Die am Freitag, dem 17. Mai, von Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) veröffentlichte regionalisierte Steuerschätzung und die von Vorjohann geäußerten Ermahnungen treffen auch beim grünen Koalitionspartner der CDU auf harsche Kritik. Denn während Vorjohann suggerierte, Sachsen hätte die letzten Jahre in Saus und Braus gelebt und das Geld verjubelt, leidet das Land in Wirklichkeit unter einem massiven Investitionsstau. Und ist auf die Zukunft nicht vorbereitet.
„Die Steuerschätzung verändert die grundlegenden Herausforderungen bei der Haushaltsaufstellung nicht“, stellt Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag im Widerspruch zum Geraune des Finanzministers fest.
„Die aktuellen Krisen beschränken sich nicht auf Sachsen und Deutschland. Die meisten Länder haben sich für umfassende Investitionspakete entschieden. Das ist in Sachsen nicht möglich, weil die sächsische Schuldenbremse konjunkturelle Schwankungen und Inflation nicht berücksichtigt. Wir Bündnisgrüne haben eindringlich vor den Folgen gewarnt und eine dringend notwendige Anpassung der Schuldenbremse vorgeschlagen.
Die CDU und der sächsische Finanzminister haben das abgelehnt – entgegen einschlägiger Expertenmeinungen aus der Finanzwelt. Damit lässt die CDU Sachsen bewusst in ein finanzielles Risiko laufen. Diese Kurzsichtigkeit wird Folgen haben.“
Sachsens verfehlte Schuldenbremse
Tatsächlich ist Sachsen nach wie vor das Bundesland mit den geringsten Schulden. 5,7 Milliarden Euro waren es zum Jahresende 2023. Seit 2013 hat das Land dazu noch die schärfste Schuldenbremse in der Verfassung stehen, das Hauptargument für jeden CDU-Finanzminister, selbst in Krisenzeiten Mehrausgaben im Haushalt zu unterbinden und stattdessen Kürzungen in den Ressorts zu fordern. Was den Freistaat mitten in der Konjunkturflaute unfähig macht, eigene Konjunkturanreize zu setzen und die eigene Wirtschaft zu stärken.
„Würde Sachsen die Schuldenbremse auf das Konjunkturbereinigungsverfahren des Bundes umstellen, dürften wir im Rahmen der Konjunkturkomponente auf Basis der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung überschlägig konjunkturbedingte Kredite von gut 400, 300 bzw. 200 Millionen Euro in den Jahren 2024 bis 2026 aufnehmen“, beschreibt Schubert die Spielräume, die der Freistaat hätte. Würde nicht die CDU den Finanzminister stellen.
„Das würde die aktuellen Haushaltsprobleme demnach konjunkturgerecht sehr erheblich abmildern (60 bis 98 Prozent). Es wird Zeit, dass Sachsen seinen ökonomisch und gesellschaftspolitisch schädlichen Sonderweg mit der im Vergleich der Bundesländer restriktivsten Schuldenbremse endlich aufgibt.“
Lieber lamentieren als investieren
Aber Sachsens CDU denkt über einen Landeshaushalt wie die schwäbische Hausfrau, die mit ihrem Haushaltsgeld bis zum Monatsende auskommen muss. Man lamentiert lieber über wegbrechende Wirtschaftszweige, die man eigentlich gern im Land behalten hätte – wie die Solarindustrie. Aber wirksame Investitionsprogramme, die der eigenen Wirtschaft neue Impulse geben, gibt es einfach nicht. Auch das Wirtschaftsressort arbeitet mit knapp bemessenen Investitionstöpfen und kann keine eigenen Anreize setzen.
„Weil die CDU eine Anpassung der Schuldenbremse ablehnt, fehlt Geld für Investitionen und Innovationen, die für den Wirtschaftsstandort Sachsen wichtig sind – etwa für die geplanten Großansiedlungen und den Strukturwandel“, zählt Franziska Schubert auf.
