In der vergangenen Woche tagten die Innenminister der Länder. Eigentlich eine eher unspektakuläre Sache. Würden die von der CDU gestellten Innenminister so eine Tagung nicht auch wieder zu einem Wahlkampfauftritt machen und jede Möglichkeit nutzen, für eine noch härtere Gangart in der Migrationspolitik zu werben. Das taucht dann in der ganz offiziellen Pressemeldung von Sachsens Innenminister Armin Schuster als Forderung nach einer „Migrationswende“ auf.
Ein Wort, das direkt aus dem Arsenal der AfD zu stammen scheint, mit dem aber CDU-Politiker nun seit Wochen versuchen zu suggerieren, noch mehr Abschiebungen und noch mehr Abschottung könnten so etwas wie eine „Migrationswende“ bringen. Armin Schuster lässt da auch keine Gelegenheit aus, ein tiefschwarzes Bild zu malen.
„Der Einigung zu Sicherheitsmaßnahmen und Befugnissen der Sicherheitsbehörden gingen schwierige Verhandlungen voraus. Dass die Konferenz aber gemeinsame Lösungen gefunden hat, zeigt, dass das auch mit der Bundesregierung möglich wäre“, erklärte Armin Schuster nach der Innenministertagung.
„Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun endlich den Vermittlungsausschuss anruft, damit wir das Sicherheitspaket nach den Anschlägen von Mannheim und Solingen zu dem machen können, was es bringen soll: ein Plus an Sicherheit für die Bevölkerung.“
Noch mehr Polizeibefugnisse
Worum geht es da? Um zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden über die aktuelle Gesetzeslage hinaus.
Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), hatte eine Beschlussvorlage zur Neuregelung des Sicherheitspaketes eingebracht. Was darin gefordert wird, beschreibt das sächsische Innenministerium so: „Die Innenministerkonferenz weist darauf hin, dass es zusätzlicher Befugnisse für die Sicherheitsbehörden bedarf, die den aktuellen Herausforderungen gerecht werden. Es geht darum, dass die Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene weniger auf die Hinweise auswärtiger Dienste angewiesen sind.
Die Innenminister der Länder fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die gesetzliche Umsetzung einer Mindestspeicherfrist von sechs Monaten vorsieht. Die Innenministerkonferenz bittet den Bund, zu prüfen, ob im Strafgesetzbuch und im Jugendgerichtsgesetz für geeignete Delikte ein Verbot des Führens von Waffen und Messern als Maßregel der Sicherung und Besserung eingeführt werden kann. Auch sollen Rechtsgrundlagen geschaffen werden, um biometrische Daten mit im Internet frei zugänglichen Bilddateien abgleichen zu können.
Der Bund soll zudem einen Echtzeitabgleich von biometrischer Gesichtserkennung ermöglichen. Auch soll künftig für Körperschaften und Vereine, die ihren Finanzbedarf in erheblichem Umfang aus Quellen im Ausland decken und bei denen Extremismus-Verdacht besteht, eine Pflicht zur Offenlegung unmittelbarer und mittelbarer ausländischer Finanzierungsquellen gegenüber den zuständigen Sicherheits- und Finanzbehörden bestehen.“
Die Innenministerkonferenz hat sich am 6. Dezember auf diese Beschlussfassung verständigt.
Entkernung des Asylrechts als „Migrationswende“
Aber der Forderung der CDU-Innenminister, die Migrationspolitik zu verschärfen, scheiterte am „Nein“ ihrer Kollegen ohne CDU-Parteibuch. Denn was die CDU fordert, ähnelt immer mehr den Forderungen der AfD. Es geht immer mehr nur noch um Abweisung und Abschiebung.
„Wir brauchen eine Migrationswende“, behauptete Armin Schuster nach der Tagung. „Die Schritte, die andere Länder dabei gehen wollen, sind zu klein und zu zögerlich. Es ist daher mehr als bedauerlich, dass keine einstimmige Aufforderung an die Bundesregierung aus der Innenministerkonferenz bei diesem dominierenden Thema zustande gekommen ist.
Für die Kommunen würde die Vollendung des Kurswechsels in der Migrationspolitik eine wichtige Entlastung bedeuten. Meine Erwartungen für einen restriktiveren Asylkurs – und damit verbunden die Chance für vernünftige Integration in den Kommunen – richten sich nun an eine neue Bundesregierung.“
Schon seit den Ereignissen in Rostock und Solingen vor über 30 Jahren wurde die Asylgesetzgebung in Deutschland immer mehr entkernt und gegenüber den Asylsuchenden verschärft. Eine „Wende“ in der Migrationspolitik wären die Forderungen der CDU-Politiker also nicht, sondern nur eine weitere Verschärfung, ohne dass die früheren Verschärfungen in irgendeiner Form tatsächlich Entlastungen für die Kommunen gebracht hätten.
Und es sind auch wieder nur die alten Instrumente, welche die Innenminister von Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Sachsen als Beschlussvorschlag eingebracht haben, vom Sächsischen Innenministerium so aufgelistet:
- Grenzkontrollen und Zurückweisungen auch bei geäußertem Asylgesuch nach Drittstaatenregelung
- Rückführung von Mehrfach- und Intensivstraftätern aus Afghanistan verstetigen
- Armenien, Indien, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten erklären
- bei Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent beschleunigte Asylverfahren
- Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter aussetzen und freiwillige Bundesaufnahmeprogramm stoppen
Was den Kommunen tatsächlich helfen würde
Dass die Probleme der Kommunen mit all dem gar nichts zu tun haben, wird ausgeblendet. Denn da ginge es um eine realistische und ausfinanzierte Wohnungspolitik und verlässliche Kommunalfinanzen – beides bekanntlich auch in Sachsen nicht gewährleistet. Im Fahrwasser der AfD suggeriert die CDU, die Flüchtlingszahlen würden dann einfach sinken, wenn man das Land dicht macht. Und die selbstgemachten Probleme verschwänden gleich mit.
Von einer in die Zukunft gerichteten Politik kluger Lösungen ist das alles weit entfernt. Aber da nun mittlerweile vier Parteien auf dem Thema Migration herumreiten, ist das Thema so omnipräsent, dass immer mehr Wähler tatsächlich glauben, es wäre das tatsächliche Problem der Zeit. Oder so formuliert: Es ist ein Ablenkungsthema, das den Blick von den tatsächlichen politischen Baustellen wegnehmen soll und das vor allem eins produziert: Angst und Feindbilder.
Das wollten auch bei der Innenministerkonferenz nicht alle Beteiligten so mittragen. Und so musste auch das sächsische SMI melden: „Die Innenministerkonferenz konnte sich heute nicht auf diese Beschlussvorlage verständigen.“
Dass eine „Migrationswende“ völlig anders aussehen müsste, benannte noch am selben Tag die Bundestagsabgeordnete der Linken, Clara Bünger: „Die Kommunen müssen auskömmlich finanziert werden. Es fehlt an Sprachkursen, Kita-Plätzen und medizinischer Versorgung für alle. Es ist ein Trugbild, dass ständig Familien an den deutschen Grenzen stehen würden, um dann im nächsten Ort direkt in eine Dreiraumwohnung einzuziehen. Deshalb ist die Forderung nach mehr Zurückweisungen reiner Populismus und entbehrt im Übrigen jeder Rechtsgrundlage.“
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