2024 ist Superwahljahr. Im September wird auch in Sachsen ein neuer Landtag gewählt und es kann passieren, dass erstmals seit 1990 nicht die CDU die stärkste Partei wird, sondern mehr Sachsen die AfD wählen und eine Regierungsbildung extrem erschweren. Und längst ist auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Wahlkampfmodus und lässt sich keine Gelegenheit entgehen, in den Medien für Aufmerksamkeit für sich und seine Partei zu sorgen. Auch mit „grobem Unfug“, wie es Petra Köpping nennt.

Aus gutem Grund, denn auch für Petra Köpping ist 2024 Wahljahr. In der aktuellen Regierung ist sie Staatsministerin für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gleichzeitig ist sie Spitzenkandidatin der SPD im Landtagswahlkampf.

Doch die jüngsten Äußerungen des Ministerpräsidenten in einem Interview mit der „Rheinischen Post“, in denen er die Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung mit jener der DDR vergleicht, sind für sie nicht nur eine platte Kritik an der aktuellen Ampel-Regierung im Bund.

Die Flüchtlinge sind schuld?

„Aber wir leisten uns eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik, durch die wir komplett an ökonomischer Kraft verlieren. Das erinnert mittlerweile an die DDR. Es gab eine desaströse Wirtschaftspolitik, die Folgen wurden mit Schulden kaschiert, und dann war der Staat pleite“, sagte Kretschmer unwidersprochen im Interview mit Hagen Strauß und Jan Drebes. Statt nachzufragen, warum die Bundesrepublik wegen einer starren Schuldenbremse harte Einschnitte in fast allen Ressorts vornimmt, fragten sie nur: „Wie sieht denn Ihr Plan aus?“

Doch statt klare Vorschläge zur Korrektur der Wirtschaftspolitik zu unterbreiten, holte Kretschmer die alten Sprechblasen aus der Versenkung, mit denen auch die CDU immer wieder nur suggeriert, dass es die Arbeitsunwilligen unten in der „sozialen Hängematte“ sind, die am wirtschaftlichen Niedergang schuld sind.

Kretschmer: „Wir brauchen mehr Freiheiten und weniger Belastungen für die Unternehmen. Außerdem ist es bei uns zu leicht, ohne Arbeit staatliche Leistungen zu bekommen. Also muss man das ändern. Wenn wir sagen, Deutschland ist ein Zuwanderungsland, dann sind es beispielsweise die Ukrainer, die am leichtesten in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Aber es arbeiten nur 20 Prozent, weil sie nicht arbeiten müssen. Und dann rennt der Arbeitsminister den Leuten mit einem Job-Turbo hinterher. So wird das nichts.“

Kein einziges Wort zu wirklich sinnvollen Wirtschaftsreformen. Stattdessen macht es Kretschmer ganz im Stil der AfD und dreht das Interview auf das Thema Migration.

Kein Wunder, dass Petra Köpping diese Wortmeldung des Ministerpräsidenten so nicht stehen lassen kann. Denn damit schürt Kretschmer wieder nur Ressentiments, ohne einen einzigen wirtschaftspolitischen Vorschlag zu machen. Und der Vergleich mit der abgewirtschafteten DDR sei nun völlig daneben, findet Köpping.

„Das ist doch grober Unfug. Meistens verbieten sich DDR-Vergleiche von selbst. Und hier erst recht. Ich habe nach der Wende hautnah erlebt, in welchem Zustand die Wirtschaft der DDR war und welche Mühen es gekostet hat, hier wieder was aufzubauen. Genau das hat mich in dieser Zeit, als andere gerade zur Jungen Union kamen, als Bürgermeisterin und Landrätin ständig beschäftigt.

Und da frage ich mich: Wie kann man ernsthaft die Wirtschaftspolitik von Robert Habeck mit der von Günter Mittag vergleichen?“, fragt Petra Köpping.

Ist „Welcome to Saxony“ nur scheinheilig gemeint?

Und dann geht Köpping auf die Widersprüchlichkeit in der sächsischen Wirtschaftspolitik ein.

„Ich verstehe, dass der Ministerpräsident den Drang hat, sich häufig zu allem und jedem zu äußern. Das kann er gern tun. Aber das Land auf diese Art so schlechtzureden und vor allem schlechtzumachen, ist unverantwortlich. Denn dieser Vergleich hält doch keinen seriösen Kriterien stand“, stellt Köpping fest.

„Schon allein die Investitionen, die doch zum großen Teil durch die Bundesregierung verantwortet werden, sprechen eine andere Sprache. Man kann nicht großspurig ‚Welcome to Saxony TSMC‘ rufen, nur um anschließend in jedes Mikrofon zu sagen, wir stünden komplett am Abgrund.“

Mal ganz zu schweigen davon, dass die Untergangsrhetorik direkt aus dem Vokabular der Rechtsextremen stammt. Man kann den Aufstieg einer rechtsextremen Partei aber nicht bremsen, indem man unüberlegt einfach ihr Vokabular und ihre Argumentation übernimmt. Erst recht nicht, wenn es mit den wirtschaftlichen Realitäten nicht übereinstimmt.

Stattdessen behauptete Kretschmer: „Deutschland ist der kranke Mann Europas, wir sind beim Wirtschaftswachstum Schlusslicht.“

Es ist nicht die Migration, welche die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bremst. Eine viel größere Rolle spielt die falsche Steuerpolitik, gekoppelt mit einer starren Schuldenbremse, die nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch Sachsen daran hindert, vorsorgend zu investieren.

Selbst die FDP schüttelt den Kopf

Und selbst da, wo die Bundesregierung Angebote zur Wirtschaftsunterstützung macht, ist es Sachsens Ministerpräsident im Verein mit anderen Unionsministerpräsidenten, der im Bundesrat blockiert – in diesem Fall das Wachstumschancengesetz. Durch das Wachstumschancengesetz will die Ampel-Koalition Wirtschaftspolitik zur Priorität machen, milliardenschwere Entlastungen für Unternehmen schaffen und den Gründungsstandort Deutschland stärken.

Das passt nicht zusammen.

Das findet selbst der Spitzenkandidat der FDP-Sachsen zur Landtagswahl, Robert Malorny: „Mit ihrer Blockade im Bundesrat nimmt die Staatsregierung die sächsische Wirtschaft in Geiselhaft. Auf der einen Seite fordert sie in Sonntagsreden die Entlastung des Mittelstands, auf der anderen Seite lässt sie die sächsische Wirtschaft im Regen stehen, wenn es drauf ankommt. Diese Doppelzüngigkeit hat nichts mit verantwortungsvoller Politik zu tun. Durch das Wachstumschancengesetz würden sächsische Betriebe mit Steuerentlastungen in Höhe von 200 Millionen Euro profitieren.“

Da sieht das Fingerzeigen auf die Flüchtlinge gleich noch viel herzloser aus.

„Ja, es gibt Probleme, die wir lösen müssen“, sagt Petra Köpping. „Aber das tun wir nicht mit absurden Vergleichen, die nur auf die nächste Schlagzeile aus sind. Das tun wir, indem wir gemeinsam an Lösungen arbeiten. Sowohl im Bund, als auch hier in Sachsen. Ich hoffe, der Ministerpräsident findet zeitnah auf einen Pfad zurück, auf dem das möglich ist.“

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