Am Mittwoch ist nun also offiziell geworden, was die L-IZ schon lange vorher immer wieder thematisiert hatte: Der 1. FC Lok, einst mit unvorstellbar vielen Fans im Rücken aus der 3. Kreisklasse bis in die Regionalliga geklettert, steht vor der Insolvenz. Nach jahrelanger Vettern- und Misswirtschaft plagen den Club enorme Finanzprobleme. An der Rettung arbeitet aber offenbar nur die Fanschaft.

Es ist doch nun nicht wider jeder Vorstellungskraft, dass ein Finanzloch entsteht, wenn der Hauptsponsor 200.000 Euro weniger als im Vorjahr bezahlt, wenn Zuschauereinnahmen ausbleiben, wenn die Kosten nach einem Aufstieg steigen. Und das zudem ohne dass man neue Sponsoren in Größenordnung gewinnen kann und, ja, die neuen Sponsoren, die man gewonnen hat, nicht zahlen. Es folgt einer schlichten Logik, dass so ein Verein in Schieflage geraten kann, wie es nun dem 1. FC Lok passiert ist. Derzeit hat der Club schon mehrere Monate keine Stadionmiete bezahlt, das Finanzamt vertröstet und auch Geschäftsmann Manfred Jansen die Lizenzgebühr nicht überweisen können.

Dazu der erste Besuch einer Gerichtsvollzieherin seit der Insolvenz des VfB im November – dieselbe wie damals beim VfB Leipzig. Der Verein konnte oder wollte das Gehalt von Ex-Trainer Mike Sadlo nicht bezahlen, obwohl es ihm laut Arbeitsgericht zusteht.

Gewarnt vor dieser Situation hatten viele Seiten, seit Monaten. “Es zeigte sich aber akut, dass die finanziellen Voraussetzungen für eine langfristige Konkurrenzfähigkeit des 1 FC Lok nicht geschaffen wurden”, so Willi Kronhardt im Mai bei seiner Abschiedsrede. Statt diesem Übel nachzugehen, stand nur die Art und Weise von Kronhardts Abschied im Mittelpunkt. Nicht einmal intern wurde offenbar ernsthaft an der Mängelbeseitigung gearbeitet, Kronhardts Statement wahrscheinlich nicht mal ernst genommen.
Die ehemalige Schatzmeisterin Katrin Pahlhorn musste wegen ihrer Warnungen im Herbst das Gelände ganz verlassen und für eine Mitarbeiterin Platz machen, die nicht einmal annähernd im Stoff steckte. Wohlgemerkt in einem Ressort, für das es schon im Präsidium selbst keinen Fachmann gab. Nun heißt es von Außenstehenden nicht selten “Mit Katrin Pahlhorn wäre das nicht passiert.” Jens Kesseler, Schatzmeister bis Juni 2012, warnte ebenfalls: vor den finanziellen Problemen die anstehen und die mit diesen Strukturen nicht zu bewältigen seien. Er trat zurück – nichts passierte. Schon im vergangenen Frühjahr hatte der Verein Liquiditätsprobleme, auf die der damalige ehrenamtliche Geschäftsführer Clemens Jung hinwies. Jung bekam keinen Vertrag, das Präsidium hat auch aus diesem Dilemma nichts gelernt.

Und so ließe sich die Kette der Inaktivität des derzeitigen Lok-Präsidiums weiterführen, doch welchen Sinn hätte das? Fakt ist, dass das Präsidium des 1. FC Lok die eigene Satzung gebrochen hat. Dort heißt es in Paragraph 15, Absatz 6: “Das Präsidium hat dem Aufsichtsrat mindestens vierteljährlich schriftlich zu berichten, dies gilt insbesondere bei drohenden Verlusten, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit.” Eine Meldung an den Aufsichtsrat kam nicht. Das Vertrauen der Mitglieder dürfte man mit der “Aufschieberetis” spätestens jetzt auch verloren haben. Natürlich sind die Arbeitsumstände als dreiköpfiges Präsidium, das eigentlich zu fünft sein sollte, nicht ideal.

Allerdings locken die Begleitumstände um den Verein, der sich in der Öffentlichkeit nicht einmal darum bemüht, Strukturen vorzuzeigen, niemanden für ein erhöhtes Engagement hinter dem Ofen vor. Der Aufsichtsrat bemängelt zudem schon seit längerem auf L-IZ.de, dass die Arbeit mit dem Präsidium schwierig ist. Präsident Michael Notzon hat mit seinem privaten Darlehen über 50.000 Euro wenigstens kurzfristig Herz gezeigt. Einige Hoffnungen ruhen darauf, dass er dem Verein noch einmal hilft.

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Bleibt die Frage, wie die Insolvenz verhindert werden kann. Klar scheint, dass dies mit diesem Präsidium nicht möglich ist. Zu lange hielt es auch zuletzt an Lindner fest, klammerte sich an Verhandlungen, die Stand jetzt nur Zeitverschwendung waren. Energydrink-Hersteller Rox wird Lok nicht alleine helfen und überhaupt nur eine kleine Rolle spielen können. Am Ende scheint alles wieder an den Fans hängenzubleiben. Die ersten haben im Internetforum des Vereins bereits zu einer Spendenaktion aufgerufen. Aber diese würde den Verein im besten Falle erstmal nur am Leben halten, aber nicht auf eine solide Basis stellen.

Die kann es nur geben, wenn das derzeitige Präsidium verabschiedet wird und tatsächlich tragfähige Strukturen aufgebaut werden – was Fans dort bereits als Bedingung ausgemacht haben. Auch über die Entlassung der Frauenabteilung aus dem Verein und ein Herunterfahren der Nachwuchsarbeit muss geredet werden.

Unter den vielen Fans der ersten Saison, als zu den Heimspielen in der 3. Kreisklasse im Schnitt unglaubliche 3.325 Fans kamen, sind mit Sicherheit Menschen, die anpacken wollen, um ihre Loksche zu retten. Ihre Stunde schlägt jetzt, in ein paar Wochen könnte es schon zu spät sein und der Kult wäre nach neun Jahren endgültig vorbei – Insolvenz in der 4. Liga, nicht das erste Mal in Fußball-Leipzig. Aber hatte man daraus nicht gelernt, es nicht noch einmal soweit kommen zu lassen?

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