Nicht nur im Bund hat sich die Schuldenbremse als völlig falsches Instrument für Krisenzeiten erwiesen. Auch in Sachsen gibt es seit 2013 eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse, welche die Spielräume der Regierung, in Zeiten der Krise mit Investitionen gegenzusteuern, praktisch auf null reduziert. Am Dienstag, dem 18. März, entschied der Deutsche Bundestag in einer Sondersitzung über Änderungen im Grundgesetz zur Aufnahme von Schulden für Verteidigung und Infrastruktur. Auch die Länder sollen mehr Spielraum für die eigene Verschuldung bekommen, um dringend benötigte Investitionen tätigen zu können.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag setzt sich jetzt in einem Papier mit den notwendigen Maßnahmen in Sachsen auseinander und skizziert wichtige Bereiche, die nun Investitionen benötigen.
„Sachsen hat einen schwierigen Haushalt vor sich“, geht Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, auf die Probleme in Sachsen ein.
„Noch gravierender wird die Aufstellung des nächsten Haushaltes 2027/28. Die Einigung auf Bundesebene kann in der aktuellen wirtschaftlichen Situation eine entscheidende Hilfe sein. Darum fordern wir die sächsische Minderheitskoalition auf, zügig die Einigung auf Bundesebene im Haushaltsentwurf einzuarbeiten und nutzbar zu machen; insbesondere die Möglichkeit der Kreditaufnahme.“
Auch Sachsen hat sich künstlich arm gerechnet und über Jahre viel zu wenig in Infrastrukturen investiert. Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden ist ein Symptom dieses selbstorganisierten Investitionsstaus. Gleichzeitig werden die Kommunen im Freistaat so knapp gehalten, dass sie inzwischen reihenweise keine genehmigungsfähigen Haushalte mehr aufstellen können.
Die vom Landtag festgezurrte Schuldenbremse hat ausgerechnet dort die Demokratie am stärksten beschädigt, wo die Menschen erleben, was passiert, wenn das Geld für das Allernotwendigste fehlt.
„Sachsen braucht Instrumente, die angemessen auf die andauernde Situation reagieren und öffentliche Haushalte ein Mindestmaß an zukunftsorientierten Investitionen absichern können“, sagt Schubert.
„Es ist zentral und legitim, dass ein Teil staatlicher Investitionen über Kredite finanziert wird und die Einnahmeausfälle bei Ländern und Kommunen kompensiert werden. Kredite sind kein Teufelswerk, wie in Teilen der sächsischen CDU und auch von diversen sächsischen Finanzministern behauptet wurde. Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, keine verdeckten Schulden durch viel zu lange unterlassene Investitionen anzuhäufen.“
Selbstverursachte Dauerkrise
Womit auch deutlicher wird, warum CDU und Grüne nach vier Jahren gemeinsamen Regierens so zerstritten auseinander gegangen sind. Denn das Festklammern der CDU an der restriktivsten Schuldenbremse in ganz Deutschland hat das Land in einen Dauerkrisenmodus versetzt.
Im Positionspapier werden die Grünen sehr deutlich: „Sechs Krisenjahre in Folge haben Sachsen gefordert. Hier hätte es schneller Antworten und Entscheidungen gebraucht. Wir waren dazu bereit; die CDU hat es entgegen aller Expertenmeinungen verhindert. Als einzige Fraktion hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der vergangenen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorgelegt, wie die sächsische Schuldenbremse anzupassen ist, damit sie auf wirtschaftliche Schwierigkeiten und Inflationen reagieren kann.
Die sächsische Schuldenbremse kann das in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht. Sie ist deutschlandweit die restriktivste und weist erhebliche Mängel auf. Die Kriterien sind so hart, dass die im Grundgesetz geregelte konjunkturelle Kreditaufnahme in Sachsen de facto ausgeschlossen ist. Sachsen kennt nur eine einzige Ausnahme: wenn das Parlament die Notlage erklärt, was 2020 in der Corona-Pandemie erfolgt ist.“
Vor allem fordern die Grünen „die Integration einer echten Konjunkturkomponente in die sächsische Schuldenbremse“, damit die Haushalte auf die tatsächliche Konjunkturentwicklung reagieren können. Und dann zählen die Grünen auf, wo Sachsen dringend investieren muss – und wo in den vergangenen Jahren aus finanzpolitischer Unvernunft immer „gespart“ wurde – und da geht es nicht nur um das Herzensthema der Grünen, den Klimaschutz, sondern auch um Bildungsausgaben, Mobilitätswende, Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Und sie betonen letztlich auch, warum die Knauserpolitik der CDU bei Investitionen am Ende teuer wird für künftige Generationen: „Kredite sind kein Teufelswerk, wie in Teilen der sächsischen CDU und auch von diversen Finanzministern behauptet wurde. Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, keine verdeckten Schulden durch viel zu lange unterlassene Investitionen anzuhäufen.“
Das Positionspapier findet man auf der Website der sächsischen Grünenfraktion.
