Der Traum der Initiative 1903 wird tatsächlich Wahrheit: Nach einem ehrenamtlichen Kraftakt wird - 75 Jahre nach der Reichspogromnacht in Leipzig - dem jüdischen Sportverein Bar Kochba gedacht. Eine Leipziger Stadtauswahl wird gegen Hakoah Zürich antreten, Vorträge und ein "Strafstoß der Erinnerung" runden den Gedenktag ab.
Sebastian Bona von der Leipziger Initiative 1903 und Christoph Schumacher vom Familienportal Tüpfelhausen e.V. hatten Glück. Der Herbst schenkte ihnen ein weiteres Puzzelstück bei ihrer “Schatzsuche”. Die beiden stromern seit Monaten regelmäßig über ein unscheinbares Waldstück an der Delitzscher Straße. Vor wenigen Tagen entdeckten sie eine Inschrift in einem Stein. Denn wo heute ein paar Sträucher und ein paar schnöde Laubbäume stehen, spielten in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts jüdische Sportler Fußball. Nur: Das weiß kaum noch jemand in Leipzig. Schumacher und Bona entschieden deshalb, an den dort einstmals ansässigen Fußballklub Bar Kochba zu erinnern.
Am Sonntag wird deshalb – mit Unterstützung des Bundesministeriums des Innern, des Netzwerks “blau-gelb” und von Rotation Leipzig 1950 – ein Gedenktag stattfinden. Der Termin ist nicht zufällig gewählt. Vor 75 Jahren leiteten die Nationalsozialisten auch in Leipzig die nächste Stufe der Judenverfolgung ein, zerstörten jüdische Geschäfte und die Synagoge. Nun sind es mit der Initiative 1903 Fans des 1. FC Lok Leipzig, die an diesen Sportverein mit einem umfangreichen Programm, in Zusammenarbeit mit dem Familienportal Tüpfelhausen, erinnern.
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Schon 10:30 Uhr tummeln sich diverse Organisationen und Buchautoren auf der Sportanlage von Rotation, quasi vis-a-vis zum alten Bar-Kochba-Platz. Den wollten Bona und Schumacher eigentlich bis zum Sonntag wieder soweit in Schuss bringen, damit hier nach 75 Jahren wieder ein Fußballspiel stattfinden kann. Das erschien aber in der Kürze der Zeit unmöglich. Stattdessen gibt es nur einen “Strafstoß” der Erinnerung auf ein altes, verrostetes, auf dem Platz verbliebenes Tor. Die Geste zählt.
“Durch das Engagement von Freunden unserer Initiative 1903 konnten wir für diesen Tag einige Teile des Platzes wieder freilegen”, sagt Sebastian Bona von der Initiative 1903. “Zudem haben sich viele Vertreter der Politik, des sächsischen Sports, des Präsidiums des Deutschen Fußballbundes und des jüdischen Gemeinwesens für diesen Tag angemeldet”, erläutert Bona. Sie alle werden dem Höhepunkt des Tages, einem Freundschaftsspiel zwischen einer Auswahl ehemaliger Leipziger und Nürnberger Fußballgrößen gegen Hakoah Zürich, um 14 Uhr beiwohnen.
“Es ist derselbe Verein, der 1922 den Platz von Bar Kochba mit einem Eröffnungsspiel eingeweiht hat”, weiß Schumacher, dessen Familienverein sich in der Jugend- und Familienarbeit einbringt. “Gerade deswegen engagieren wir uns hier, weil der Sport Kinder und Jugendliche anhält, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und einen wichtigen Bestandteil für Integration und Akzeptanz beinhaltet.” Das Gedenken erhält damit auch eine soziale Komponente.
Der Gedenktag hat damit das Potenzial, Maßstäbe beim bürgerlichen Engagement im Leipziger Fußball zu setzen. So wie die Enthüllung eines Gedenksteins im Bruno-Plache-Stadion zur Erinnerung an die erste deutsche Meisterschaft 1903. Ebenfalls organisiert von Sebastian Bona. Und wer weiß, was er noch so alles auf dem Platz von Bar Kochba finden wird. Auf der angesprochenen Inschrift fand sich eine Erinnerung an den ersten Vorsitzenden des jüdischen Klubs, dessen Lebenswerk Bona und Schumacher in das Gedächtnis der Stadt zurückholen werden.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version des Artikels lautete der Gegner von Bar Kochba noch “Hakoah Wien”. Die ist falsch, die Mannschaft heißt natürlich “Hakoah Zürich”. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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