Die AfD holt mehr als 30 Prozent der Stimmen in Sachsen. Das ist schrecklich, war aber seit ungefähr einem Jahr zu erwarten. Blickt man auf die wichtigsten Fragen, die bis zum Wahlabend tatsächlich noch offen waren, hat sich in fast allen Fällen die bessere Alternative durchgesetzt.

Szenario 1: Die AfD gewinnt die Landtagswahl. Das ist nicht passiert. Stattdessen hat die CDU laut jüngster Hochrechnungen mit ungefähr einem Prozentpunkt Vorsprung gewonnen – wohl auch dank vieler „Leihstimmen“, mit denen eben dieses Szenario vermieden werden sollte.

Ungefähr ein Jahr lang kam die AfD in Wahlumfragen auf circa 35 Prozent. Sie selbst hatte 40 Prozent als Ziel ausgegeben. Dieses hat die rechtsradikale Partei deutlich verfehlt. Im Vergleich zur Landtagswahl 2019 hat die AfD letztlich nur etwa drei Prozentpunkte dazugewonnen. Coronakrise, Energiekrise, teilweise dysfunktionale Koalitionen in Bund und Land, die Diskursverschiebung nach Solingen – all das konnte die AfD in Sachsen kaum für sich nutzen.

Szenario 2: Ohne die AfD wird es keine Regierung mit Mehrheit im Landtag geben. Ungewiss, aber zumindest rechnerisch könnten CDU, SPD und BSW eine Mehrheitsregierung bilden. Möglich wäre auch eine Dreierkonstellation mit Grünen statt SPD, allerdings hatten sich die Grünen vor der Landtagswahl sehr deutlich gegen das BSW positioniert.

Szenario 3: Die AfD erreicht eine sogenannte Sperrminorität. Aktueller Stand: Nein. 40 von 120 Sitzen im Landtag gehen nach derzeitigen Erkenntnissen an die AfD. Um Verfassungsänderungen und die Wahl von Richter*innen zu blockieren, bräuchte die AfD mehr als ein Drittel der Stimmen. Es fehlt also exakt ein Sitz. Hoffentlich bleibt es dabei.

Szenario 4: Die Linkspartei fliegt aus dem Landtag. Auch das ist nicht passiert. Vor allem der Erdrutschsieg von Nam Duy Nguyen, der in Wahlkreis Leipzig 1 fast 40 Prozent der Erststimmen geholt hat, kann die Partei mit etwas Hoffnung in die Zukunft blicken lassen.

Innerhalb weniger Monate hat es ein Kandidat, der vorher wohl nur Parteimitgliedern bekannt war, geschafft, sich in seinem Wahlkreis zu vernetzen, mit Menschen in den Dialog zu treten und so zahlreiche Wähler*innen für sich zu gewinnen. Mit einem ähnlichen Ansatz, wenn auch ohne Haustürwahlkampf, ist Juliane Nagel seit Jahrzehnten in Leipzig erfolgreich. Warum sollte so etwas nur in einer Großstadt möglich sein?

Vom Wiedereinzug in den Landtag profitiert außerdem nicht nur die Linkspartei. Nagel zahlt von dem Geld, das sie als Abgeordnete erhält, jeden Monat mehrere tausend Euro an Vereine, Projekte und das „Linxxnet“. Nguyen hat angekündigt, den Großteil seiner Einnahmen an soziale Initiativen und Menschen in Notlagen zu spenden.

Fazit

Wie gesagt: Mehr als 30 Prozent für die AfD sind eine Katastrophe. Aber von allen realistischen Wahlausgängen haben wir in Sachsen wahrscheinlich das kleinste Übel bekommen. Wenn nicht aus solch kleinen Erfolgen woraus dann sollte man noch Kraft für die kommenden Jahre schöpfen?

Thüringen wiederum ist selbstverständlich eine Katastrophe ganz anderen Ausmaßes.

Update von 1:48 Uhr

Laut dem vorläufigen Ergebnis für Sachsen erhält die AfD offenbar doch 41 Sitze im Landtag. Sie würde also die sogenannte Sperrminorität erreichen.

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