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Es gibt 9 Kommentare
Es ist nicht Wurscht, ob Tunnel oder Brücke – jedenfalls nicht wenn es um die Kosten für Bau und Betrieb geht.
Der Tunnel kostet im Bau gut 50% mehr und im Betrieb muss man auch mehr Geld einplanen. Der Tunnel wird eine Unterführung neben einem Fließgewässer in einer Flussaue. Wenn der nicht absaufen soll, muss man schon einigen Aufwand zur Entwässerung betreiben.
Hallo TLpz,
Retourkutsche: Reflektieren Sie einfach, wenn Formulierungen als sinnlos hingestellt werden.
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Der Klammeraffe macht bei direkten Referenzen Sinn, zum Beispiel bei X / Twitter, weil dann gleich auf den Namen geklickt werden kann und danach etwas passiert. Auch in gängigen anderen Plattformen / Collaboration-tools der Industrie zum Beispiel kann man mit dem @ bequem und direkt bezeichnen, weil beim Erwähnen automatisch eine Mail an denjenigen versendet wird, oder weil man an seine Kontaktdaten kommt.
Hier auf der Seite jedoch bringt das gar nichts. Es gibt hier nur wenige interaktive Funktionen wie die Linkumwandlung beim Texten, daher ist das “Ätt” nur ein anderes “Hallo”, was ein bißchen schneller geht. Man nimmt es halt, weil man sich an den Quatsch gewöhnt hat, so wie Büro-Denglisch oder was auch immer, aber es bleibt trotzdem bißchen bequemer Quatsch, solange dahinter keine Funktion steht.
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> “Bezüglich der Agra ist es ja aber völlig Wurscht, ob der Verkehr in einem Tunnel oder über eine Brücke abgewickelt wird. Von daher ist dieser Einwand in diesem Kontext nonsens.”
Meinen Sie mit “völlig Wurscht”, dass die Investitionen zur Errichtung, und später die zum Betrieb, für Tunnel und Brücke gleich hoch sind? In diesem Kontext meinte ich meinen Kommentar jedenfalls.
@Sebastian
Gewöhnen Sie sich einfach an die gängige Internetkommunikationssprache, wenn Sie in diesem Medium mit diskutieren möchten. Das Ätt ist da allgemein üblich wenn man nicht direkt auf einen Kommentar antworten kann…
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Bezüglich der Agra ist es ja aber völlig Wurscht, ob der Verkehr in einem Tunnel oder über eine Brücke abgewickelt wird. Von daher ist dieser Einwand in diesem Kontext nonsens.
Ätt alle, die das @-Zeichen so lieben,
Die Carolabrücke (genauer: Der Brückenteil der Straßenbahn) stürzte ein, weil die Spannstahlseile im Beton über die Jahrzehnte nach und nach gerissen sind. Irgendwann trugen nicht mehr genug Seile die Last, so dass eine kalte Nacht dazu führte, dass die Brücke an ihrer eigenen Last zusammenbrach.
Die Brücke war unter regulärem, städtischem Überwachungsregime. Deswegen gab es auch Bewertungen vom “Brücken-TÜV”. Das Problem war, dass der zugrundeliegende technische Prozess der Zerstörung im Innern nicht bekannt war. Durch “Hinsehen” kann man den Zustand der Spannseile nicht beurteilen. Deswegen brach die Brücke ohne Vorhersage zusammen, nicht weil es einen “selbstorganisierten Investitionsstau” gab.
Man hat gelernt und die Mikrofonmethode an den verbleibenden zwei Brückenteilen angewandt. Auch dort knallten in den letzten Wochen immer wieder Spannseile durch, wenn es Temperaturstürze gab. Auch deswegen gelten diese beiden Teile als akut einsturzgefährdet.
