Initiative 1903: Lok-Fans wollen an jüdischen Fußballverein erinnern

Kennen Sie den Sportverein Bar Kochba Leipzig? Nie gehört? Kein Wunder: Es gibt ihn seit fast 80 Jahren nicht mehr. Aber den Sportplatz gibt es in Eutritzsch noch. Lok-Fans wollen den verwilderten Platz mit den rostigen Toren nun bis zum 9. November wieder bespielbar machen und an den Verein erinnern.

Sebastian Bona kann getrost als fußballbekloppt bezeichnet werden. Der autodidaktische Fußballhistoriker reist seit drei Jahren auf eigene Kosten durch die Republik, um die vorweltkriegische Fußballgeschichte des Landes und seiner Heimatstadt Leipzig aufzuarbeiten. Dank seiner “Initiative 1903”, die er zusammen mit Holger Böttcher (51) im Land bekanntmacht, stehen seit 2011 und 2012 in Hamburg beziehungsweise Leipzig Gedenksteine, die an die Austragung des ersten offiziellen deutschen Fußballmeisterschaftsfinals zwischen dem VfB Leipzig und dem DFC Prag erinnern. Den Mammutanteil an Spenden für die Steine haben dabei Lok-Fans getragen. Der 29-jährige Bona und Böttcher reisen seit Jahren mit dem Klub durch die Fußballligen des Landes und tun viel gegen das noch schlechte Image des Clubs.

Erst am 1. Juni organisierten sie den Karlsruher Traditionstag, dessen Höhepunkt ein Spiel in zeitgenössischen Schnürtrikots und mit braunem Lederball zwischen dem Karlsruher FV und einer Mannschaft der Initiative 1903 war. Die Initiative führte der Leipziger Alt-Internationale Hans Richter, mittlerweile 53, aufs Feld. Gemeinsam sollte an verdiente Sportsleute des KFV, der in den ersten Länderspielen zahlreiche Spieler stellte, erinnert werden.
Dem Meister von 1910 stand einst Walter Bensemann vor, der 1920 noch das Fußballfachmagazin “Kicker” aus der Taufe hob. Aber er musste ab 1933 genauso um seine Existenz fürchten wie die Karlsruher Fußballfreunde Julius Hirsch und Gottfried Fuchs. Während Fuchs und Bensemann noch emigrieren konnten, blieb Hirsch, der bis heute den Rekord für die meisten Tore in einem Länderspiel (10 Tore gegen Russland 1912) hält. Er wurde 1943 von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Bona holte den Biografen Hirschs und die Ausstellung “Kicker, Kämpfer, Legenden” über jüdische Fußballer in Deutschland vom Judaicum Berlin nach Karlsruhe. “Der Gedanke kam mir, noch während ich die Biografien Bensemanns und Hirschs las. Man kann heutzutage nicht glauben, in welch niederträchtiger Art und Weise hoch angesehene Menschen urplötzlich diskriminiert, diffamiert und gemieden wurden”, so Bona, der sich nun um den Julius-Hirsch-Preis 2013 bewerben will.

Parallel dazu begannen die gebürtigen Leipziger bereits mit den Vorbereitungen für den nächsten – eher lokalhistorischen – Höhepunkt. Bona, der sein Geld als Ingenieur beim TÜV Hessen verdient, hörte kürzlich von einem ehemaligen jüdischen Leipziger Sportverein namens Bar Kochba und kundschaftete prompt dessen ehemaliges Gelände aus, was noch heute existiert. Einzig die Tore sind verrostet und das Spielfeld an der Ecke Delitzscher/Nathusius Straße überwachsen, theoretisch sollte dort aber Fußball möglich sein. Böttcher und Bona wollen es bald testen. “Unser Ziel ist es, hier am 75. Jahrestag der Reichspogromnacht ein Spiel zwischen einer Leipziger Repräsentativauswahl und einer israelischen Mannschaft auszutragen”, so der Ingenieur, der eigentlich vorhatte, die erstmalige Austragung des Meisterschaftsfinals von 1904 für kommendes Jahr in Berlin zu organisieren.

Doch schon nach wenigen Tagen zeigte sich, dass es Leipziger Mitstreiter gibt, die Bona unterstützen würden. So muss die Organisation für 2014 erst mal ins zweite Glied rücken. Die deutsch-israelische Gesellschaft steht dem Vorhaben positiv gegenüber. Grund genug für die Fans des FCL, das Vorhaben bestmöglich umzusetzen. “Wie der Karlsruher Traditionstag bereits zeigte, setzt sich die Initiative 1903 ausdrücklich gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit ein und dieses Spiels im November wäre ein weiteres Zeichen.” Und ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Initiative 1903, die auch schon für 2015 Ideen in petto hat…

Die Initiative im Netz:https://www.facebook.com/people/Initiative-1903