„Das betrifft weitere Bereiche, ganz vorn dabei sind da die Bildung und Infrastrukturen in Stadt und Land, Klimaschutz sowie die Kommunen. In der aktuell schwierigen Konjunkturlage ist eine Verschärfung des Konsolidierungskurses daher nicht angezeigt. Er droht die konjunkturelle Erholung zu belasten.“
Aber der Finanzminister verweist dann nur zu gern auf den Bund, der ja auch eine beschlossene Schuldenbremse hat. Und niemand verteidigt diese Schuldenbremse dort so vehement wie FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner. Denn Schuldenbremsen gehören zum politischen Instrumentarium der FDP, die Geldausgeben für Staatsbelange für Verschwendung hält und deshalb auch an den Steuersenkungen für die Reichen im Land mit aller Macht festhält.
Der deutsche Staat ist ja nicht unterfinanziert, weil die Wirtschaft gerade schwächelt. Das Geld fehlt ihm, weil mehrere Bundesregierungen in den letzten Jahrzehnten die Steuern für die Reichen immer wieder gesenkt oder – Beispiel Vermögenssteuer – ganz abgeschafft haben.
Dieses Geld fehlt natürlich zur Finanzierung der Allgemeinheit. Und es fließt eben nicht in neue Wirtschaftsaktivitäten, wie die Verteidiger der Steuersenkungen immer wieder behaupten. Dafür fällt der Staat als Konjunkturmotor praktisch aus.
Deutschland erstickt an der Schuldenbremse
Und so betont Franziska Schubert: „Die Bundesbank, Wirtschaftsweisen und zahlreiche Ökonomen werben für eine Reform der Schuldenbremse im Bund. Andere Staaten investieren derzeit massiv in ihre Wirtschaftskraft und Klimaneutralität. Das ist auch für Deutschland und für Sachsen wichtig.“
Gut möglich, dass Hartmut Vorjohann schon darauf spekuliert, dass nach der Landtagswahl andere Koalitionspartner mit am Tisch sitzen, die das Kürzen und Knausern genauso gut finden wie die CDU. Die Grünen jedenfalls schütteln nur den Kopf und sehen eher einen CDU-Minister, der alle zukunftsfähigen Veränderungen im Freistaat mit dem Kürzen im Haushalt verhindern will.
„Dass der sächsische Finanzminister stattdessen für Sachsen einen Sparhaushalt fordert, ist auch mit viel Humor kaum zu ertragen. So ein Sparkurs trifft Sachsens Wirtschaft, die Unternehmen, die Arbeitnehmenden, aber auch die Kommunen“, zählt Franziska Schubert auf.
„Er bedroht den sozialen Frieden und gefährdet die gesellschaftliche Stabilität. Ich kann hier nur nochmal sagen: Solide Finanzpolitik sieht anders aus und arbeitet nicht gegen die Entwicklung des Landes. Das Loch an benötigten Investitionen der nächsten Generation aufzubürden, ist nicht generationengerecht.“
Und so erinnert sie daran, dass Sachsen eigentlich nach Jahren des Knauserns endlich eigene wirtschaftliche Impulse setzen muss: „Wir brauchen eine regionale Wirtschaft, Arbeitskräfte in allen Bereichen und Zuversicht. Ein Spardiktat kann das nicht leisten. Es wird keine dringend benötigten Arbeitskräfte nach Deutschland zaubern und unseren Freistaat auch nicht fit für die Zukunft machen.“
Es gibt 4 Kommentare
P.S.: Die, die gerne am lautesten schreien, meist von ganz rechts bis populistisch, projizieren gerne “Aufschreie” auf vermeintliche Gegner. Ergo Vorsicht bei der angewandten Rhetorik…
*auf das Rittergut […]
Tja, nur dumm, daß mit der inzwischen rechtsextrem und antisozial agierenden CDU in Sachsen schon seit Jahren keine ordentliche und konstruktive Politik mehr vereinbart werden kann, sonst gäbe es ja diese sachbezogene Kritik an der destruktiv wirkenden “Schuldenbremse” nicht.
Den Zusammenhang zur Landtagswahl haben alleinig Sie unterstellt, Herr Malok. Bitte beschränken Sie sich doch lieber auch das Rittergut und lokale Stadtplanung.
Sebastian Thurm
Was soll dieser Aufschrei Frau Franziska Schubert 3 Monate vor der Landtagswahl? Hattet ihr nicht genug Zeit entsprechende Politik untereinander zu vereinbaren?