Das hatte es bei Chemie-Heimspielen noch nicht gegeben. Weil sich Spieler und Betreuer des ATSV Wurzen "massiven Anfeindungen und Beschimpfungen" ausgesetzt sahen, sorgten die Kicker am Samstag für einen Spielabbruch. Die Chemiker vermuten eine geplante Aktion. Die Gäste lagen in der 62. Minute nicht nur mit 0:2 hinten. Sie ließen freiwillig ihren Stammkeeper zu Hause, weil der für die NPD im Gemeinderat sitzt.
Als Schiedsrichter Stefan Herde zum dritten Mal auf den Elfmeterpunkt zeigte, hatten die Wurzner die Faxen dicke. Auf Geheiß von Trainer Jürgen Zölfl begab sich das komplette Team in die Kabine. Die Begründung ist mittlerweile auf der Vereinshomepage nachzulesen: “Beim Auswärtsspiel gegen die BSG Chemie Leipzig sah sich unser Verein gezwungen das Spielfeld nach massiven Anfeindungen und Beschimpfungen zu verlassen, um so die Spieler und Betreuer unserer 1. Mannschaft zu schützen, deren Sicherheit in der herrschenden Atmosphäre nicht mehr gewährleistet war.”
Nach Angaben von Augenzeugen hatte ein Zuschauer “Nazischwein” in Richtung eines Gästespielers gerufen. Eine Beleidigung, die so sicher noch keinen Spielabbruch legitimiert. “Wir haben das Spiel auf Video aufgezeichnet”, berichtet BSG-Geschäftsführer Henry Aulich. “Es gab keine Drohungen gegen die Wurzner Mannschaft. Nur die paar Pöbeleien, die zum Fußball dazugehören.”
Es scheint, als ob sich der ATSV nicht mit der anbahnenden Niederlage abfinden wollte. Nun gehören Pleiten zum Sport dazu. Doch die Sache hatte bereits ein Vorspiel: Ursprünglich sollte das Bezirksliga-Match in Wurzen ausgetragen werden. Der Umstand, dass ATSV-Stammkeeper Matthias Möbius für die NPD im Gemeinderat sitzt, rief die Antifa auf den Plan.
Die BSG-Fans gelten tendenziell als links. Vor dem Spiel tauchten im alternativen Stadtteil Connewitz Plakate auf, auf denen zu einem gemeinsamen Ausflug nach Wurzen aufgerufen wurde. Der ATSV war daraufhin nicht mehr willens, das Spiel auf seinem Sportplatz durchzuführen und verzichtete auf sein Heimrecht.
Mit Ersatzkeeper Alexander Nuß zwischen den Pfosten und dank desolater Vorstellung bis zum Abbruch hätten die Muldentaler in Leutzsch höchstwahrscheinlich eine Nullnummer kassiert. Vielleicht sah Trainer Zölfl in dem fingierten Abbruch die Chance, über den Umweg Sportgericht an was Zählbares zu gelangen. Die Verbandsjustiz entscheidet nun über den Ausgang der Partie. Weil auch die Unparteiischen von der kollektiven Spielverweigerung überrascht waren, stehen die Wurzner zurzeit allein im Regen. Ganz gleich wie das Sportgericht entscheidet: Ein Preis für Fairness ist auf diese Art nicht zu gewinnen.
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