Der arme Mann. Nun muss er hungern. Jedenfalls klingt es so, wenn Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann nach der jüngsten Steuerschätzung meint: „Wir werden der Gürtel deutlich enger schnallen müssen.“ Tatsächlich sagt die Mai-Steuerschätzung der Bundesregierung auch dem Freistaat Sachsen deutlich geringere Steuereinnahmen voraus, als noch im Oktober 2023. Ein herrliches Argument für einen Finanzminister, der sowieso ungern Geld ausgibt.
Nachdem das Bundesfinanzministerium die Zahlen für die Steuerschätzung am Donnerstag, dem 16. Mai, bekannt gegeben hat, hat man auch im sächsischen Finanzministerium gleich nachgerechnet, was das für die Einnahmen des Freistaats bedeutet.
Demnach kann der sächsische Staatshaushalt im Ergebnis der Mai-Steuerschätzung im Jahr 2024 Steuereinnahmen in Höhe von 19,1 Milliarden Euro erwarten. Damit bleiben die Einnahmeerwartungen mit 385 Millionen Euro weit hinter dem Haushaltsplan 2024 zurück, merkt das Finanzministerium dazu an.
Für den Zeitraum des kommenden Doppelhaushalts könne der Freistaat im Jahr 2025 mit Steuereinnahmen von 19,6 Milliarden Euro und im Jahr 2026 von 20,4 Milliarden Euro rechnen.
Gegenüber der Schätzung im Oktober 2023 und der Mittelfristigen Finanzplanung bedeutet dies in Summe beider Jahre eine deutliche Reduzierung der bisherigen Einnahmeerwartungen um 715 Millionen Euro.
Was dann den Finanzminister Hartmut Vorjohann zu seiner bildhaften Aussage bringt: „Die wirtschaftlichen Aussichten sind derzeit nicht gut. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine und der wirtschaftspolitische Kurs der Ampelkoalition im Bund belasten die Stimmung in der deutschen Wirtschaft erheblich. Das bringt auch für den Freistaat spürbar niedrigere Steuereinnahmen mit sich. Im Staatshaushalt werden wir den Gürtel deutlich enger schnallen müssen.“
Eine Aussage, über die man stutzen sollte. Insbesondere über die Formel „wirtschaftspolitischer Kurs der Ampelkoalition im Bund“. Womit dann auf einmal der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck der Schuldige sein muss für den Rückgang der Steuereinnahmen.
Kleine Steuerkorrektur mit Folgen
So hat es nicht einmal das Bundesfinanzministerium formuliert, das zu den Gründen der geringeren Einnahmeschätzung formulierte: „Die Differenz zum Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung resultiert überwiegend aus Schätzabweichungen. Diese ergeben sich aus einer verschlechterten Einschätzung zur Konjunktur. Die wirtschaftliche Erholung hat sich gegenüber den damaligen Erwartungen verzögert.
Die finanziellen Auswirkungen der gegenüber der Schätzung vom Oktober 2023 neu einbezogenen Steuerrechtsänderungen, die wie üblich nur die bereits beschlossenen Gesetze enthalten, wirken sich ebenfalls einnahmenmindernd aus.“
Auch Christian Lindners letzte Steuerreform zeigt hier Effekte.
Aber im Grunde ticken Lindner und Vorjohann ganz ähnlich. Etwa wenn man Lindners Aussage zur Steuerschätzung liest: „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, verschärft sich die Entwicklung insbesondere für den Bund. Die strukturellen Herausforderungen können wir nicht mit immer mehr Schulden zuschütten. Was wir brauchen, liegt auf der Hand: Mehr Wachstum, wir brauchen die Wirtschaftswende. Nur mit einer starken wirtschaftlichen Entwicklung schaffen wir Wohlstand und stabile Staatsfinanzen. Den Kurs halten wir, jetzt müssen wir Segel setzen.“
Der Minister glaubt also irgendwie, dass die Wirtschaft wieder fröhlich wächst, wenn der Staat spart. Dass aber ein Staat, der auch noch seine Ausgaben kürzt, die Konjunktur tatsächlich bremst, das kommt im Kosmos der deutschen Finanzminister sichtlich nicht mehr als Gedanke vor. Das neoliberale Denken vom „Verschwender“ Staat hat sich in den Köpfen festgesetzt.
Ab jetzt wird gefastet …
Und so formuliert auch Sachsens Finanzministerium: „Das Schätzergebnis vergrößert die im Haushaltsvollzug 2024 ohnehin schon bestehenden Herausforderungen. Das Risiko für die Notwendigkeit möglicher Bewirtschaftungsmaßnahmen im Staatshaushalt nimmt durch die aktuelle Entwicklung nochmals zu. Für die laufenden Planungen zum nächsten Doppelhaushalt 2025/2026 engt sich der durch den Freistaat finanzierbare Ausgaberahmen weiter erheblich ein.“
Das ist dann schon mal der erhobene Zeigefinger für die künftigen Koaltionspartner, falls im Herbst die CDU wieder die Regierung bilden darf und Sachsen nicht in einer Blockade populistischer Triumphparteien landet.
„Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich: Ein ‚Weiter so‘ kann es im Staatshaushalt nicht mehr geben. Absehbar wird detailliert und kritisch zu hinterfragen sein, welche Maßnahmen und Strukturen in ihrer bisherigen Form noch fortgeführt werden können“, malt Finanzminister Hartmut Vorjohan schon mal das Schreckgespenst einschneidender Haushaltskürzungen an die Wand.
