Wenn ein Bundesland wie Sachsen derzeit so heftig nach rechts abzukippen droht, dann hat das auch eine Menge mit der 34-jährigen Regierung der CDU zu tun, die gerade in Wirtschaftsbelangen oft eine intransparente und bürgerferne Politik betrieben hat. Am Flughafen Leipzig/Halle wurde das für die Anwohner nur zu deutlich. Doch der neue Vertragsabschluss mit DHL, den Ministerpräsident Michael Kretschmer vorantrieb, hat jetzt ein Nachspiel. Denn hier geht es um Steuergeld.
Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtags sind am Mittwoch, 7. August, zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Schwerpunkt der Befassung war die Vertragsverlängerung der Mitteldeutschen Flughafen AG mit DHL am Flughafen Leipzig/Halle bis 2053.
„Die Vertragsverlängerung der Mitteldeutschen Flughafen AG mit DHL hat zu Recht für Diskussionen gesorgt“, sagt Gerhard Liebscher, Sprecher für Wirtschaft und Verkehr der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag sowie Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuss.
„Selbst für uns Abgeordnete kam der Vertrag überraschend. Die staatliche Beteiligung an den Flughäfen hat aufgrund ihres Finanzvolumens eine hohe Haushaltsrelevanz. Doch die Ausführungen des Finanzministers in der heutigen Sitzung sind nicht über die bereits bekannten Informationen hinausgegangen. Die Staatsregierung kann nicht einfach am Parlament vorbei einen derart weitreichenden Vertrag besiegeln, der auch über viele Jahre Millionenbeträge aus dem Landeshaushalt binden wird.“
Es wird zwar von einem 20 Prozent höheren Zahlbetrag von DHL an den Flughafen berichtet. Aber das würde nur etwa 12 Millionen Euro ausmachen, bei Jahresfehlbeträgen des Flughafens von zuletzt rund 20 Millionen Euro.
„Wenn wir über die Vertragsverlängerung mit DHL sprechen, dürfen wir die vielen Menschen im Umfeld des Flughafens nicht vergessen, die täglich mit dessen Lärm leben müssen. Der Flughafen Leipzig/Halle und DHL sind in der Pflicht, einen angemessenen Lärm- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten“, betont Liebscher etwas eigentlich Selbstverständliches. Den gerade, weil DHL vor allem den Nachtzeitraum für seine Frachtflüge nutzt, müssten die Start- und Landeentgelte deutlich höher ausfallen als an vergleichbaren Flughäfen, wo der Frachtbetrieb tagsüber abgewickelt wird.
Die Start- und Landentgelte sind viel zu niedrig
„Hier haben die beiden Unternehmen noch deutlich nachzuholen. Wir Bündnisgrüne erwarten, dass die Anpassung der Start- und Landeentgelte jetzt zeitnah erfolgt und der Gesundheitsschutz der Anwohnenden über Lärm- und Nachtzuschläge wesentlich verbessert wird“, sagt Liebscher.
„Die Einrichtung eines Fluglärmschutzbeauftragten auf unsere Initiative hin war ein erster Schritt. Es muss nun mehr von DHL und MFAG folgen. Gleiches gilt für die Bemühungen für mehr Klimaschutz. Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen hat sich der Flughafen Leipzig/Halle verpflichtet, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen. Wir Bündnisgrüne erwarten von allen Beteiligten, dass sie die Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle zu einem Green Airport konsequent vorantreiben.“
Aber zum Problem für Michael Kretschmer könnte werden, dass auch der neue Vertrag die tatsächlichen Kosten für die Nutzung des Flughafens durch DHL nicht deckt. Da wird auf einmal das Thema verdeckte Subventionen akut. Und es wird zu einer Aufgabe für den Sächsischen Rechnungshof, den Vertrag genau daraufhin zu prüfen.
„Der Rechnungshof führt ein Prüfverfahren zum Flughafen-Deal, den Ministerpräsident Kretschmer unterzeichnet hat. Es ist richtig, dass der Vertrag überprüft wird. Der Vertrag liegt derzeit im Wirtschaftsministerium, das die neuen Entgelte genehmigen muss, bevor er in Kraft tritt“, erklärt der mobilitätspolitische Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag und Abgeordnete aus Leipzig, Marco Böhme.
Seine Fraktion hatte die Sondersitzung des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses beantragt. „Korrekturen sind also möglich und auch erforderlich. Die Mitteldeutsche Flughafen AG ist schließlich ein Unternehmen in öffentlicher Hand, das seit vielen Jahren Millionenverluste verbucht (Drucksache 7/13711). Das wäre anders, wenn DHL Gebühren auf dem Niveau anderer deutscher Frachtflughäfen bezahlen würde.“
Nur wird der Fehlbetrag am Ende vom Freistaat (und zum Teil vom Land Sachsen-Anhalt) – also mit Steuergeldern – ausgeglichen. Und immer noch im Raum steht die mögliche Erweiterung des Flughafens um 50 Prozent, die ebenfalls wieder aus Steuergeldern bezahlt werden müsste. Nur dass es diese Erweiterung für die bisher kalkulierten 500 Millionen Euro nicht geben wird. Mit den drastisch gestiegenen Baupreisen dürften sich die Baukosten deutlich in Richtung 1 Milliarde Euro bewegen.
