Über dem Leutzscher Holz braut sich was zusammen. Seit Juni 2011 teilen sich SG Leipzig Leutzsch und BSG Chemie Leipzig den Alfred-Kunze-Sportpark. Zwischen den Clubs, die sich beide als Nachfolger des DDR-Meisters von 1964 wähnen, tobt ein erbitterter Kleinkrieg. Dabei hat die SG Leutzsch möglicherweise die Grenze des gesetzlich Erlaubten überschritten.
“Wir machen aus einer Mücke keinen Elefanten.” Der Slogan auf Jamal Engel’s Mietwagen steht vielleicht wirklich für die Lebenseinstellung des SG-Vizechefs. Trainingszeiten, Stadionverbote, Neonazis im Stadion. Im Leutzscher Unterholz schlummert vieles, worüber sich trefflich streiten lässt – einige Mücken, die leicht zu Elefanten werden. Engel kann davon längst ein mehrstrophiges Lied singen. Sein Verein hat den Alfred-Kunze-Sportpark gepachtet. Und scheint vor wackligem finanziellen Hintergrund wenig auszulassen, um sich den Untermieter BSG Chemie zum Feind zu machen.
Aktueller Zankapfel: Die Betriebskostenabrechnung. Für das Jahr 2011 war die Kostenaufstellung zum 30. Juni fällig. Nebst Belegen. Engel reichte das Dokument “last minute”, wenige Stunden vor Fälligkeit beim Sportamt ein. Weil sich die Stadt an den Ausgaben der SG Leutzsch anteilig mit rund 50.000 Euro beteiligt, ist die Behörde zur Prüfung der Abrechnung verpflichtet. Dies erledigte eine Mitarbeiterin in Windeseile noch am gleichen Tag und zeichnete als geprüft gegen.
Eine Unterschrift mit Folgen: Denn die BSG Chemie beanstandete, dass ihr Nachbar rund 6.000 Euro für Sand und Erde ausgegeben hatte. Sportamtschefin Kerstin Kirmes ordnete eine Belegprüfung an. Ergebnis. Alles Okay. Die Chemiker freilich treibt der Zweifel um. Denn entgegen seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem zahlenden Untermieter, blieb Engel seinen Untermietern jegliche Kostennachweise schuldig.
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Was sagt das Sportamt zum seltsamen Gebaren? Nichts. “Zu Geschäftsunterlagen eines Vereins äußert sich die Stadt Leipzig nicht”, lässt ein Pressesprecher wissen. Dabei ist die Verwaltung gegenüber der Presse zur Auskunft verpflichtet, nicht zuletzt, weil kommunale Steuermittel im Spiel sind. Offensichtlich ist die Causa den Behörden bereits unangenehm.
Zu Recht scheint es: L-IZ.de liegt die Kostenaufstellung vor, die die SG Leutzsch dem Sportamt präsentiert hat. Ein Posten: “Sportparkmanagement Herr Engel Honorarabrechnung.” Kosten: 1.785 Euro im Monat. Dahinter verbirgt sich keineswegs ein Rundum-Gärtnereiservice, der das Stadion in Schuss hält. Die Ausgaben für Pflege und Betrieb der Sportanlagen werden gesondert geltend gemacht. Auch die Gehälter der drei Platzarbeiter finden sich einzeln auf der Kostenseite.
Höchstwahrscheinlich handelt es sich also um das Monatsgehalt für Jamal Engel’s Tätigkeit als Geschäftsführer der SG Leutzsch. BSG-Funktionäre wittern einen handfesten Betrug. Denn Verwaltungskosten zählen nicht zu den Betriebskosten. Sagt zumindest das Gesetz. Die BSG Chemie muss sich zu 23 Prozent an den Sportpark-Ausgaben der Leutzscher beteiligen, warum sie für das Gehalt Engels mit geradestehen sollten, wäre wenig plausibel.
Und es liegen weitere Anhaltspunkte vor, die einen Verdacht gegen die Sportgemeinschaft begründen könnten: Denn gleichzeitig sponsert Jamal Engel seinen Verein. Laut einem Etatplan, der L-IZ.de zugespielt wurde, wollte der Vorstandssprecher dem Club in der vorigen Saison insgesamt 8.000 Euro zahlen. Als Unterstützer treten seine beiden Web-Projekte auf – eine Partnerseite von einem Online-Reisebüro und eine von einem bekannten Vergleichsportal. Abrechnungen, die L-IZ.de vorliegen, lassen vermuten, dass sich Engels Einkünfte 2011 auf diesem Wege nur im dreistelligen Umsatzbereich bewegt haben.
Augenzeugen berichten indes, dass der umtriebige Geschäftsmann viel Zeit im Alfred-Kunze-Sportpark verbringen soll. Erstattet Engel lediglich einen Teil seines eigenen Jahressalärs in Form von finanziellen Zuwendungen zurück? Klingt pfiffig, wäre aber legal. Ungewöhnlich die Darstellung des mutmaßlichen Vorgangs allerdings in der Betriebskostenabrechnung. Dort taucht Engel’s Honorar in voller Höhe auf, aufs Jahr gerechnet 21.420,00 Euro. Im Gegensatz zu seinen Sponsorleistungen, die nun auf der Einnahmenseite mit keiner Silbe erwähnt werden.
Die Chemiker fühlen sich getäuscht. “Wir wollen die Belege einsehen, wie sie uns vertraglich zustehen”, erklärte BSG-Vorstand Remo Hoffmann am Donnerstag, 27. September. “Wenn es hart auf hart kommen sollte, klagen wir uns die Einsichtnahme notfalls ein.” Jamal Engel äußerte sich auf Nachfrage bislang nicht zu den Vorwürfen. Per E-Mail teilte der Verein am Dienstag vergangener Woche mit, sein Vorstandssprecher weile für eine Woche im Urlaub. Am Mittwoch, ein Tag nach dieser Auskunft war er allerdings auf der Geschäftsstelle anzutreffen. Offenbar möchte der heimliche Chef der SG Leutzsch derzeit eine Stellungnahme zum Thema Abrechnungen vermeiden.
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