Und das, obwohl die erst vor kurzem SANIERT wurden. Da wurde also INVESTIERT. Trotzdem trägt es nicht, denn es fehlte bei dieser Sanierung offenbar an technischem Wissen. Das alles kann einen fassungslos machen, leben wir doch in einer Welt voller Regeln, Forschung, Wissenschaft und Überwachung. Nichts darf schiefgehen. Aber ausgerechnet eine dauerüberwachte Brücke, die zu zwei Dritteln nach den damals anerkannten Regeln der Technik schon saniert war, als Sinnbild für Investitionsstau zu nehmen, ist nicht zu untermauern. Das ist ein falsches Sinnbild.
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Hallo Christian,
> “Und manchmal denke ich, hat dieser ungeheure Aufwuchs an Infrastruktur, den wir uns in den fetten Jahren geleistet haben, zu einem Riesenpool an Bauwerken geführt hat, deren Pflege einfach nur noch eine Wahnsinnsaufgabe ist. Finanziell und personell.”
Das sehe ich auch so. Und trotzdem wird über einen Agra-Tunnel nachgedacht, damit man oben leiser flanieren kann.
Investitionsstau hat es gegeben, die Politik hat hier zu wenig Priorität eingeräumt.
Jedoch sind auch veränderte Nutzungsbedingungen, wie z.B. stärkere Beanspruchung ein wichtiger Grund für den Verschleiß solcher Bauwerke.
Oft haben wir hier die Diskussion des Verkehrsaufkommens in den Städten / auf den Straßen: früher und jetzt.
Warum sollte eine damals geplante Brücke / Straße diesen vielfachen Verkehr einfach so wegstecken können? (Alles Kosten, die der motorisierte Verkehr langfristig erzeugt!)
Damals plante man schmaler und für leichteren Verkehr.
Und manchmal denke ich, hat dieser ungeheure Aufwuchs an Infrastruktur, den wir uns in den fetten Jahren geleistet haben, zu einem Riesenpool an Bauwerken geführt hat, deren Pflege einfach nur noch eine Wahnsinnsaufgabe ist. Finanziell und personell.
Der Defekt der Carolabrücke ist nicht auf Tausalze zurückzuführen:
“Eine Kombination aus besonderer Temperaturbeanspruchung und Verkehrslast auf der Brücke führte, so die Überzeugung der Prüfer, zu den entscheidenden Spanndrahtbrüchen. In diesem Moment konnten die neuen Schäden nicht mehr durch weitere Lastumlagerungen ausgeglichen werden.”
“Die Prüfer äußerten sich auch zum Einfluss von Tausalzen auf den Brückeneinsturz. Sogenannte chloridinduzierte Korrosion, also durch Tausalz ausgelöste Korrosion, habe an Brückenzug C zwar stattgefunden. Anders, als zu Beginn vermutet, war diese jedoch nicht ursächlich für den Einsturz.”
Eigentlich ist es ganz einfach:
Ein Bauwerk entsteht. Es hat gewisse Wartungsintervalle und eine prognostizierte Nutzungsdauer.
Die dafür benötigten Mittel kann man also grundsätzlich planen, gern auch mit einem Faktor für die erwartete Kostensteigerung.
Und dann stellt man des Geld im Haushalt ein und hat es, wenn das Bauwerk am Lebensende angekommen ist.
Klar, wurde in der Vergangenheit nicht so gehandhabt. Könnte man aber ab jetzt machen. Leider kein langfristiges Denken…
Die Frage wäre, was hier mit “selbstorganisiert” gemeint gewesen ist? Und anstelle “Investitionensstau” möchte man eher “Wartungsunwillen” setzen. Übrigens hörte ich, die Brücke sei daher so kaputt gewesen, weil an den Mastengründungen laufend Wasser eingedrungen sei. Dann läge ein Baumangel, eher ein Umbaumangel, vor. Und Scharlatanerie im Sachverständigenbereich?
@Sebastian
Fakt ist, dass zahlreiche Brücken seit 10, 15, 20 oder noch mehr Jahren auf der Sanierungsliste stehen, aber wegen fehlender Planungsmittel und Baumittel nicht ersetzt werden können. In Leipzig sind alle Auwaldquerungen mit einer Note schlechter 3,0 bewertet. In einigen Fällen ist nur noch ein Ersatzneubau möglich. Leipzig müsste deutlich mehr Brücken erneuern als es wegen der finanziellen Situation kann und so geht es fast allen Kommunen und auch dem Freistaat. Der spontanen Sperrung der einen oder anderen Brücke in den letzten 8 Monaten wird nicht so schnell ein Ersatzneubau folgen, weil schon das Geld für die Planungen fehlt.
> “Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden ist ein Symptom dieses selbstorganisierten Investitionsstaus.”
Das dürfte wirklich großer Quatsch sein.