Falsches Denken führt zu falscher Politik. Das ist auch in Sachsen so, wo seit zehn Jahren eine in die Verfassung gedrückte „Schuldenbremse“ dafür sorgt, dass der Freistaat falsch bzw. viel zu wenig investiert – und damit Lösungen für drängende Probleme unmöglich macht. Das betrifft das Bildungswesen genauso wie den ÖPNV. Und eben auch den Wohnungsbau bzw. den sozialen Wohnungsbau, wo der Freistaat sogar Konjunkturimpulse setzen und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum schaffen könnte.

Das Problem ist bekannt. Es qualmt seit zwei Jahren vor sich hin: Die Bauwirtschaft stockt, weniger Wohnungen werden gebaut oder saniert, der Neubau von Sozialwohnungen ist fast zum Erliegen gekommen. Außer in Leipzig, wo die stadteigene LWB jeden verfügbaren Euro in Wohnungsneubau investiert, auch wenn das am Ende trotzdem nicht reicht, die Lücke an fehlenden Wohnungen in der Stadt zu schließen. Rund 400 schafft die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft pro Jahr zu bauen. Tatsächlich braucht Leipzig aber mindestens 1.300 neue Wohnungen im Jahr.

Zur Ratsversammlung am 20. Juni bezifferte Leipzigs Baubürgermeister Thomas Dienberg die Zahl der Haushalte, die inzwischen vergeblich nach einer geeigneten Wohnung in Leipzig suchen, auf 4.500.

Ein Ergebnis von seit Jahren zu geringem Wohnungsneubau und einem inzwischen auf über 10.000 angewachsenen Überhang an genehmigten Wohnungen, die aber von den Antragstellern nicht gebaut wurden, weil die massiv gestiegenen Baukosten ihre Finanzierungsmodelle haben platzen lassen. Denn weitere tausende Eigentumswohnungen sind nicht das, was am Leipziger Wohnungsmarkt gebraucht wird, sondern preiswerte (also in der Regel geförderte) Wohnungen.

Wer verantwortet eigentlich die Wohnungspolitik?

„Juliane Nagel, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, blickt mit Sorge in die Zukunft und stellt der Kretschmer-Koalition im Bereich Wohnungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus“, schreibt die Linksfraktion im Sächsischen Landtag dazu. Und sorgt selbst für weitere Fehldeutungen. Wäre Wohnungsbau eine Koalitionsaufgabe, sähe die Lage längst anders aus.

Doch nicht ohne Grund hat sich die dauerregierende CDU den Posten des Regionalministers geschaffen, der unter anderem auch die Förderpolitik für den Wohnungsbau verantwortet und regelmäßig auf Landtagsanfragen antwortet, er sähe in Leipzig keinen angespannten Wohnungsmarkt.

Die Wohnungsmarktmisere in Leipzig ist also sehr konkret zu verantworten. Und die Linke tut sich ganz gewiss keinen Gefallen, in jeder Meldung auf die Koalition zu schimpfen, statt Ross und Reiter wirklich beim Namen zu nennen.

„Der Freistaat darf sich nicht aus dem Wohnungsmarkt heraushalten – sonst profitieren nur Menschen, die sich hohe Mieten und teure Immobilien leisten können. Alle anderen laufen Gefahr, verdrängt zu werden“, stellt Juliane Nagel etwas Richtiges fest.

„Dennoch mussten wir der Kretschmer-Koalition jede noch so kleine wohnungspolitische Initiative mühsam abringen. Sie hat es lange zugelassen, dass Wohnraum für Ferienwohnungen oder Gewerberäume zweckentfremdet oder in Erwartung höherer Rendite leergehalten wird. Erst seit kurzem dürfen die Kommunen dagegen vorgehen. Auch die Mietpreisbremse kam erst sehr spät für Dresden und Leipzig – und sie genügt nicht, weil sie zu hohe Mieten erlaubt und für Neubau oder möblierte Zimmer nicht gilt. V

on 134.000 Sozialwohnungen (2006) waren 2022 nur 12.500 übrig, der Wiederaufbau läuft schleppend. Selbst jetzt, da die Bauwirtschaft kriselt, ist keine kluge Investitionspolitik in Sicht. Die Förderrichtlinien sind noch immer zu kompliziert, Geld fehlt.“

Wer über den Geldsack wacht

Nur hatte die Linksfraktion eben nie die Gelegenheit, der „Kretschmer-Koalition“ etwas abzuringen. Das konnten nur die beiden kleinen Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen am Tisch. Wenig genug, das stimmt. Aber eben das erzählt auch von den Kräfteverhältnissen in der Koalition, in der die CDU-Granden schon immer deutlicher sagen, dass sie mit den Grünen nicht regieren wollen.

Die nerven nämlich, weil sie ständig solche Sachen fordern und umgesetzt sehen wollen – ähnlich wie die SPD. Nur ärgern sie die stockkonservative Sachsen-CDU noch an viel mehr Stellen, wo der sächsische Bär eigentlich nur weiterschlafen und der CDU-Finanzminister kein Geld ausgeben möchte.

Dass die Linke mit ihren Forderungen recht hat, spielt da kaum eine Rolle. Wer über den Geldsack verfügt (und den Finanzminister stellt nun einmal seit 34 Jahren die CDU), verfügt über die Macht im Land.

„Dabei ist es höchste Zeit für öffentliche Investitionen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen und die energetische Sanierung voranbringen. Förderprogramme müssen vor allem dort wirken, wo viele Menschen mit geringem Einkommen wohnen. Bisher gilt: Je ärmer die Menschen sind, desto schlechter ist die Energieeffizienz des Gebäudes, in dem sie leben.

Es müssen also gerade diejenigen am meisten Geld für das Heizen aufbringen, die selbst am wenigsten haben. Um das zu ändern, muss der Staat in den Wohnungsmarkt eingreifen und gemeinnützige Anbieter zulasten privater Wohnungsunternehmen stärker unterstützen“, formuliert Juliane Nagel eine nur zu logische Forderung.

Die aber die Linksfraktion in der Opposition nicht durchsetzen kann und eigentlich nur hoffen kann, dass die CDU nach der Landtagswahl im September auf Koalitionspartner angewiesen sein wird, die so ein berechtigtes Anliegen auch selbst durchzusetzen vorhaben.

Dann kann auch die berechtigte Überlegung eine Rolle spielen, wie sie Juliane Nagel formuliert: „Wir wollen kommunale und gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen wie Genossenschaften bevorzugen, etwa bei der Fördermittelvergabe, und mehr Fördermittel für sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Sozialwohnungen sollen Sozialwohnungen bleiben.

Eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft soll den kommunalen Gesellschaften bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten. Wir wollen eine wirksame Mietpreisbremse einführen und den Kündigungsschutz bei Eigenbedarfskündigungen verbessern. Wir fordern auch einen Mietenstopp, der Härtefälle bei Kleinvermietern und gemeinnütziger Wohnungswirtschaft berücksichtigt.“

Und sie formuliert: „Die Linksfraktion und ich persönlich werden in der nächsten Wahlperiode weiter Druck für diese Forderungen machen. In keinem anderen Bundesland ist der Anteil der Menschen, die Wohnraum besitzen, geringer als in Sachsen. Umso größer sind die staatlichen Aufgaben.“

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