Kosten für den Steuerzahler
„Es ist absehbar, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiterhin einspringen müssen, damit der Flughafen für die Logistikkonzerne profitabel ist. Eine Preissteigerung um 20 Prozent klingt gut. Aber wenn man bedenkt, wie billig der Flughafen Leipzig/Halle für DHL gewesen ist und dass der Vertrag bis in die 2050er Jahre läuft, hat der Ministerpräsident ein schlechtes Geschäft für Sachsen gemacht“, stellt Marco Böhme fest.
„Unterm Strich gleicht die Vereinbarung nicht einmal die Inflation aus. Sie bringt den Flughafen auch nicht aus dem Defizit heraus. Die Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe, die Sachsen und Sachsen-Anhalt angekündigt haben, hängt übrigens vom Votum des nächsten Landtages ab.“
Die Linksfraktion kritisiert zudem, dass die Staatsregierung auch in der Sondersitzung das Parlament unzureichend informiert und die gestellten Fragen unvollständig beantwortet hat. (Drucksache 7/16923).
„So hat Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) die Antwort auf die Frage verweigert, ob der neue Vertrag daran gebunden ist, dass die Landesdirektion den Flughafenausbau genehmigt. Bemerkenswert ist zudem, dass weder der Fluglärmschutzbeauftragte Jörg Puchmüller noch die Fluglärmkommission der Kommunen an den Verhandlungen beteiligt worden sind“, stellt Marco Böhme fest.
Für ihn ist es überfällig, die Nachtlandeentgelte nach Lärmemissionen zu staffeln.
„Das wäre auch bei Tagflügen notwendig“, sagte der Landtagsabgeordnete der Linken. „Nicht nur müssen laute Maschinen deutlich teurer und ganz lauten Maschinen der Start und die Landung verboten werden, sondern auch das Fliegen in der Nacht generell. Sonst wird DHL die Flugbewegungen nicht grundsätzlich ändern und der Nachtlärm kaum abnehmen. Das Güterverkehrszentrum muss stärker für innereuropäische Schienentransporte genutzt werden, um Kurzstreckenflüge auszuschließen.
Geklärt werden muss zudem, ob künftig ausschließlich Expressfracht in der Nacht geliefert werden darf. Derzeit transportiert DHL einen Großteil nicht zeitkritischer Fracht in der Nacht, obwohl es dafür keine Nachtflugerlaubnis gibt. Ebenso muss dafür gesorgt werden, dass die Beschäftigten dauerhaft vom ständigen Wachstum des Flughafens profitieren. Bislang werden sie mit niedrigen Löhnen abgespeist.“
Alles nur haltlose Vorwürfe?
Und was sagt ein CDU-Ausschussmitglied selbst zur Ausschusssitzung?
Jan Löffler, der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, sieht kein Problem im Ausweichen des Finanzministers: „Der Finanzminister hat in der Sitzung zum Vertragsabschluss berichtet. Es ist verständlich, dass er als Aufsichtsratsmitglied der Aktiengesellschaft, wenn überhaupt, nur eingeschränkt Auskunft zu Vertragsdetails geben kann. Schließlich handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beiden Vertragspartner MFAG und DHL.
Der Vorwurf der Linksfraktion, DHL würde auf Kosten der Steuerzahler in Leipzig Gewinne erzielen, ist haltlos und zeigt deren gespaltenes Verhältnis zur Marktwirtschaft. In einem freiheitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem müssen Verträge für alle beteiligten Parteien vorteilhaft sein.“
Nur ist eben genau das die Frage, ob der Vertrag tatsächlich für Flughafen und Freistaat vorteilhaft ist oder die Kritik von Linken und Grünen nur zu berechtigt. Eine Antwort gibt dann möglicherweise die Auswertung durch den Rechnungshof. Die Ausschusssitzung jedenfalls hat das nicht geklärt, auch wenn der Leipziger CDU-Abgeordnete Andreas Nowak wortgewaltig von Wahlkampfklamauk spricht.
Und damit der kleinsten Oppositionspartei genau das abspricht, wozu Opposition in deutschen Landtagen da ist: Die Regierungsarbeit zu kontrollieren. Und wenn sie dazu den Finanzminister vorladen oder den Rechnungshof anrufen muss. Das ist nicht nur ihr Recht. Das ist ihre demokratische Pflicht.
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Die Sparkassengurke Jan Löffler von der Wirtschaftshure CDU könnte sich mal überlegen ob der Steuerzahler tatsächlich Vertragspartner ist. Wahlkampfklamauk ist in dem Zusammenhang eher daß der aktuelle Finanzminister Vorjohann 180 Schulassistentenstellen (noch nicht mal Lehrer m/w/d) freigibt. Dafür stimmt die Dividende in Bonn. So geht sächsisch.