Sind eigentlich die Daten der Sachsen und Sächsinnen sicher vor unbefugten Zugriffen – auch solchen der Behörden? Das ist Thema einer großen Anfrage der Linksfraktion nicht nur an die Sächsische Staatsregierung, sondern auch an alle möglichen Behörden im Freistaat. Nur dass Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) das Kunststück fertigbrachte, eine Antwort aus seinem Ministerium komplett zu verweigern, dürfte eine Premiere sein.

Mit einer Mitte Dezember 2023 eingereichten Großen Anfrage will die Linksfraktion herausfinden, wie der Staat Meldedaten nutzt und welche Vorkehrungen er trifft, um sie zu schützen (Drucksache 7/15137). Hintergrund sind nicht zuletzt Missbrauchsfälle aus anderen Bundesländern, in denen etwa Polizeibeamte mit zweckwidrigen Abfragen auffielen. Zugriffe auf Meldedaten werden kaum kontrolliert.

Die Anfrage sei nur auf den ersten Blick sehr umfangreich: Sie richte denselben überschaubaren Fragekomplex an alle relevanten Ämter, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen, stellt die Linksfraktion fest. Diese Adressaten seien deshalb so zahlreich, weil das Innenministerium sie per Meldeverordnung damit betraut habe, regelmäßig Meldedaten zu verarbeiten.

Zu viele Fragen

Mit Schreiben von Mitte Februar 2024 teilte der für den Umgang mit Meldedaten verantwortliche Innenminister Armin Schuster allerdings mit, dass die Staatsregierung die Beantwortung vollständig verweigert.

Wobei die Verweigerung in dieser Antwort erst einmal schlüssig klingt. Denn 1.090 Fragen zu beantworten, das kann tatsächlich dafür sorgen, dass gleich mehrere Mitarbeiter über Wochen nur noch mit Datensammeln beschäftigt sind.

In der Antwort aus dem Ministerium heißt es dazu: „Voraussetzung hierfür ist, dass eine Große Anfrage den Vorgaben der §§ 54 ff. der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages (GO) 7. Wahlperiode vom 1. Oktober 2019 entspricht, im Einklang mit den auch für die Wahrnehmung verfassungsrechtlicher Kompetenzen geltenden Rechtsgrundsätzen steht und der Staatsregierung die unverzügliche und vollständige Beantwortung mit zumutbarem Aufwand möglich ist.

Diesen Anforderungen entspricht diese Große Anfrage mit 1.090 Fragen und weiteren Unterfragen auf 106 DIN A4 Seiten nicht. 1. Die Große Anfrage dürfte bereits unzulässig sein. Sie entspricht nicht den Vorgaben der GO 7. Wahlperiode vom 1. Oktober 2019.“

Wobei dann im Gegenzug verblüfft, dass das Ministerium ganze sieben Seiten darauf verwendet, die Ablehnung der Beantwortung der Fragen zu begründen.

Ein Dilemma? Oder ein unlösbarer Konflikt?

Aus Sicht des parlamentarischen Geschäftsführers der Linksfraktion, Marco Böhme, jedenfalls nicht. Denn jede relevante Behörde bekäme eigentlich nur jeweils 30 Fragen.

Es liegt an der Vielzahl der Behörden

„Wir richten jeweils etwa 30 Fragen an alle relevanten öffentlichen Stellen, vom Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste bis zu den Staatsanwaltschaften. Dass sich Innenminister Schuster davon überfordert sieht, deren Beantwortung zu koordinieren, spricht Bände“, meint Böhme.

„Schlimmer wiegt sein aus unserer Sicht verfassungswidriger Versuch, in die Rechte des Landtages einzugreifen. Wo kämen wir hin, wenn plötzlich die Regierung bewerten dürfte, welche Anfragen das Parlament stellen darf? Die Landtagsverwaltung hat unsere Anfrage als zulässig bewertet, sonst wäre sie gar nicht ins Verfahren gegangen. Schuster soll die Verfassung lesen und seine Tränen eher im Büro des Landtagspräsidenten vergießen.“

Bemängelt hatte das Innenministerium den viel zu kurzen Zeitraum, in dem die Fragen hätten beantwortet werden sollen.

„Die Staatsregierung hätte problemlos eine Fristverlängerung beantragen können – diese haben wir bisher bei allen Großen Anfragen zugestanden“, sagt Böhme. „Stattdessen hat das Innenministerium zwei Monate lang nichts getan und jetzt mit fadenscheinigen Begründungen die Antwort verweigert. Dieser Vorgang ist in der bisherigen Landtagsgeschichte einmalig.

Schuster erhebt den unverschämten Vorwurf, wir wollten die Regierungsarbeit lahmlegen. Mit Verlaub: Das schafft die Koalition auch allein! Die ebenfalls CDU-geführte Regierung des Landes Sachsen-Anhalt hatte indes kein Problem damit, ihrer Pflicht nachzukommen: Die dortige Linksfraktion hatte eine ähnlich hohe Zahl an Fragen zum Umgang mit Meldedaten eingereicht, die sämtlich beantwortet worden sind.“

Da hätte Sachsens Innenminister vielleicht einfach mal in Magdeburg bei seiner Amtskollegin Dr. Tamara Zieschang anrufen müssen. Die Linksfraktion will sich jedenfalls weitere – auch rechtliche – Schritte vorbehalten, um das durch die Verfassung geschützte Fragerecht des Parlaments gegen Armin Schuster zu verteidigen.

„Es gehört zur Demokratie und zur Gewaltenteilung, dass das Parlament die Staatsregierung kontrolliert“, stellt Böhme fest. „Damit müssen auch jene Kabinettsmitglieder leben, die aus offensichtlichem Wahlkampfkalkül keinen Respekt vor dem Landtag haben.“

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