„Die Zeit von zusätzlichen Projekten und immer neuen Vorhaben ist vorbei. Mit den aktuell erwarteten Einnahmen ist dies schlichtweg nicht darstellbar. Spätestens jetzt sollte jeder verstanden haben, dass zusätzliche Wünsche von über 11 Milliarden Euro und deutlich über 6.000 neue Stellen kein Rahmen für die Aufstellung des Doppelhaushalts 2025/2026 sein können. Schon die Fortschreibung des bisherigen Ausgabenniveaus ist nicht mehr finanzierbar.
Ein einfaches Abbremsen auf der Ausgabenseite wird nicht genügen. Der Freistaat muss seine Standards auf den Prüfstand stellen, wenn er auch in Zukunft noch gestalten will. Wer auf der Ausgabenseite neue Prioritäten setzen möchte, muss auch entsprechende Einsparvorschläge vorlegen.“
Mit der Tagträumerei in den Kommunen ist jetzt Schluss
Und auch den Kommunen zeigt der Minister schon einmal die Instrumente, auch wenn diese erst einmal ein wenig höhere Steuereinnahmen haben.
Im Gegensatz zum Freistaat können die sächsischen Kommunen im Ergebnis der Mai-Steuerschätzung im Vergleich zur Oktoberschätzung 2023 mit etwas höheren Steuereinnahmen rechnen. Maßgeblich dafür ist die starke Entwicklung der Gewerbesteuer in vielen Städten und Gemeinden in Sachsen. Für 2024 werden kommunale Steuereinnahmen in Höhe von 4,77 Milliarden Euro erwartet, für die nächsten beiden Jahre 4,96 Milliarden Euro (2025) bzw. 5,15 Milliarden Euro (2026).
„Beim Freistaat bestehen keinerlei finanzielle Spielräume mehr für Tagträumereien. Das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung bringt damit weitere Herausforderungen für die bevorstehenden Gespräche über den kommunalen Finanzausgleich für die Jahre 2025 und 2026 mit sich“, kündigt Vorjohann schon einmal eine härtere Gangart gegenüber den Kommunen an.
„Es ist offensichtlich, dass die Entwicklung der Steuereinnahmen in Sachsen zwischen Landes- und Gemeindeebene auseinanderläuft. Allein die sich daraus ergebenden Abrechnungsbeträge im kommunalen Finanzausgleich 2023/2024 belaufen sich auf über 700 Millionen Euro. Dies ist der Ausgangspunkt der Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden.
Einen Ansatzpunkt für einseitige Forderungen und zusätzliche strukturelle Belastungen des Landes sehe ich nicht. Die öffentlichen Haushalte in Sachsen müssen im gemeinsamen Interesse von Land und Kommunen dauerhaft beherrschbar bleiben. Ich empfehle daher mehr Augenmaß und gegenseitige Fairness.“
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Naja, lieber Autor, es gab mal den CDU-Finanzminister Unland, einstmalig Rektor an der TU Bergakademie Freiberg, der stoisch und ignorant immer wieder den abgeranzten Spruch anbrachte, man könne jeden Euro nur einmal ausgeben. Daran nimmt sich Vorjohann, an dessen Wirken in der hiesigen Stadtverwaltung ich mich allerdings nicht erinnern kann, anscheinend wirkte er weiland unter Peter Kaminski, nun ein Beispiel. Und die eigentlich zum Erbrechen benutzte Floskel vom Gürtelengerschnallen ist aus dem Repertoire. Daß allerdings die Bundespolitik mit dem anscheinend von Ihnen verehrten Robert Habeck diese Republik wirtschaftlich maltraitiert, wollen Sie gar nicht anerkennen?
Aufgemerkt habe ich bei Ihrer Formulierung “populistische Triumphparteien”. Das Nomen ist ein Neologismus, denke ich. Es käme aber nicht auf Begriffe an, sondern auf Politik in Sachsen, die den Menschen insgesamt etwas zutraut, ihnen dafür etwas bietet, Dressur außen vor läßt, dem Frieden verpflichtet bleibt, die Landflucht beenden hilft, und vieles mehr. Ich kenne seit den Siebzigern einen Bauern in Mittelsachsen, seine Familie lebt seit dem 19. Jahrhundert auf demselben Hof. Er ist einer der wenigen, der in seinem Dorf nicht die AfD wählt, sagt er, der in einer Genossenschaft arbeitet. Das über Jahrzehnte dort gewachsene Bewußtsein, eher abgehängt als ernstgenommen zu werden, rächt sich. Und läßt sich leider auch nicht zügig umkehren. Und überhaupt: welche Partei wirft sich eigentlich nicht in Pose, wenn auch nur ein beliebiger Indikator auszuweisen scheint, daß die Wähler genau das gewollt hätten, was gerade von ihr verzapft wird?
Vermeiden Sie bitte solche Neologismen, mit denen Sie anscheinend Affirmation für Parteien wie B90/DG oder SPD oder Die Linke erheischen wollen, wie jedenfalls ich das empfinde. Selbstverständlich gibt es hervorragende Politiker aus den genannten Parteien auch in Leipzig, ich nenne beispielhaft nur Getu Abraham, der für die SPD im hiesigen Stadtrat sitzt, oder Bert Sander, der für B90/DG ebenfalls dort wirkt, oder auch Volker Külow von Die Linke, dem man Zugewandtheit und Unermüdlichkeit konzedieren muß. Aber Abgrenzung nach Rechts allein ist noch kein politisches Konzept, das wissen Sie, aber ob das Ihre Leser überwiegend auch wissen?