Der letzte Strohhalm war viel zu dünn, um ihn ergreifen zu können. Ausgerechnet beim alten - und nun auch neuen - deutschen Meister hätten die Frauen des 1.FC Lok gewinnen müssen, um die Klasse doch noch zu halten. Turbine Potsdam zerstörte diese Hoffnung bereits in der ersten Halbzeit, ließ den Leipzigerinnen nicht die Spur einer Chance.

Am sonnigen Pfingstmontag waren 6.460 Zuschauer ins Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion geströmt, um mit dabei zu sein, wenn Turbine den vierten Meistertitel in Folge erringt. Mit dem Mute der Verzweiflung waren die Frauen des 1.FC Lok Leipzig in Begleitung des neuen Trainers Christof Reimann aufgebrochen, um vielleicht doch die Sensation zu schaffen, Potsdam – das unter Siegzwang stand – zu überlisten und den Ligaverbleib zu sichern. Dieser Plan ging nur bis zur 19. Spielminute auf, als die Japanerin Yuki Nagasato den Torreigen für Turbine eröffnete.
Knapp eine Viertelstunde hatte Lok, bei dem Lübcke für Aulrich in die Innenverteidigung gerückt war, dem blauen Riesen stand halten können, dann wurden die Unterschiede zwischen Meister und Absteiger immer augenscheinlicher. Zu langsam, zu weit weg vom Gegner, im Zweikampf unterlegen und Bälle, die keine zwei, drei Stationen schadlos in den Reihen der Lok-Elf gehalten werden konnten. Dazu kam kurz nach dem 1:0 auch noch ein bisschen Pech. Marlene Ebermann war in den gegnerischen Strafraum eingedrungen und wurde von Alex Singer weggegrätscht. Singer hatte unmittelbar zuvor Gelb gesehen, wäre bei einem geahndeten Foul mit Gelb-Rot vom Platz geflogen, Elfmeter inklusive. Doch Schiedsrichterin Kurtes aus Düsseldorf hatte keinen Regelverstoß erkannt, ließ weiterspielen (28.).

Statt des möglichen Ausgleichs und einer langen Überzahlsituation spielten Hanebeck und Göransson die Leipziger Abwehr schwindlig und produzierten das 2:0 (36.) – faktisch schon die Entscheidung. Lok war noch gut bedient damit, dass es zur Halbzeit “nur” 3:0 stand – vor allem Anonma, die den dritten Treffer markiert hatte, schluderte mit besten Chancen. Allerdings war auch sie es, die das 4:0 erzielte und sich damit die Torjäger-Krone der Bundesliga sicherte (22 Tore).
Chancen für Lok waren ein knappes Gut. Kapitän Anne Heller hatte allerdings die größte Leipziger Möglichkeit des ganzen Spiels. Die eingewechselte Lisa Pfretzschner hatte sie über rechts in Szene gesetzt, Heller stand mutterseelenallein am Elfmeterpunkt, konnte die Kugel aber nur an den Pfosten setzen. Dann schwappte die Potsdamer Welle mit voller Wucht über die Gäste und begrub sie unter einer Toreflut. Mit 8:0 musste Lok am letzten Spieltag die höchste Saisonniederlage schlucken – schon das Hinspiel war mit 0:7 verloren gegangen. Eine Viertelstunde vor dem Spielende verteilte man auf der Potsdamer Bank bereits eifrig die Meister-Shirts und drückte jeder Spielerin schon mal eine Flasche Sekt in die Hand. Nach dem Abpfiff floss dieser dann reichlich – sogar über das Sakko des gestrengen Meistertrainers Schröder.

Für Lok Leipzig endete das Abenteuer 1. Bundesliga auf dem letzten Tabellenplatz. Mit lediglich 13 Punkten und einem katastrophalen Torverhältnis von 16:79 war die Klasse nicht zu halten. Im kommenden Spieljahr wollen die Probstheidaer in der 2. Liga wieder angreifen. 17 Spielerinnen des aktuellen Kaders sollen dafür bereits verlängert haben.
Turbine Potsdam: Alyssa Naeher, Alex Singer, Babett Peter (78. Stefanie Draws), Jennifer Zietz, Bianca Schmidt (78. Jennifer Cramer), Viola Odebrecht (78. Margret Vidarsdottir), Patricia Hanebeck, Antonia Göransson, Isabel Kerschowski, Genoveva Anonma, Yuki Nagasato. Trainer: Bernd Schröder.
1. FC Lok Leipzig: Carolin-Sophie Härling, Anna Green, Jenista Clark, Katharina Freitag (44. Lisa Pfretzschner), Vera Homp, Marie-Luise Herrmann, Anne Heller, Kathleen Kelly, Lisa Reichenbach (78. Erika Szuh), Marlene Ebermann (55. Christina Nauesse). Trainer: Christof Reimann.

Torfolge: 1:0 Nagasato (19.), 2:0 Göransson (36.), 3:0 Anonma (39.), 4:0 Anonma (55.), 5:0 Nagasato (64.), 6:0 Nagasato (70.), 7:0 Vidarsdottir (86.), 8:0 Kerschowski (88.), Zuschauer: 6.460 im Karl-Liebknecht-Stadion, Potsdam, Schiedsrichter: Marija Kurtes (Düsseldorf), Gelbe Karten: Singer (Potsdam), Lübcke (Lok).
Essen-Schönebeck – VfL Wolfsburg 1:1 (0:0)
FF USV Jena – SC Freiburg 3:0 (1:0)
SC 07 Bad Neuenahr – Bayer 04 Leverkusen 0:0 (0:0)
FC Bayern München – Hamburger SV 4:1 (2:0)
Turbine Potsdam – 1. FC Lok Leipzig 8:0 (3:0)
1. FFC Frankfurt – FCR 2001 Duisburg 5:3 (1:2)1.) Turbine Potsdam 22 Spiele/ 56 Punkte/ +53
2.) VfL Wolfsburg 22/ 53/ +44
3.) 1.FFC Frankfurt 22/ 46/ +41
4.) FCR 2001 Duisburg 22/ 45/ +29
5.) Essen-Schönebeck 22/ 31/ +2
6.) FC Bayern München 22/ 28/ -9
7.) SC 07 Bad Neuenahr 22/ 26/ +4
8.) SC Freiburg 22/ 23/ -21
9.) Hamburger SV 22/ 22/ -17
10.) FF USV Jena 22/ 18/ -30
11.) Bayer 04 Leverkusen 22/ 15/ -33
12.) 1.FC Lok Leipzig 22/ 13/ -63

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