Nach einem halben Jahr als Cheftrainer der Leipziger Lok-Frauen, stellte Jürgen Brauße am Mittwoch sein Amt zur Verfügung. Damit zog er die Konsequenz aus einer Niederlagenserie, die am Wochenende in einem 2:9-Debakel gegen Wolfsburg gipfelte. "Man müht sich wie im Hamsterrad, und am Ende läufst du doch ins Leere", so Brauße gegenüber L-IZ.de.

Die rasante Sturzfahrt der Leipziger Bundesliga-Lokomotive hat mit Jürgen Brauße in dieser Saison nun bereits den zweiten Zugführer vom Steuerpult geweht. Im Oktober 2011 hatte der Coach, der die Lok-Frauen überhaupt erst in die 1. Bundesliga geführt hatte, die bis dahin glücklose Ex-Hamburgerin Claudia von Lanken abgelöst. Von seinem ersten Spiel auf der Trainerbank kehrte er allerdings mit einer heftigen 1:5-Niederlage aus Wolfsburg zurück. Am vergangenen Sonntag hieß der Gegner erneut Wolfsburg. In Probstheida setzte es mit 2:9 die bisher deutlichste Pleite für Lok im Oberhaus. Es war auch die siebente Liga-Niederlage in Folge – und das letzte Spiel für Jürgen Brauße. Fünf Partien sind jetzt noch zu absolvieren, in denen Braußes einstiger Co-Trainer und späterer Coach der 2. Frauenmannschaft Frank Tresp dem Team zur Seite gestellt wird. Den Klassenerhalt kann allerdings nur noch ein Wunder bewerkstelligen.

“Es war eine Seuchensaison”, blickt Brauße im L-IZ-Interview zurück. Das Grundübel für das schlechte sportliche Abschneiden sei “von Anfang an die ständige Unruhe” gewesen, die eine kontinuierliche Arbeit unmöglich machte. “Man kann mit einer Mannschaft, die gerade aufgestiegen ist, keine Experimente machen und ein komplettes Team auseinanderreißen”, so Brauße. So gelang es weder Von Lanken noch Brauße, in dem neu zusammengewürfelten Kader eben jenen starken Teamgeist wiederzubeleben, der in der Vorsaison maßgeblich zum Aufstieg beigetragen hatte.
Nachdem die Lok-Frauen im November sowohl in Jena (1:0) als auch in München (2:1) gewinnen konnten, keimte beim Coach noch einmal Hoffnung auf. Doch diese wurde im Februar jäh zerstört, als während der Winterpause einige Spielerinnen aufgrund verspäteter Gehaltszahlungen mit Leistungsverweigerung drohten und daraufhin vom Verein in die 2. Mannschaft verbannt wurden. “Der Streik hat das kleine Pflänzchen Hoffnung wieder zertreten und die Mannschaft in einen desolaten Zustand versetzt”, beschrieb der Trainer die verhängnisvollen Ereignisse. Hinzu kamen die ständigen – teilweise sehr deutlichen – Niederlagen, die am Selbstvertrauen der Spielerinnen nagten und die Mannschaft immer weiter verunsicherten. “Alles was wir im Vorfeld trainiert und besprochen hatten, war im Spiel schlagartig zerfallen. Das ist ein Ausdruck tiefer Verunsicherung”.

Offenbar fehlt es in der Mannschaft auch an der nötigen Struktur, um auf solche unkomfortablen Situationen von innen heraus reagieren zu können. Führungsspielerinnen sind rar und bei einigen Lok-Kickern scheint das Bewusstsein für den Leistungssport noch nicht vollständig angekommen zu sein. “Ich bin der Meinung gewesen, dass sich die Mädels selbst besser einschätzen können”, räumte Jürgen Brauße eine falsche Grundannahme ein, “ich hätte manchmal noch tiefer eingreifen müssen.”

Dennoch verlässt er den Verein nicht im Groll, und die Mannschaft hat sich für die geleistete Arbeit bei ihm bedankt. “Das war emotional interessant”, beschreibt Brauße den bewegenden Moment. Dem Frauenfußball möchte er weiterhin treu bleiben. “Ich bin vom Virus Frauenfußball angesteckt worden, das macht einfach Spaß”, sagt der 57-Jährige, der erst vor zwei Jahren bei Lok in dieses Metier eingestiegen war. Am Frauenfußball schätzt Jürgen Brauße vor allem, dass der Spaß am Fußball Spielen noch im Mittelpunkt steht. “Hier wird wirklich das Urtümliche am Fußball gelebt, Kommerz ist noch nicht so verbreitet”.

Auf der Lok-Trainerbank wird nun jedoch zunächst Frank Tresp den Platz von Jürgen Brauße einnehmen. Kann er das Fußballwunder vollbringen? “Ich wünsche ihm viel Glück!”, so Brauße zum Abschied.

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