Der sächsische Landtag hat am Mittwoch, dem 31. Januar, den Gesetzesvorschlag der Regierungsfraktionen beschlossen, der die rechtliche Grundlage dafür schafft, dass Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt die Möglichkeit bekommen, Zweckentfremdungsverbote zu erlassen. „Endlich bekommt Leipzig eine Handhabe, gegen Zweckentfremdung vorzugehen“, erklärt SPD-Fraktionschef Christopher Zenker. Auch wenn das Gesetz am Ende nur ein gewordener Kompromiss ist.
„Dieses Gesetz ist wichtig, denn Wohnungen sind zum Wohnen da. Jede Wohnung, die wir als Wohnraum zurückgewinnen oder aktivieren, ist ein Gewinn für Wohnungssuche, für den Leipziger Wohnungsmarkt und für unser Hotelgewerbe“, sagt Zenker.
„Bereits 2018 hat meine Fraktion die Initiative ergriffen und die Stadtverwaltung damit beauftragt, eine Datengrundlage zu schaffen, auf deren Basis ein Zweckentfremdungsverbot in Leipzig in Kraft gesetzt werden könnte. Bislang fehlte auf Landesebene die notwendige gesetzliche Grundlage dafür.
Um das zu ändern, haben wir fünf Jahren intensiv für ein solches Gesetz gekämpft und mit den Kollegen auf Landesebene das Gespräch gesucht sowie die Stadtverwaltung beauftragt, ihrerseits bei der Staatsregierung intensiv für dieses Anliegen zu werben. Das Thema ist nun zu einem guten Ende gekommen, was mich auch persönlich sehr freut.“
Neben Ferienwohnungen zählen laut dem Gesetz auch Wohnungen zu zweckentfremdetem Wohnraum, die länger als zwölf Monate leer stehen, ohne dass besondere Bemühungen unternommen worden sind, diese Wohnungen neu zu vermieten. Hintergrund ist, dass in Leipzig zum Beispiel im Jahr 2020 über 20.000 Wohnungen nicht für Wohnzwecke genutzt wurden, wovon zirka 600 Wohnungen dauerhaft zu Ferienunterkünften umgewandelt worden sind und jährlich rund 500 Wohnungen dazu kommen, die nicht mehr für dauerhaftes Wohnen zur Verfügung stehen.
Die Dunkelziffer bei illegal als Ferienwohnung genutzten Wohnungen liegt hierbei noch darüber. Diese Wohnungen fehlen dem regulären Wohnungsmarkt. Viele Leipzigerinnen und Leipziger stehen auch deshalb vor dem Problem, dass bezahlbarer und passender Wohnraum zur Mangelware geworden ist. Ein Zweckentfremdungsverbot ist deshalb ein Instrument, um eine weitere künstliche Verknappung auf dem Mietmarkt einzudämmen.
„Nachdem der Landtag nun das Zweckentfremdungsverbotsgesetz beschlossen hat, ist die Stadtverwaltung gefragt, ihrerseits zügig eine Satzung vorzulegen, um das Thema für die Stadt Leipzig zu regeln. Wir bleiben dran und haben daher eine entsprechende Anfrage eingereicht. Sollte die Antwort nicht zufriedenstellend ausfallen, werden wir noch im Februar einen Antrag nachreichen“, bekräftigt Zenker und wirft abschließend auch den Blick auf eine andere Komponente im Gesamtzusammenhang.
„Wir halten es zudem für wichtig, dass eine Form der Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden gefunden wird, weil diese nämlich das Recht haben, von Airbnb und Co. die Daten der Anbieter abzufragen. Auf Grundlage dieser Daten könnte auch illegalen Zweckentfremdungen verstärkt nachgegangen werden.
Juliane Nagel: Das ist ein Tiger mit großen Zahnlücken
Tatsächlich hat der Weg bis zu dem am Mittwoch beschlossenen Gesetz viel zu lange gedauert. Die Linksfraktion hat im Landtag sogar zugestimmt, obwohl der Entwurf aus ihrer Sicht große Defizite aufwies.
„Die Koalition hätte schon im Juli 2022 unserem Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung zustimmen können. Stattdessen hat sie viel Zeit für diesen schlechten Kompromiss verschwendet, der zwar einen Fortschritt bedeutet, aber das Problem nicht löst“, kommentiert die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, Juliane Nagel, das beschlossene Gesetz.
„Vor allem der kommerzielle Anbieter Airbnb macht Profit mit dringend benötigtem Wohnraum, die er dem Markt entzieht, und treibt die Mieten hoch. Es geht aber auch um Eigentümer, die Wohnraum leer stehen lassen, um ihn später lukrativ zu verkaufen. Nun gibt es zwar eine Rechtsgrundlage, um dagegen vorzugehen, der Teufel allerdings steckt im Detail.“
Für sie ist das Gesetz „ein Tiger mit großen Zahnlücken“.
