Es war der vielleicht Aufsehen erregendste Erfolg, der je einer Leipziger Fußballmannschaft glückte. Vor 25 Jahren faszinierte der 1.FC Lok das ganze Land und stieß in einer atemberaubenden Europacup-Saison bis ins Finale vor. Diesem historischen Ereignis ist ein Buch gewidmet, das im Mai erscheinen wird. L-IZ.de veröffentlicht vorab exklusiv einige Textauszüge und verlost drei Exemplare des Buches.
(…) Loks vierter Schütze war Uwe Zötzsche, der sich zum zweiten Mal in diesem Spiel für einen Elfmeter fertig machte und damit den Blutdruck der Anwesenden in die Höhe trieb. Würde er auch ein zweites Mal scheitern? Nein, nach einem energischen langen Anlauf schob er den Ball mit der linken Innenseite straff rechts ins Tor. Weil Dropsy in die andere Ecke gesprungen war, stand es 3:3 nach jeweils vier Schützen. Jedes Team durfte noch einmal. Ging es noch spannender?
Girondins-Trainer Jacquet entschied sich für einen Jungspund als fünften Schützen. Der 19-jährige Alain Roche hatte wegen einer Gelbsperre im Hinspiel gefehlt. Im Zentralstadion zeigte Frankreichs späterer “Fußballer des Jahres 1992” eine sichere Partie. Um seinen Elfmeter machte der Libero wenig Aufhebens. Mit seinem kurzen Anlauf und einem knackigen Schuss ins linke Eck verlud er Müller und setzte Lok unter Zugzwang. Genauer gesagt Dieter Kühn, der vorerst letzte Schütze der Leipziger. Er konnte bislang noch auf keine große persönliche Saison zurückschauen. Während Richter, Leitzke und Marschall spielten, saß Kühn oft auf der Bank. Er war der Joker, hatte aber oft auch Pech. Symptomatisch dafür war das 1:1 gegen Wien, als er nur die Pfosten getroffen und erst Richter den Ball über die Linie gedrückt hatte. Dieser Mann sollte nun den FCL im Spiel halten. Würde er verschießen, wäre das Spiel vorbei.
“Alle Wünsche, alle Daumen drücken”, forderte Schröter und wurde offenbar erhört. Dropsy war zwar in die richtige Ecke gesprungen, konnte Kühns scharf und platziert geschossenen Ball aber nur an den eckigen Torpfosten leiten, von wo er ins Tor sprang. Während Kühn um gefühlte 20 Kilogramm erleichtert zurück zum Mittelkreis trabte, stellte sich Dropsy fassungslos, immer wieder auf den Ball schauend, neben den Pfosten. An dieser Stelle hätte für Lok alles vorbei sein können. Aber wegen ein paar wenigen Zentimetern ging das Drama weiter. Den Fans im Stadion war trotzdem wieder mulmig geworden. Nun konnte jeder Elfmeter die Entscheidung bringen.
Für Bordeaux tippelte Jean Tigana Leipzigs Torhüter entgegen. Bei der EM 1984 hatte er im Halbfinale mit Frankreich gegen Portugal gespielt. Als das Spiel in die Verlängerung ging, flehte er seine Mannschaftskollegen an, sie sollten unbedingt im Spiel für die Entscheidung sorgen. Schließlich habe er noch nie ein Elfmeterschießen in seiner Karriere gewinnen können. Frankreich gewann letztlich 3:2 nach Verlängerung. Knapp drei Jahre später in Leipzig wirkte Tigana ganz und gar nicht ängstlich. Stattdessen schoss er einen der besten Elfmeter für die Franzosen, die dadurch erneut in Führung gingen.
Wieder schauten alle im Stadion zum Mittelkreis. Wer würde nun kommen und hoffentlich erneut ausgleichen? Wolfgang Altmann lud all die Hoffnungen der Fans und Mannschaftskollegen auf sein Kreuz und schritt zur Tat. Das wunderte niemanden, denn Altmann war ein mannschaftsdienlicher Spieler, den alle wegen seiner Zuverlässigkeit mochten. Es war nur zu logisch, dass solch ein Mann hier ran musste. Dropsy empfing ihn im Tor wie ein Tiger, auf und abgehend, die Hände in die Hüften gestützt. Noch einmal die Luft des Balles prüfend jonglierte Altmann für Sekunden am Elfmeterpunkt. Dann täuschte er Dropsy kurz vor dem Berühren des Balls mit einer einfachen Finte und erzielte das 5:5.
Langsam wurden die Schützen knapp. Bordeaux hatte noch Fargeon, Thouvenel, Dropsy und die beiden Vujovics im Angebot. Bei Lok konnten noch Baum, Richter, Kreer, Bredow und Müller antreten. Nachdem das Fernsehen Altmanns Elfmeter in der Wiederholung gezeigt hatte, schaltete der Regisseur auf die Kamera am Mittelkreis um. Mit den besten Wünschen wurde dort Zoran Vujovic Richtung Tor verabschiedet.” (…)
Nachzulesen auf den Seite 164 – 166 in:
Thomas Franke/ Marko Hofmann
“neunzehn87. Der Triumphzug des 1. FC Lok durch Europa”
Connewitzer Verlagsbuchhandlung
324 Seiten, 26 Euro
ISBN 978-3-937799-67-4
Erscheint im Mai 2012
Mehr Informationen:
www.facebook.com/neunzehn87
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