Bei den Koalitionsverhandlungen in Dresden saßen zwar auch die Vertreter von Landkreistag und Städte- und Gemeindetag mit am Tisch. Aber der seit letzter Woche vorliegende Koalitionsvertrag verspricht genau da keine Entlastung, wo die Kommunen im Freistaat Sachsen zunehmend unter Druck stehen. „Im Ergebnis sind sich die beiden kommunalen Landesverbände einig: Dieser Koalitionsvertrag ist zu wenig für unser Land!“, stellen der Sächsische Landkreistag (SLKT) und der Landesvorstand des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG) in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 9. Dezember fest.

„Er setzt überwiegend auf ein Weiter so und sendet kaum Impulse für den Veränderungsbedarf im Freistaat Sachsen.“

Das Hauptproblem ist die immer schlechter werdende Ausfinanzierung der kommunalen Ebene, wie der Leipziger Landrat Henry Graichen, Präsident des SLKT, und der Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche, Präsident des SSG, in ihrem gemeinsamen Statement feststellten: „Der Freistaat, die Gemeinden, Städte und Landkreise befinden sich in einer prekären Finanzsituation. Wir brauchen ein klares Programm und entschlossenes Handeln, um Strukturreformen einzuleiten und die öffentliche Hand zu konsolidieren.

Der Koalitionsvertrag zeigt zwar einige positive Ansätze, wenn die künftigen Koalitionäre die Landesverwaltung kritisch überprüfen, den ungezügelten Personalaufwuchs der letzten Jahre stoppen und den Kommunen wieder mehr Freiheit und Verantwortung einräumen wollen. Gemessen am Handlungsbedarf ist das aber zu wenig. Konsolidierung der öffentlichen Hand ohne tiefgreifende Entbürokratisierung und Verschlankung ist unmöglich.

Ebenso notwendig ist ein sofortiger Stopp für neue Standards. Nur so bekommen Wirtschaft und Kommunen wieder Luft zum Atmen und können neue Belastungen für die Einwohner vermieden werden. Schließlich muss auf neue soziale Leistungen wie z. B. ein kostenloses Kita-Vorschuljahr verzichtet werden. Es kann stets nur das verteilt werden, was vorher erwirtschaftet wurde.“

Rücklagen, aus denen sie die auflaufenden Kosten insbesondere im Sozialbereich auffangen könnten, haben Sachsens Kommunen nicht. Und dabei stellt der Koalitionsvertrag selbst fest, welche jährlichen Defizite schon jetzt feststehen: Da geht es um 500 Millionen Euro bei den Landkreisen und 300 Millionen Euro bei den Kreisfreien Städten, insbesondere aufgrund der steigenden Soziallasten. Notwendig sei ein entsprechender finanzieller Ausgleich für die Soziallastenträger außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes, stellen die beiden Präsidenten fest. Die Städte und Gemeinden des ländlichen Raums pochten ebenso auf eine Verbesserung ihrer Einnahmesituation.

Die Abstimmung mit der kommunalen Ebene stimmt nicht

Ein wenig wunderte sich der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Rico Gebhardt, über die gemeinsame Pressemeldung: „Wir teilen die Auffassung der kommunalen Spitzenverbände, dass der Koalitionsentwurf der wahrscheinlichen Minderheitsregierung aus CDU und SPD nicht der große Wurf ist. Vieles liest sich wie ,weiter so‘ und alle neuen Ideen stehen unter Finanzierungsvorbehalt.

Trotzdem lässt mich die Stellungnahme der Präsidenten des Landkreistages und des Städte- und Gemeindetages, Landrat Henry Graichen und Oberbürgermeister Bert Wendsche, etwas ratlos zurück. Waren nicht beide an der Ausarbeitung des Koalitionsvertrages beteiligt? Konnten sie sich nicht mit ihren Positionen durchsetzen? Dann wäre das ein schlimmes Zeichen der Minderheitskoalitionäre gegenüber den berechtigten Forderungen der Landkreise, Städte und Gemeinden.“

Aber für Gebhardt liegt eine der Ursachen für die zunehmende Finanzmisere in den Kommunen auch in der Kreisreform von 2008, bei der im ganzen Freistaat Kreise zu größeren Kreiseinheiten zusammengelegt wurden. Eine damals als Spar-Projekt verkaufte Reform, die in vielen Belangen die Erwartungen nicht erfüllt hat.

„Wir müssen ehrlicherweise auch feststellen, dass die Bildung der Landkreise Görlitz und Nordsachsen von Beginn an strukturelle Probleme aufwarf“, sagt Rico Gebhardt. „Darauf haben wir schon bei der Bildung der Großkreise hingewiesen. Unsere Befürchtungen waren leider berechtigt, doch Jammern hilft heute nicht weiter. Wenn wir gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen wollen, ist eine gemeinsame Verständigung zu den Staatsfinanzen nötig – nicht nur zu den Kommunalfinanzen. Pflichtaufgaben wie freiwillige Aufgaben müssen erfüllt werden.“

Vorschlag: Hauhaltstrukturkommission

Deswegen schlage die Linksfraktion jetzt eine ständige Hauhaltstrukturkommission vor (Drucksache 8/651), die schnelle Strukturveränderungen anstoßen soll. In ihr sollen die Landtagsfraktionen, die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Spitzenverbände der Kommunen und der Wirtschaft sowie der Rechnungshof besprechen, wie die Einnahmen gesteigert und Ausgaben so gesenkt werden können, dass Soziales, Bildung, Kultur, Klimaschutz und Ehrenamt keinen Schaden nehmen.

Gebhardt: „Setzen wir uns gemeinsam an einen Tisch und finden Lösungen statt Schuldzuweisungen, die nur denjenigen helfen, die die Demokratie verächtlich machen.“

Ganz ähnlich kritisierten auch Wendsche und Graichen die fehlende Kommunikation an der Landsspitze, die ihre Reformen meist auch gegen die Kritik aus den Kommunen durchgesetzt hat und die Rufe nach einer tatsächlich auskömmlichen Kommunalfinanzierung immer wieder ignoriert hat: „Uns ist bewusst, dass die bevorstehende Regierungsbildung eine der schwierigsten seit Anfang der 1990er Jahre ist. Umso wichtiger ist es, dass die Landespolitik nun einen klaren ordnungspolitischen Kompass zeigt, Aufbruchstimmung erzeugt und Prioritäten setzt.

Die dringenden Herausforderungen bei der Modernisierung des Staates und der Konsolidierung seiner Finanzen, beim Erhalt der öffentlichen Infrastruktur, zur Erhöhung der wirtschaftlichen Wertschöpfung, bei Bildung, Migration und gesellschaftlichem Zusammenhalt müssen in den kommenden fünf Jahren im Mittelpunkt stehen und bewältigt werden. Wir brauchen ein neues Miteinander und kein altes Gegeneinander. Die kommunale Ebene ist bereit für ein neues Miteinander.“

Dass sie sich nun zu Wort meldeten, obwohl sie beratend an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen konnten, zeigt, dass sich die Lage in den nächsten Jahren keineswegs entspannen wird und immer mehr Kommunen in die finanzielle Schieflage zu geraten drohen.

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