„Zwar ist die Ferienwohnungsnutzung reglementiert, Wohnraum darf nicht mehr länger als zwölf Monate dafür genutzt werden. Beim spekulativen Leerstand ist die Frist von zwölf Monaten jedoch viel zu lang: Wir hatten hier drei Monate vorgeschlagen, so wie es viele der zehn Bundesländer mit Zweckentfremdungsverbotsgesetz geregelt ist“, benennt Nagel einen der Kompromisse im Gesetzestext.
„Zudem fehlen im Gesetz weitere Tatbestände der Zweckentfremdung wie die überwiegend gewerbliche Nutzung von Wohnraum. In Leipzig betrifft das jährlich 200 bis 300 Wohnungen. Ein Vorgehen gegen Verwahrlosung und Abriss fehlt ebenfalls. Für die nötigen Ergänzungen hatten wir auf Empfehlung von Mietervereinen und der kommunalen Ebene gedrängt – leider prallte dies an der Regierungskoalition ab.
Übrig bleibt ein Kniefall vor der Eigentümerlobby. Nicht einmal die Kostenerstattung für die kommunale Ebene, die wir gefordert hatten, wird umgesetzt. Wir hoffen, dass Dresden und Leipzig nun schnell kommunale Satzungen erlassen und wenigstens diejenigen Instrumente nutzen, welche die Koalition ihnen gewährt.“
Dr. Tobias Peter: Jetzt muss es Leipzig umsetzen
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat begrüßt den Beschluss des Landtags für ein Zweckentfremdungsverbot.
„Die gesetzliche Regelung für kommunale Zweckentfremdungssatzungen war überfällig. Auch wenn wir uns mehr, z.B. eine kürzere Leerstandsfrist als die nun beschlossenen zwölf Monate gewünscht hätten, ist der Beschluss des Landtags ein wichtiges Signal für alle Mieterinnen und Mieter in Leipzig“, sagt Dr. Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender und wohnungspolitischer Sprecher der Leipziger Stadtratsfraktion.
„Seit fünf Jahren diskutieren wir in Leipzig die Zweckentfremdung von Wohnungen durch Ferienwohnungen, Leerstand und Gewerbe. In einem angespannten Wohnungsmarkt müssen Wohnungen vorrangig auch zum Wohnen genutzt werden. Eine Nutzung als Ferienwohnung darf nur streng geregelte Ausnahme sein, spekulativer Leerstand muss grundsätzlich unterbunden werden.“
Mit der bisher fehlenden landesrechtlichen Grundlage kann die Stadt jetzt endlich eine Zweckentfremdungssatzung auf den Weg bringen.
„Unser Ziel muss sein, einen Großteil der 20.000 zweckentfremdeten Wohnungen in Leipzig wieder dem regulären Mietwohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts und der sich eintrübenden Baukonjunktur kann dies eine spürbare Entlastung für bezahlbares Wohnen bringen“, sagt Peter.
Und:„Die Stadtverwaltung hat bereits vor Jahren umfassende Erhebungen und Grundlagen für eine Zweckentfremdungssatzung erarbeitet. Wir erwarten, dass nun zügig der Entwurf für eine Zweckentfremdungssatzung erarbeitet wird. Nach jahrelangem Warten duldet das Zweckentfremdungsverbot in Leipzig keinen Aufschub.“
Ingo Flemming: Aus CDU-Sicht ein guter Kompromiss
Am Mittwoch äußerte sich der CDU-Abgeordnete und Bauingenieur Ingo Flemming zum beschlossenen Kompromiss.
„Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir als CDU mit dem Thema Bauchschmerzen hatten. Denn es bedeutet einen Eingriff in Eigentumsrechte. Aber wir haben einen guten Kompromiss gefunden! Im Kern geht es darum, die Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt zu ermächtigen, für ihr Gebiet eigene Zweckentfremdungssatzungen zu erlassen. So können diese die Umnutzung von Wohnraum zu anderen Zwecken unterbinden bzw. einschränken“, sagte Flemming.
„Die Sachverständigenanhörung zeigte, dass es unterschiedliche Auffassungen zur Angespanntheit des Wohnungsmarktes gibt. Für Dresden und Leipzig ist anzumerken, dass in den vergangenen Jahrzehnten manche Umnutzung willkommen war. Sei es als Arztpraxis, Anwaltskanzlei oder auch als Gemeinschaftsraum für Hausgemeinschaften. Auch die Übernachtungsform ‚Ferienwohnung‘ oder ‚Air-BnB‘ ist besonders bei der jüngeren Generation und Familien beliebt.“
Das Gesetz legt dabei aber kein Verbot für alle Gemeinden fest, sondern ermöglicht diesen den Erlass einer entsprechenden Satzung. Kommunen sollen so selbst entscheiden können, ob Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf. Verstöße sollen als Ordnungswidrigkeit verfolgbar sein.
„Wir haben ein schlankes Gesetz verabschiedet, das sich auf das Notwendige beschränkt und zeitlich begrenzt wurde“, meint Flemming. „Wir werden es evaluieren und es wird sich zeigen, wie hoch die Zahl derjenigen Wohnungen ist, die dem Wohnungsmarkt wieder zugeführt werden konnten.“
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