Keine Daten, keine Zahlen. Der Abgeordnete der Linken in Sächsischen Landtag, Marco Böhme, ist zutiefst frustriert über die jüngste Antwort der Staatsregierung auf seine Anfrage zu Radwegen an Staats- und Bundesstraßen. Es ist ja nicht so, dass er zum ersten Mal danach gefragt hätte. Das Thema hat ihn die ganzen vergangenen fünf Jahre begleitet. Doch was er jetzt an Auskunft bekam, war an Inhaltslosigkeit kaum noch zu übertreffen.

Eine „Nicht-Antwort des Verkehrsministeriums“ nennt er das, was ihm die Staatsregierung nun auf seine Kleine Anfrage zu „Radwegen beim Aus- und Neubau von Staats- und Bundesstraßen“ (Drucksache 7/16535) zur Antwort gab.

Denn die Regierung müsste eigentlich eine detaillierte Übersicht haben zu allen Staatsstraßen im Land. Und auch zu den Radwegen an diesen Straßen. Das hat sie sich nämlich selbst 2019 zur Pflicht gemacht, wie Böhme zitiert: „Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD aus dem Jahr 2019 heißt es: ‚Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, den Anteil der in Sachsen mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege bis zum Jahr 2025 zu verdoppeln (…) Beim Neu- und Ausbau von Staatsstraßen wird künftig ein Radweg mitgebaut‘ (S. 50).“

Und dazu fragte er ganz konkret nach. Denn wenn Radwege mitgebaut werden, müsste das Verkehrsministerium ja auf den Meter genau wissen, wie viele.

„Zur Umsetzung der in Rede stehenden Zielstellung wurde per Erlass vom 16. Juli 2019 verfügt, dass für alle zukünftigen und aktuell laufenden Straßenbaumaßnahmen eine Prüfung zur Notwendigkeit der Trennung der Verkehrsarten durchzuführen und in den Planunterlagen zu dokumentieren ist. Einheitlich ist diese Prüfung für alle neuen Planungen und für bereits laufende Planungen durchzuführen, die sich im Juli 2019 noch nicht im Baurechtsverfahren befanden“, schlägt das Verkehrsministerium in seiner Antwort erst einmal den ganz großen Bogen.

„Grundsätzlich muss damit beim Neu-, Um- und Ausbau von Bundes- und Staatsstraßen eine alternative Wegeführung für den Radfahrer angeboten werden, wenn die Notwendigkeit des Bedarfes nicht schlüssig widerlegt werden kann. Die Prüfung erfolgt in jeder Planung und wird in den Unterlagen dokumentiert.“

Da steht es: Es müsste dokumentiert werden.

Ganz schwere Übung: Digitalisierung

Aber statt konkrete Zahlen zu nennen, weicht das Verkehrsministerium aus: „Weiterhin wird jede Planung im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auditiert, wobei die Belange aller Verkehrsteilnehmer betrachtet werden. Die Vorgabe des Koalitionsvertrages ist damit erfüllt. Eine gesonderte Statistik wird hierzu nicht geführt.“

Es wird dokumentiert, aber keine Statistik geführt? Was für einen Sinn ergeben dann Dokumentationen?

Wahrscheinlich hat Marco Böhme als mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag recht, wenn er sagt: „Wenn Bundes- oder Staatsstraßen gebaut, um- oder ausgebaut werden, muss das Anlegen eines Radweges geprüft und dies in den Planunterlagen dokumentiert werden. Das hat die Kretschmer-Koalition 2019 per Erlass geregelt.

Ich hatte die Staatsregierung gefragt, bei welchen der 230 relevanten Bauprojekte seit 2019 Radwege gebaut wurden und bei welchen dies aus welchen Gründen unterlassen worden ist. Die Antwort: Die Staatsregierung weiß das nicht, es gebe keine Statistik.

Auf Nachfrage im Wirtschaftsausschuss wurde mir jetzt mitgeteilt: Das Beschaffen dieser Informationen beanspruche 288 Arbeitsstunden und gefährde deshalb die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung. Das ist erstaunlich – und wohl nur so zu erklären, dass die Bilanz beim Radwegebau immer noch peinlich schlecht ist und daher lieber verschwiegen wird.“

Es sagt auch etwas über die Unfähigkeit der Staatsregierung aus, saubere digitale Statistiken zu führen. Denn die 288 Stunden kommen nur zustande, weil die ganze Dokumentation nicht digital verfügbar ist. Und so rechnet die Regierung dann einfach aus, wie viel Zeit ein Mitarbeiter braucht, die ganzen Akten der letzten fünf Jahre auszuwerten.

Wenn eine Regierung so arbeitet, kann natürlich nichts Gescheites dabei herauskommen. Und die Kontrollfunktion des Landtags wird völlig ad absurdum geführt.

Wir haben doch eine bunte Karte!

Und so erklärt Böhme: „Es ist bekannt, dass noch über 400 Kilometer Radwege an Bundes- sowie Staatsstraßen fehlen und der Ausbau nur im Schneckentempo vorangeht. Das Ziel, den Anteil der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege bis 2025 zu verdoppeln, hat die Koalition verfehlt. Ich bin skeptisch, ob die neue Koalition bei diesem Thema schneller vorankommen wird. Dringend nötig ist das jedenfalls!“

Das Ministerium verwies Böhme freilich auch auf die Möglichkeit, mit den öffentlich verfügbaren Daten dann eben selbst eine Statistik zu erstellen – jedenfalls so weit es das Geoportal des Landes zulässt: „Mit der uneingeschränkten Zugänglichkeit zum Geoportal Sachsenatlas ist ein Mehrwert für die Nutzer gegeben.

Über Karteninhalt (unten links), thematische Karte ‚06/10 Radverkehr‘ sind die Verläufe der Radverkehrsanlagen sowie korrespondierende Informationen, z.B. Planungsstände, dargestellt. Zusätzlich können über weitere thematische Karten Informationen zu Verkehrszählungen, Schutzgebieten oder Geländehöhen eingeblendet werden.“

Nur eins bietet diese bunte Karte nun einmal nicht: Eine übersichtliche Darstellung der gebauten und geplanten Radwegeverbindungen an Sachsens Staats- und Bundesstraßen seit 2019.

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