auch schon die 93. – jedenfalls die allerletzte Spielminute. Der Spielstand von 1:1 bedeutete für Hohen Neuendorf – unseren direkten Kontrahenten im Kampf um den Klassenerhalt – Platz 10 und damit die Relegation gegen Würzburg. Für den FFV jedoch wäre das Platz 9 damit der Verbleib in der 2. Bundesliga.
Das Schicksal – dem FFV in dieser Saison einige Male schon nicht hold – nahm im Mittelfeld einen verhängnisvollen, langen Anlauf. Angelina Lübcke verlor nach einem klaren Stoßen gegen sie den Ball, der sofort in die Spitze gespielt wurde. Weder diese Abseitsposition (nach Meinung Anderer, ich selbst habe es nicht gesehen!) noch das Foul zuvor wurden geahndet.
Der Ball gelangte in den Strafraum zu Anna Laue, ein Haken, freie Schussposition, FFV-Torhüterin Weinert verkürzt. Noch ein Haken, Weinerts Abtauchen nach dem Ball, die Stürmerin stürzt über die am Boden liegende Hüterin. Ein kurzes Zögern des Schiri, dann der Pfiff: Elfmeter! Und Rot gegen die U19-Nationaltorhüterin, die kurz zuvor gerade erst in großartiger Manier einen Direktschuss aus zwölf Metern aus dem Dreiangel geholt hatte.
Sandra Schumann, im vergangenen Jahr noch die Nummer 1 im Tor des FFV, hatte im Herbst Platz gemacht und war in die Zweite gewechselt, mit der sie sich seit Donnerstag auf Abschlussfahrt an der Ostsee befand. In einer inneren Eingebung hatte ich sie am Dienstag gebeten, statt der eigentlichen Nummer zwei, die in der Woche zuvor leicht angeschlagen war, bei diesem Finalspiel als Ersatzhüterin zu fungieren. Professionell ließ sie am Samstagabend in Göhren auf Rügen die Abschlussparty sausen, war um 22 Uhr im Bett und mit einem PKW direkt von Göhren zum Spiel gefahren worden.
Sie hatte nur eine Aktion, musste mit dem Elfer zugleich die 2. Bundesliga für das ganze Team und den Verein halten. Anna Laue, die Goalgetterin der Nordberliner mit schon 99 Zweitligatoren, würde den FFV mit ihrem hundertsten in die bittere Relegation schießen: Anlauf der zuvor gefoulten Spielerin, Linksschuss, Schumann hält, Nachschuss über’s Tor! Unglaubliche Dramatik – endlich auch mal mit einem glücklichen Ende für die Leipzigerinnen.
Nicht mal eine Minute später nur noch grenzenloser Jubel der etwa 30 FFV-Fans, darunter die auf ihrer Rücktour von der Ostsee “vorbeigeschaute” 2. Mannschaft”, die ihre “Erste” lautstark unterstützt hatte. Stille dagegen im Rund der knapp 500 Hohen Neuendorfer Zuschauer. Vor allem aber grenzenlose Enttäuschung beim Team der Gastgeberinnen, die sich mit 18 Punkten in den zehn Spielen der Rückrunde auf einer Euphoriewelle befanden, sich heute jedoch erstaunlich schwach präsentierten und den Sieg damit auch nicht verdient gehabt hätten.
Somit ist ganz am Ende einer unglaublichen Berg- und Talsaison endlich das Glück einmal auf Seiten der Leipzigerinnen, während es in einigen Spielen zuvor eher den gegnerischen Mannschaften hold war. Meine Mannschaft hat sich dieses Glück aber zuvor Woche für Woche, trotz aller Rück- und Nackenschläge, immer wieder neu erarbeitet, und endlich, in der allerletzten von fast 2.000 Spielminuten, ist es auch einmal zurückgekehrt. Daran sieht man, wie wichtig es ist, bis zum letzten Augenblick um sein Glück und um den Erfolg zu kämpfen und bis zum letzten, dem allerletzten Augenblick an sich zu glauben!
Wie nervös auch ich war, zeigt die Tatsache, dass ich bei der Spielvorbereitung in der Kabine meinen Konzeptzettel irgendwie verbummelt hatte und plötzlich einen alten in der Hand hielt. Ich war aber natürlich vorbereitet, hatte das alles so lange durchgespielt und erarbeitet, dass es dieses nicht bedurfte, um das Team auch ohne Gedankenstütze optimal auf’s Spiel einzustellen.
Ehrlich gesagt, war ich schon stolz, dass ich die Mädels so top auf dieses Nervenspiel vorbereitet habe und wir dort so souverän agierten. Die Dramatik der letzten Viertelstunde aber hat mich dann total geschafft. Ich war noch am Montag völlig gerädert und brauchte 24 Stunden zum Erholen.
Und es war sicher nicht von ungefähr, dass die beste Spielerin der Rückrunde, die nimmermüde, sich immer wieder aufbäumende und rackernde Marie-Luise Herrmann jenes letzte und so wichtige Tor schoss. Und genauso eine Geschichte ist die der Torhüterinnen, die manchen Fight ausfochten, als Sandra Schumann noch in der Ersten hielt – aber wenn es darauf ankam, sie doch zusammenstanden und damit Beide zum Erfolg einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet haben.
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